Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe
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124 Die Ausarbeitung <strong>der</strong> Leitfrage <strong>der</strong> Metaphysik<br />
von <strong>der</strong> Zeit her, im Lichte <strong>der</strong> Zeit verstanden wird. Wir fragen<br />
nicht beliebig und ohne Orientierung einfach nach <strong>der</strong> Zeit,<br />
son<strong>der</strong>n wie wir und wie weit wir nach ihr fragen, das ist uns<br />
schon vorgeschrieben durch die Frage nach dem Sein, d. h. aber<br />
durch das, was wir über dieses selbst wissen, ganz abgesehen<br />
von seinem Zusammenhang mit <strong>der</strong> Zeit.<br />
Was wissen wir denn schon über das Sein? Nun, all das, was<br />
wir bereits bei Gelegenheit <strong>der</strong> einführenden Charakteristik des<br />
Seinsverständnisses aufgezählt haben: 1. Weite; 2. Durchdringung;<br />
3. Unausgesprochenheit; 4. Vergessenheit; 5. Unterschiedslosigkeit;<br />
6. Vorbegrifflichkeit; 7. Täuschungsfreiheit;<br />
8. anfängliche Geglie<strong>der</strong>theit. Gewiß, es ist vielerlei, was wir<br />
wissen, und am Ende auch <strong>Wesen</strong>tliches. Aber wenn wir näher<br />
zusehen, sind das Charaktere des Seinsverständnisses, des Verstehens<br />
von Sein, aber nicht des Seins selbst. Höchstens was<br />
wir an fünfter und achter Stelle aufführten, sagt etwas vom<br />
Sein selbst: Es ist unterschiedslos und doch geglie<strong>der</strong>t. Wir sehen<br />
jetzt nachträglich, daß wir bei <strong>der</strong> Aufzählung <strong>der</strong> acht<br />
Charaktere Charaktere des Seins und Charaktere des Verstehens<br />
von Sein wahllos durcheinan<strong>der</strong>gemischt haben. Geschah<br />
das nur, weil es sich um eine vorläufige Orientierung handelte<br />
o<strong>der</strong> hat dies seinen Grund? Hat das Verstehen von Sein einen<br />
beson<strong>der</strong>s engen Zusammenhang mit dem, was es versteht, eben<br />
dem Sein? Ist dieser Zusammenhang ein ganz an<strong>der</strong>er als etwa<br />
<strong>der</strong> zwischen Verstehen und Erkennen von beliebigem Seiendem?<br />
Offenbar dann, wenn Sein und Seiendes nicht das Selbe ist. Ist<br />
jedoch <strong>der</strong> Zusammenhang von Sein und Verständnis von Sein<br />
so elementar, daß, was vom Sein gilt, auch vom Seinsverständnis<br />
gilt, daß das Sein selbst identisch ist mit seiner Entborgenheit?<br />
So daß hier die Frage nach dem Sein überhaupt nicht gestellt<br />
werden kann, wenn nicht gefragt ist nach dem Seinsverständnis<br />
(Entbergen)? So daß wir eigentlich die Grundfrage so<br />
fassen müßten: Seinsverständnis und Zeit? Diese Fragen werden<br />
nur aus <strong>der</strong> sachlich weiter dringenden Erörterung des<br />
Seinsproblems zu beantworten sein.<br />
§ 12. Der Mensch als Stätte <strong>der</strong> Grundfrage 125<br />
Wenn wir auch die Bestimmung des inneren Zusammenhangs<br />
von Sein und Seinsverständnis noch offenlassen, so ist doch das<br />
eine gewiß, daß wir zum Problem des Seins als solchen in jedem<br />
Falle nur Zugang haben durch das Verstehen von Sein. 3 Das<br />
Verstehen von Sein aber ist - allgemein und vorläufig gesehen<br />
- ein Verhalten des Menschen. Fragen wir nach dem Sein, so<br />
fragen wir nicht beliebig nach beliebigen Eigenschaften des<br />
Menschen, son<strong>der</strong>n nach etwas Bestimmtem im Menschen, nach<br />
dem Verstehen von Sein. Dieses Verstehen von Sein ist nicht<br />
eine beliebige Son<strong>der</strong>lichkeit des Menschen, die er neben vielem<br />
an<strong>der</strong>n einfach so mitschleppt, son<strong>der</strong>n es durchdringt all sein<br />
Verhalten zu Seiendem, d. h. auch sein Verhalten zu ihm<br />
selbst. Das Seinsverstehen durchdringt nicht nur alles Verhalten<br />
zu Seiendem, als wäre es eben überall da und auch dabei,<br />
son<strong>der</strong>n es ist die Bedingung <strong>der</strong> Möglichkeit des Verhaltens zu<br />
Seiendem überhaupt. Wäre im Menschen nicht das Verstehen<br />
von Sein, er könnte sich nicht zu sich selbst als Seiendem verhalten,<br />
er könnte nicht >ich< und nicht >du< sagen, er könnte<br />
nicht er selbst, nicht Person sein. Er wäre in seinem <strong>Wesen</strong> unmöglich.<br />
Das Seinsverständnis ist demnach <strong>der</strong> Grund <strong>der</strong><br />
Möglichkeit des <strong>Wesen</strong>s des Menschen.<br />
Wenn wir nach Sein und Seinsverständnis fragen, werden<br />
wir nicht nur überhaupt so im allgemeinen gedrängt zum Fragen<br />
nach dem Menschen, son<strong>der</strong>n es wird unumgänglich. Die<br />
Frage nach dem Grunde des <strong>Wesen</strong>s des Menschen ist damit<br />
schon unausweichlich geworden. In die Wurzel und Verwurzelung<br />
unseres Menschseins als solchen drängt die Leitfrage aus<br />
ihrem eigenen Grundgehalt.<br />
Wenn nun aber vollends mit <strong>der</strong> Frage nach dem Sein und<br />
dem Seinsverständnis zusammengehört die Frage nach <strong>der</strong> Zeit,<br />
ja wenn diese sogar <strong>der</strong> Problemgrund <strong>der</strong> Seinsfrage ist, dann<br />
haben wir jetzt auch keine Wahl mehr, beliebig nach <strong>der</strong> Zeit<br />
und ihrer Zugehörigkeit zum Menschen zu fragen. Wir müssen<br />
3 Vgl. oben, S. 99 ff. über uitAii und o.A.'Y]1}E~.