Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe
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Erstes Durchbrechen des <strong>Freiheit</strong>sproblems<br />
diejenige Eigenschaft dieser Kausalität sein, da sie unabhängig<br />
von fremden sie bestimmenden Ursachen wirkend sein kann; so<br />
wie Naturnotwendigkeit, die Eigenschaft <strong>der</strong> Kausalität aller<br />
vernunftlosen <strong>Wesen</strong>, durch den Einfluß frem<strong>der</strong> Ursachen zur<br />
Tätigkeit bestimmt zu werden«.7 Hier ist wie<strong>der</strong> >Unabhängigkeit<<br />
genannt. Doch Kant spricht jetzt deutlicher: »Die angeführte<br />
Erklärung <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> ist negativ und daher, um ihr<br />
<strong>Wesen</strong> einzusehen, unfruchtbar. Allein es fließt aus ihr ein positiver<br />
Begriff, <strong>der</strong> desto reichhaltiger und fruchtbarer ist. «8 Hier<br />
wird schon klar: wenn ein positiver Begriff <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> jetzt<br />
gewonnen werden soll, dann offenbar ein praktischer. Kant sagt:<br />
»was kann denn wohl die <strong>Freiheit</strong> des Willens sonst sein als<br />
Autonomie, d. i. die Eigenschaft des Willens, sich selbst ein Gesetz<br />
zu sein? «9 Der positive Begriff <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> besagt: Autonomie<br />
des Willens, Selbstgesetzgebung. Die <strong>Freiheit</strong> im praktischen<br />
Verstande ist nicht das Negative zur <strong>Freiheit</strong> im transzendentalen<br />
Verstande, son<strong>der</strong>n die <strong>Freiheit</strong> im praktischen Verstande<br />
selbst ist es, die sich glie<strong>der</strong>t in negative und positive.<br />
Wie steht es dann aber mit <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> im transzendentalen<br />
Verstande, mit <strong>der</strong> absoluten Spontaneität, wenn sie nicht die<br />
positiv praktische zur negativ praktischen ist? Absolute Spontaneität,<br />
ist das nicht dasselbe wie Autonomie? In bei den geht es<br />
um das Selbst, das Selbsthaftige, das sua sponte, a:utoc;. Offenbar<br />
hängen beide zusammen, aber sie sind nicht einerlei. Sehen<br />
wir schärfer zu. Absolute Spontaneität: das Vermögen des<br />
Selbstanfangs eines Zustandes; Autonomie: Sich-selbst-Gesetzgeben<br />
eines vernünftigen Willens. In <strong>der</strong> absoluten Spontaneität<br />
(transzendentalen <strong>Freiheit</strong>) ist nicht die Rede von Wille und<br />
Willensgesetz, son<strong>der</strong>n vom Selbstanfangen eines Zustandes; in<br />
<strong>der</strong> Autonomie dagegen von einem bestimmten Seienden, zu dessen<br />
<strong>Wesen</strong> Wollen, 1tQii;tC; gehören. Sie sind nicht einerlei und<br />
7 Kant, Grundlegung zur Metaphysik <strong>der</strong> Sitten (Vorlän<strong>der</strong>). 6. Aufl.,<br />
Leipzig (F. Meiner) 1925, S. 74 (IV, 446).<br />
8 Ebd.<br />
9 a.a.O., S. 74 f. (IV, 446 f.).<br />
§ 3. Formal-anzeigende Erörterung<br />
doch ist Selbsthaftes in beiden : sie gehören zusammen. Wie? Das<br />
Sichselbstbestimmen zum Handeln als Selbstgesetzgebung ist ein<br />
Selbstanfangen eines Zustandes in dem beson<strong>der</strong>en Gebiet des<br />
<strong>menschlichen</strong> Handelns eines vernünftigen <strong>Wesen</strong>s überhaupt.<br />
Autonomie ist eine Art von absoluter Spontaneität, diese umgrenzt<br />
das allgemeine <strong>Wesen</strong> von jener. Aufgrund dieses <strong>Wesen</strong>scharakters<br />
als absoluter Spontaneität ist Autonomie möglich.<br />
Gebe es überhaupt keine absolute Spontaneität, dann auch<br />
keine Autonomie. Autonomie gründet <strong>der</strong> Möglichkeit nach in<br />
<strong>der</strong> absoluten Spontaneität, die praktische <strong>Freiheit</strong> in <strong>der</strong> transzendentalen.<br />
Demgemäß sagt Kant selbst ausdrücklich in <strong>der</strong><br />
»Kritik <strong>der</strong> reinen Vernunft«: »Es ist überaus merkwürdig, daß<br />
auf diese transzendentale Idee <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> sich <strong>der</strong> praktische<br />
Begriff <strong>der</strong>selben gründe, und jene [transzendentale] in dieser<br />
[praktischen] das eigentliche Moment <strong>der</strong> Schwierigkeiten ausmache,<br />
welche die Frage über ihre Möglichkeit von jeher umgeben<br />
haben. «10<br />
I runszendentale <strong>Freiheit</strong><br />
I<br />
praktische <strong>Freiheit</strong> __:::;)__ 1 _____ transzendentale<br />
(Wille eines vernünl'Ligen <strong>Wesen</strong>s)<br />
<strong>Freiheit</strong><br />
/ ~.<br />
n~a~<br />
~rtw<br />
Unabhängigkeit von Sinnlichkeit Selbstgesetzgebung<br />
So ist die transzendentale <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> praktischen nicht als<br />
<strong>der</strong> negativen nebengeordnet, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> praktischen als die<br />
Bedingung ihrer Möglichkeit vor-geordnet. Daher wird in <strong>der</strong><br />
»Grundlegung zur Metaphysik <strong>der</strong> Sitten« <strong>der</strong> dritte Abschnitt<br />
eröffnet mit <strong>der</strong> überschrift: »Der Begriff <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> ist <strong>der</strong><br />
Schlüssel zur Erklärung <strong>der</strong> Autonomie des Willens«.11 Die Be-<br />
10 Kant, Kr. d. r. V., A 533, B 561.<br />
11 Kant, Grundlegung zur Metaphysik <strong>der</strong> Sitten. S. 74 (IV, 446).