Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung ... - gesamtausgabe
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302 Die eigentliche ontologische Dimension<br />
und erst recht das hier obwaltende Verhältnis bei<strong>der</strong>, obzwar<br />
ständig und allein von ihm gehandelt wird.<br />
§ 30. <strong>Freiheit</strong> als Bedingung <strong>der</strong> Möglichkeit<br />
<strong>der</strong> Offenbarkeit des Seins des Seienden, d. i. des<br />
Seinsverständnisses<br />
Die Fragwürdigkeit bei<strong>der</strong> Wege und ihrer Einheit aber wird<br />
dadurch verhüllt, daß beidemal das Problem unter die leitende<br />
Bestimmung <strong>der</strong> Kategorie Kausalität gebracht wird, die Kausalität<br />
selbst aber nicht zum Problem wird im Sinne einer radikalen<br />
Erörterung des darin beschlossenen Seinsproblems.<br />
Was müßte geschehen, wenn die Kausalität, zunächst noch ganz<br />
im Sinne Kants, Problem würde? Kausalität ist wie die übrigen<br />
Kategorien des Vorhandenen im weiteren Sinne nach Kant<br />
ein Charakter <strong>der</strong> Gegenständlichkeit <strong>der</strong> Gegenstände. Gegenstände<br />
sind das Seiende, sofern es in <strong>der</strong> theoretischen Erfahrung<br />
als einer solchen des endlichen Menschenwesens zugänglich<br />
wird. Die Kategorien sind dann Charaktere des Seins des<br />
so offenbaren Seienden, Bestimmungen des Seins des Seienden,<br />
die es ermöglichen, daß Seiendes in seinen verschiedenen seinshaften<br />
Hinsichten an ihm selbst offenbar wird. Seiendes aber<br />
kann sich von ihm selbst nur zeigen und gar als Gegenstand<br />
nur entgegenstehen, wenn das Erscheinen von Seiendem und<br />
somit in erster Linie das, was <strong>der</strong>gleichen Erscheinung im<br />
Grunde ermöglicht, das Seinsverständnis, wenn dieses in sich<br />
den Charakter hat des Gegenstehenlassens von etwas. Gegenstehenlassen<br />
von etwas als Gegebenes, grundsätzlich: Offenbarkeit<br />
von Seiendem in <strong>der</strong> Verbindlichkeit seines So- und Daßseins,<br />
wird nur da möglich, wo das Verhalten zu Seiendem als<br />
solchem den Grundzug hat, daß es dem, was möglicherweise, ob<br />
in theoretischer o<strong>der</strong> praktischer Erkenntnis, o<strong>der</strong> sonstwie offenbar<br />
wird, im vorhinein Verbindlichkeit zugesteht. Vorgängiges<br />
Zugestehen von Verbindlichkeit aber ist ursprüngliches<br />
§ 30. <strong>Freiheit</strong> als Bedingung <strong>der</strong> Offenbarkeit des Seins 303<br />
Sichbinden, Bindung als für sich verbindlich sein lassen, d. h.<br />
kantisch, sich ein Gesetz geben. Begegnenlassen von Seiendem,<br />
Verhalten zu Seiendem in je<strong>der</strong> Weise <strong>der</strong> Offenbarkeit<br />
ist nur möglich, wo <strong>Freiheit</strong> ist. <strong>Freiheit</strong> ist die Bedingung <strong>der</strong><br />
Möglichkeit <strong>der</strong> Offenbarkeit des Seins von Seiendem, des<br />
Seinsverständnisses .<br />
Eine Seinsbestimmung des Seienden unter an<strong>der</strong>en aber ist<br />
die Kausalität. Kausalität gründet in <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>. Das Problem<br />
<strong>der</strong> Kausalität ist ein Problem <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> und nicht umgekehrt.<br />
Grundsätzlich ist die Frage nach dem <strong>Wesen</strong> <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong><br />
das Grundproblem <strong>der</strong> Philosophie, wenn an<strong>der</strong>s die Leitfrage<br />
dieser in <strong>der</strong> Frage nach dem Sein beschlossen liegt.<br />
Doch diese Grundthese und ihr Beweis ist nicht Sache einer<br />
theoretisch-wissenschaftlichen Erörterung, son<strong>der</strong>n eines Begreifens<br />
in Begriffen, die immer und notwendig im vorhinein<br />
den Begreifenden mit einbegreifen, ihn in <strong>der</strong> Wurzel seines<br />
Daseins in Anspruch nehmen. Wofür? Für nichts Geringeres<br />
und nichts Höheres als dafür: wesentlich zu werden im wirklichen<br />
Wollen des eigenen <strong>Wesen</strong>s.<br />
Wenn wirkliches Freisein und Wollen aus dem Grunde des<br />
<strong>Wesen</strong>s die Grundhaltung des Philosophierens und damit den<br />
Gehalt <strong>der</strong> Philosophie bestimmt, dann gilt von ihr Kants<br />
Wort aus <strong>der</strong> »Grundlegung zur Metaphysik <strong>der</strong> Sitten«:<br />
»Hier sehen wir nun die Philosophie in <strong>der</strong> Tat auf einen mißlichen<br />
Standpunkt gestellt, <strong>der</strong> fest sein soll, ungeachtet er<br />
we<strong>der</strong> im Himmel noch auf <strong>der</strong> Erde an etwas gehängt o<strong>der</strong><br />
woran gestützt wird. Hier soll sie ihre Lauterkeit beweisen als<br />
Selbsthalterin ihrer Gesetze, nicht als Herold <strong>der</strong>jenigen, welche<br />
ihr ein eingepflanzter Sinn o<strong>der</strong> wer weiß welche vormundschaftliche<br />
Natur einflüstert ... «.1<br />
1 Kant, Grundlegung zur MetaphYSIk <strong>der</strong> Sitten. S. 49 f. (IV, 425).