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Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe

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144 Kausalität und <strong>Freiheit</strong> als kosmologisches Problem<br />

Bei diesen kurzen Hinweisen auf die Lage <strong>der</strong> Wissenschaften<br />

<strong>der</strong> Natur und Geschichte wollten wir nicht etwa Fehler<br />

und Versäumnisse <strong>der</strong> Wissenschaften konstatieren, ebensowenig<br />

wie ein Versagen <strong>der</strong> Philosophie, überhaupt nichts, ~orüber<br />

man sich gegenseitig anklagen könnte und dürfte. Vielmehr<br />

sind all dies Vorboten und Zeichen wirklicher Erschütterungen<br />

und Verlagerungen unseres ganzen Daseins, demgegenüber<br />

<strong>der</strong> Einzelne nur darauf bedacht sein kann, daß er die<br />

neuen Stimmen, die verschwiegen genug sind, nicht überhöre.<br />

Es ist irrig zu meinen, das könnte ein Einzelner alles an sich<br />

reißen und an<strong>der</strong>es nie<strong>der</strong>hauen. So ergäbe sich nur das Verhängnis<br />

alles Reformatorischen, das über Nacht umschlägt in<br />

unerträgliche Tyrannei. Es gilt aber ebensosehr, sich davor zu<br />

hüten, alles und jedes unterschiedslos gelten zu lassen und das<br />

Opfer einer leeren Allerweltsmeinung zu werden. Was es gilt,<br />

ist die Mitte, nicht das Mittelmäßige, son<strong>der</strong>n das Stillhalten<br />

gegenüber <strong>der</strong> inneren Vielfalt und Verhältnishaftigkeit des<br />

<strong>Wesen</strong>tlichen, das sich nie in Formeln einfangen und nie durch<br />

bloßes Nie<strong>der</strong>schlagen seines Gegensatzes retten läßt.<br />

b) Kausalität in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Physik.<br />

Wahrscheinlichkeit (Statistik) und Kausalität<br />

Kausalität - was ist von ihr zu sagen? Wir wollen zunächst<br />

Kant darüber hören und gerade Kant aus mehrfachen Gründen.<br />

Einmal, weil durch ihn Kausalität und <strong>Freiheit</strong> in einen<br />

beson<strong>der</strong>en Zusammenhang gebracht sind, sodann, weil Kant<br />

die Kausalität primär als Kausalität <strong>der</strong> Natur faßt, so daß<br />

von hier aus sich Grundschwierigkeiten ergeben bezüglich <strong>der</strong><br />

Kausalität <strong>der</strong> Geschichte. Ferner, weil gerade in <strong>der</strong> heutigen<br />

philosophischen Erörterung über das Kausalitätsproblem in <strong>der</strong><br />

Psychologie davon gesprochen wird, daß die kantische Fassung<br />

unzureichend sei. Zuletzt, weil das kantische Problem <strong>der</strong><br />

Kausalität in einen Zusammenhang hineinweist, den wir in seiner<br />

ganzen prinzipiellen Tragweite bereits kennen, in den Zu-<br />

§ 15. Vorbemerkung zum Problem <strong>der</strong> Kausalität 145<br />

sammenhang von Sein und Zeit. Denn <strong>der</strong> Bezug zur Zeit ist<br />

es <strong>der</strong> unmittelbar bei <strong>der</strong> kantischen Fassung <strong>der</strong> Kausalität<br />

m' die Augen springt, wenngleich hier das Problem nicht ins<br />

Letzte vorgetrieben ist. Zunächst gilt es, den kantischen Ansatz<br />

des Problems <strong>der</strong> Kausalität konkret vor Augen zu legen.<br />

Mit Rücksicht auf die Erörterungen des Kausalproblems in<br />

<strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Physik und ihre Bedeutung für die Philosophie<br />

ist eine Anmerkung notwendig, um <strong>der</strong> heillosen Verwirrung<br />

zu begegnen, die sich hier bereits breitgemacht hat. Die Verwirrung<br />

hat ihren Grund in einem Aneinan<strong>der</strong>vorbeireden, das<br />

wie<strong>der</strong>um daher entspringt, daß man we<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Physik noch<br />

in <strong>der</strong> Philosophie klar sieht, wonach man eigentlich jeweils<br />

fragt und fragen müßte und was man jeweils fragen kann. Auf<br />

<strong>der</strong> einen Seite - <strong>der</strong> Physik - wird ausgerufen, daß man nun<br />

endlich so weit sei einzusehen, daß das Gesetz <strong>der</strong> Kausalität<br />

kein apriorisches Den kgesetz sei und daß demnach über dieses<br />

Gesetz nur durch die Erfahrung und das physikalische Denken<br />

entschieden werden könnte. »Die Physiker zweifeln heute nicht<br />

mehr daran, daß die Frage nach dem Vorhandensein einer vollständigen<br />

Kausalität nur durch die Erfahrung entschieden werden<br />

kann - daß also die Kausalität nicht etwa eine aprioristische<br />

Denknotwendigkeit ist. «1 Mit <strong>der</strong> letzteren Bemerkung<br />

meint man natürlich die kantische Auffassung <strong>der</strong> Kausalität,<br />

wozu von vornherein zu bemerken ist, daß Kant nie und nirgends<br />

das Kausalitätsgesetz als eine aprioristische Denknotwendigkeit<br />

aufgefaßt und ausgegeben hat. Wohl sagt Kant, <strong>der</strong><br />

Grundsatz <strong>der</strong> Kausalität als allgemeines Naturgesetz könne<br />

nicht und nie durch Erfahrung begründet werden, son<strong>der</strong>n sei<br />

umgekehrt die Bedingung <strong>der</strong> Möglichkeit jeglicher Erfahrung<br />

von Natur überhaupt.<br />

So glaubt man sich dann umgekehrt auf seiten <strong>der</strong> Philosophie<br />

gegenüber allen Ansprüchen <strong>der</strong> Physik und ihren Entscheidungen<br />

über das Kausalgesetz von vornherein in einer<br />

1 P. Jordan, Kausalität und Statistik in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Physik. In: Die<br />

Naturwissenschaften XV, 1927. S. 105 ff. (Habilitationsvortrag).

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