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Beilagen — Ständerat - Schweizer Parlament

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Ständerat<br />

Conseil des Etats<br />

Consiglio degli Stati<br />

Cussegl dals stadis<br />

11.316 s Kt. Iv. BL. Ergänzung des <strong>Schweizer</strong>ischen Strafgesetzbuches. Diskriminierung von<br />

Menschen mit Behinderungen<br />

français<br />

Bericht der Kommission für Rechtsfragen vom 23. August 2012<br />

Die Kommission hat an ihrer Sitzung vom 23. August 2012 diese vom Kanton Basel­Landschaft am 17. November 2011 eingereichte Standesinitiative vorgeprüft.<br />

Die Initiative verlangt einen neuen Artikel 261ter im Strafgesetzbuch, der ­ analog zum Rassendiskriminierungsverbot (Art. 261bis) ­ die Diskriminierung von Menschen<br />

mit Behinderungen unter Strafe stellt.<br />

Antrag der Kommission<br />

Die Kommission beantragt mit 9 zu 1 Stimmen bei 1 Enthaltung, der Initiative keine Folge zu geben.<br />

Berichterstattung: Seydoux<br />

Im Namen der Kommission<br />

Die Präsidentin: Anne Seydoux­Christe<br />

1. Text und Begründung<br />

1. 1. Text<br />

2. Erwägungen der Kommission<br />

1. Text und Begründung<br />

1. 1. Text<br />

Gestützt auf Artikel 160 Absatz 1 der Bundesverfassung reicht der Kanton Basel­Landschaft folgende Standesinitiative ein:<br />

Die Bundesversammlung wird aufgefordert, das Strafgesetzbuch mit einem neuen Artikel 261ter wie folgt zu ergänzen:<br />

Art. 261ter<br />

Diskriminierung Behinderter<br />

Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung zu Hass oder Diskriminierung<br />

aufruft, wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung von Behinderten gerichtet sind, wer mit dem gleichen Ziel<br />

Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt, wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder<br />

eine Gruppe von Personen wegen ihrer Behinderung in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert, wer eine von ihm<br />

angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Behinderung verweigert, wird mit<br />

Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.<br />

2. Erwägungen der Kommission<br />

Auslöser dieser Standesinitiative vom November 2011 war die Plakatkampagne des Bundesamtes für Sozialversicherungen von Ende 2009. Mit dem Ziel, "Behinderte<br />

[zu] integrieren statt [ihnen] mit Vorurteilen [zu] begegnen" (Medienmitteilung des BSV vom 5. November 2009), hatte das BSV eine zweiteilige Kampagne geführt: In<br />

der ersten Phase, der sogenannten Teaser­Kampagne, sollte mit ausschliesslich negativen Aussagen das Interesse der Öffentlichkeit geweckt werden ("Behinderte<br />

liegen uns nur auf der Tasche", "Behinderte sind dauernd krank", "Behinderte kosten uns nur Geld", "Behinderte arbeiten nie 100%"); in der zweiten Phase wurden<br />

die Aussagen dann ergänzt und somit ins Positive gekehrt ("Behinderte liegen uns nur auf der Tasche ­ wenn wir ihre Fähigkeiten nicht nutzen", "Behinderte sind<br />

dauernd krank ­ und trotzdem morgens die Ersten im Büro", "Behinderte kosten uns nur Geld ­ bis sie mal zeigen können, was sie wirklich drauf haben", "Behinderte<br />

arbeiten nie 100% ­ denn sie kennen nur 120%igen Einsatz"). Diese Kampagne, vor allem ihr erster Teil, löste zahlreiche empörte Reaktionen aus. Es wurde sogar<br />

eine Strafanzeige eingereicht; sie wurde aber mangels entsprechender Strafbestimmung nicht strafrechtlich weiterverfolgt. Der Landrat des Kantons Basel­Landschaft<br />

reichte hierauf die vorliegende Standesinitiative ein, welche verlangt, dass das Strafgesetzbuch mit einem neuen Artikel 261ter ergänzt wird, der analog zur<br />

Strafbarkeit von Rassendiskriminierungen (Art. 261bis StGB) auch die Diskriminierung Behinderter ausdrücklich verbietet.<br />

Die Kommission äussert sich zwar nicht zur beanstandeten Plakatkampagne, weist aber darauf hin, dass die Urheber dieser Kampagne nicht beabsichtigt hatten, zur<br />

Diskriminierung Behinderter aufzurufen. Demnach hätte es selbst bei anderer Rechtslage keine strafrechtliche Verurteilung geben können, weil eine strafrechtliche<br />

Verfolgung eines bloss fahrlässigen Verhaltens ohne Tatabsicht übertrieben scheint. Die Kommission hält zudem fest, dass Menschen mit Behinderungen bereits<br />

durch zahlreiche Rechtsnormen geschützt sind, nämlich durch Artikel 8 Absatz 2 der Bundesverfassung, das Behindertengleichstellungsgesetz, die Bestimmungen<br />

über den Persönlichkeitsschutz des Zivilgesetzbuches (Art. 28 ff.) und die zahlreichen Strafrechtsnormen zum Schutze namentlich des Lebens, der Ehre, der Freiheit<br />

und der sexuellen Integrität, wovon einige ausdrücklich der Situation von Menschen mit Behinderungen Rechnung tragen (vgl. Art. 183 Ziff. 2 und Art. 191 StGB). Die<br />

Kommission bezweifelt zudem, dass Verhetzungen oder Diskriminierungen von Menschen mit Behinderungen häufig vorkommen. Jedenfalls ist ihrer Meinung nach<br />

dieses Problem, sollte es bestehen, nicht vergleichbar mit der Rassendiskriminierung. Schliesslich weist sie darauf hin, dass Artikel 8 Absatz 2 der<br />

Bundesverfassung eine ganze Reihe verbotener Diskriminierungen aufzählt und es sich deshalb schwerlich rechtfertigen liesse, nur gerade die Diskriminierung von<br />

Menschen mit Behinderungen als speziellen Straftatbestand zu ahnden.<br />

Aus diesen Gründen bezweifelt die Kommission, dass für den wirksamen Schutz von Menschen mit Behinderungen eine eigene Strafbestimmung erforderlich ist.<br />

Deshalb beantragt sie ­ obschon sie jede Form der Diskriminierung nach wie vor mit aller Vehemenz ablehnt ­ mit 9 zu 1 Stimmen bei 1 Enthaltung, der Initiative<br />

keine Folge zu geben.<br />

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