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Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe

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230 Kausalität und <strong>Freiheit</strong> als kosmologisches Problem<br />

faktisch nichts uber das Verhältnis eines gegebenen Bedingten<br />

zur Gegebenheit seiner Bedingungen, es kann darüber überhaupt<br />

nichts sagen. Wenn daher das logische Postulat in seiner<br />

Bedeutung und Rechtmäßigkeit einleuchtet - mit einem Bedingten<br />

ist <strong>der</strong> Rückgang zu einer Bedingung aufgegeben -, so<br />

heißt es ganz und gar nicht, daß zu Recht besteht: Mit <strong>der</strong> Gegebenheit<br />

eines Bedingten ist auch die Bedingung gegeben und<br />

ihre ganze Reihe aufwärts. Dieser fundamentale Unterschied<br />

zwischen dem Verhältnis von Bedingtem und Bedingung auf<br />

<strong>der</strong> einen und dem Verhältnis von Gegebenheit eines Bedingten<br />

zur Gegebenheit <strong>der</strong> Bedingungen auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite - jenes<br />

ist ein logisch-begriffliches im nur Gedachten, dieses ein ontisch-faktisches<br />

im zeitlichen Geschehen des Erfahrens - ist das<br />

erste, was die gemeine Vernunft übersieht und zu einem Unterschiedslosen<br />

gleichmacht.<br />

Aber ihr Gleichmachen geht noch weiter. Was liegt darin,<br />

wenn die gemeine Vernunft den Grundsatz hinnimmt bezüglich<br />

<strong>der</strong> Rede vom Gegebensein des Bedingten? Es ist Bedingtes<br />

gegeben, d. h. irgendwelches Seiendes (Dinge) ist. Wenn diese<br />

Dinge sind als bedingte, dann ist mit ihnen seiend das Bedingende,<br />

d. h. die vollständige Reihe <strong>der</strong> Bedingungen und das<br />

Unbedingte selbst mussen dann erst recht schon sein. Hier wird<br />

bei <strong>der</strong> Rede von Gegebenheit gar nicht gefragt, was ist wann<br />

und wie gegeben, son<strong>der</strong>n es gilt als selbstverständlich, daß <strong>der</strong><br />

so Redende und den Grundsatz Verstehende, d. h. <strong>der</strong> Mensch,<br />

ohne weiteres, bedingungslos, die Dinge, wie sie sind, schlechthin<br />

erkennt und daher schlechthin über ihr bedingtes und bedingendes<br />

Zusammensein entscheiden kann. Die Rede vom Gegebensein<br />

des Bedingten und <strong>der</strong> Bedingung hält sich nicht nur<br />

in dieser Unbestimmtheit, son<strong>der</strong>n diese Unbestimmtheit ist zugleich<br />

die Selbstverständlichkeit <strong>der</strong> Meinung, <strong>der</strong> erkennende<br />

Mensch erkenne die Dinge bedingungslos, wie sie schlechthin<br />

an ihnen selbst sind. Die gemeine Vernunft übersieht, daß wir,<br />

um Seiendes als gegeben zu haben, zur Kenntnis desselben zu<br />

gelangen, das Seiende erst erlangen und darnach als einem vor-<br />

§ 24. Vorberntende (negative) Bestimmungen 231<br />

dem schon Seienden langen müssen, es begegnen lassen müssen,<br />

um es als solches zu haben, was sich zeigt. Das Seiende ist<br />

uns nur als sich zeigendes, als Erscheinung gegeben, und dieses<br />

Gebenlassen steht unter bestimmten Bedingungen, unter denjenigen<br />

nämlich, die für uns ein hinnehmendes Vorstellen, d. i.<br />

Anschauung, ermöglichen. Was Hinnehmen ermöglicht, gehört<br />

zu ihm wesensnotwendig. Wenn Hinnahme Anschauung ist,<br />

dann muß auch das zu Ermöglichende Anschauungscharakter<br />

haben. Das Ermöglichende ist gegenüber dem, was ermöglicht<br />

wird, das Frühere, Vorgängige; das ermöglichende Anschauen<br />

muß im vorhinein sein Vorstellbares anschauen.<br />

Dieses Gebenlassen <strong>der</strong> Erscheinungen steht unter bestimmten<br />

Bedingungen, nämlich daß sie in Raum und Zeit begegnen,<br />

welche beide nicht Dinge an sich sind, die auch vorhanden wären,<br />

>neben< und zugleich mit innerräumlichen und innerzeitigen<br />

Dingen, son<strong>der</strong>n welche beide Weisen des Vorstellens sind,<br />

die dem Menschen zugehören, <strong>der</strong>art, daB er im vorhinein jegliches<br />

Begegnende sich zeigen läßt im Horizont von Raum und<br />

Zeit. Alle Verhältnisse des begegnenden Seienden sind daher<br />

im vorhinein bestimmt als Zeitverhältnisse. Das gilt dann auch<br />

von dem Verhältnis <strong>der</strong> begegnenden Begebenheit des Bedingten<br />

zur Gegebenheit <strong>der</strong> Bedingungen, d. h. wenn das Bedingte<br />

in <strong>der</strong> Erscheinung und als Erscheinung gegeben ist, so folgt<br />

daraus noch nicht, daß auch mitgegeben, d. h. zugleich und zumal<br />

sei die Einheit des Zeitverhältnisses des Bedingten zu seiner<br />

Bedingung, son<strong>der</strong>n diese Reihe ist immer nur sukzessiv<br />

und in <strong>der</strong> Zeit nacheinan<strong>der</strong> gegeben. Daher kann <strong>der</strong> Grundsatz<br />

nicht lauten: Wenn das Bedingte gegeben ist, so ist auch<br />

die ganze Reihe aller Bedingungen desselben gegeben. Nur das<br />

kann gesagt werden, daß mit <strong>der</strong> Gegebenheit eines Bedingten<br />

in <strong>der</strong> Erscheinung auch <strong>der</strong> Rückgang zur Reihe <strong>der</strong> Bedingungen<br />

gegeben ist, und daß es nicht an solchen fehlen könne,<br />

aber nicht, daß sie in ihrer Totalität vorhanden seien. So sehen<br />

wir das gemeine Verfahren <strong>der</strong> Vernunft in Auffassung und<br />

Gebrauch dieses Grundsatzes.

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