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Beilagen — Ständerat - Schweizer Parlament

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Ständerat<br />

Conseil des Etats<br />

Consiglio degli Stati<br />

Cussegl dals stadis<br />

11.4041 n Mo. Nationalrat (RK­NR). Für eine vernünftige Revision von Artikel 53 StGB<br />

français<br />

Bericht der Kommission für Rechtsfragen vom 18. Juni 2012<br />

Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates hat an ihrer Sitzung vom 18. Juni 2012 die von ihrer Schwesterkommission am 10. November 2011 eingereichte<br />

Motion vorberaten. Diese Motion wurde am 7. März 2012 vom Nationalrat angenommen.<br />

Die Motion beauftragt den Bundesrat, einen Entwurf zur Revision von Artikel 53 StGB vorzulegen. Mit der Änderung soll dessen Tragweite verringert werden. Dabei<br />

sollen das Vorliegen eines nachweislichen Willens zur Wiedergutmachung und der spezielle Fall von Straftaten gegen ein öffentliches Gut, bei denen es keine Opfer<br />

gibt, berücksichtigt werden. Ausserdem soll das angedrohte Höchststrafmass unter dem heutigen Strafmass festgesetzt werden.<br />

Antrag der Kommission<br />

Die Kommission beantragt mit 10 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen, die Motion abzulehnen.<br />

Berichterstattung: Seydoux<br />

Im Namen der Kommission<br />

Die Präsidentin: Anne Seydoux­Christe<br />

1. Text<br />

2. Stellungnahme des Bundesrats vom 1. Februar 2012<br />

3. Verhandlungen und Beschluss des Erstrats<br />

4. Erwägungen der Kommission<br />

1. Text<br />

Der Bundesrat wird beauftragt, eine Revision von Artikel 53 StGB vorzuschlagen, mit der dessen Tragweite verringert wird. Dabei sollen das Vorliegen eines<br />

nachweislichen Willens zur Wiedergutmachung und der spezielle Fall von Straftaten gegen ein öffentliches Gut, bei denen es keine Opfer gibt, berücksichtigt werden.<br />

Ausserdem soll das angedrohte Höchststrafmass unter dem heutigen Strafmass festgesetzt werden.<br />

2. Stellungnahme des Bundesrats vom 1. Februar 2012<br />

Die Wiedergutmachung nach Artikel 53 StGB, in Kraft seit dem 1. Januar 2007, hat in der Praxis bisher keine grosse Bedeutung erlangt. So wurden etwa im Kanton<br />

Zürich bisher rund zehn Strafverfahren pro Jahr infolge einer Wiedergutmachung erledigt. Mit der Strafprozessordnung (StPO; SR 312.0), die seit dem 1. Januar 2011<br />

in Kraft ist, könnte Artikel 53 StGB an Bedeutung gewinnen, da die Staatsanwaltschaften verpflichtet sind, in Fällen, in denen eine Strafbefreiung wegen<br />

Wiedergutmachung infrage kommt, die Beteiligten zu einer Verhandlung einzuladen mit dem Ziel, eine Wiedergutmachung zu erzielen (Art. 316 Abs. 2 StPO).<br />

Die Motion verlangt das Vorliegen eines nachweislichen Willens zur Wiedergutmachung. Nach geltendem Recht muss der Täter den Schaden gedeckt oder alle<br />

zumutbaren Anstrengungen unternommen haben, um das von ihm bewirkte Unrecht auszugleichen (Art. 53 StGB). Dieser vom Täter erbrachte Tatbeweis setzt nicht<br />

voraus, dass er aus Reue oder gar aus tätiger Reue handelt. Eine Wiedergutmachung ist also auch möglich, wenn der Täter aus egoistischen Motiven handelt, etwa<br />

in der Absicht, ein Strafverfahren zu beenden oder einer Gerichtsverhandlung zu entgehen. Das ist jedoch hinzunehmen, da sich nicht überprüfen lässt, welche<br />

Beweggründe den Täter zur Leistung einer Wiedergutmachung geführt haben.<br />

Weiter sollen die Straftaten gegen ein öffentliches Gut, bei denen es keine Opfer gibt, berücksichtigt werden. Was damit gemeint ist, wird aus der Motion nicht<br />

ersichtlich. Eine Wiedergutmachung ist bereits nach geltendem Recht auch bei Delikten gegen die Allgemeinheit möglich. Mit der Voraussetzung des geringen<br />

öffentlichen Interesses an einer Strafverfolgung wird den Fällen Rechnung getragen, in denen keine bestimmte Person geschädigt wird. Es soll zudem eine<br />

Privilegierung wohlhabender Täter, die sich von der Strafe freikaufen könnten, verhindert werden. Dabei ist zu beurteilen, ob es mit der Erbringung der<br />

Wiedergutmachung sein Bewenden haben soll oder ob sich unter den Gesichtspunkten des Schuldausgleichs und der Prävention weitere strafrechtliche Reaktionen<br />

aufdrängen. Hat der Täter trotz materieller Wiedergutmachung die Verantwortung für seine Taten nie übernommen und kann das öffentliche Sanktionsinteresse sich<br />

daher nicht auf ein Mass reduzieren, das einen Strafverzicht rechtfertigen würde, so ist eine Bestrafung angezeigt. Das Bundesgericht hat in zwei Fällen von<br />

Urkundenfälschungen (Art. 251 und 318 StGB) das öffentliche Strafverfolgungsinteresse höher gewichtet und die Anwendbarkeit von Artikel 53 StGB verneint (BGE<br />

135 IV 12; 6B_152/2007).<br />

Schliesslich will die Motion das heute angedrohte Höchststrafmass von einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren reduzieren. Was die Schwere der Delikte anbetrifft,<br />

stellte die Botschaft auf Delikte ab, bei denen die Voraussetzungen des Aussetzens der Strafe (günstige Prognose, Freiheitsstrafe von höchstens einem Jahr oder<br />

Geldstrafe) gegeben sein mussten. Der aktuelle Gesetzestext ist grosszügiger formuliert. Es müssen die Voraussetzungen der bedingten Freiheitsstrafe erfüllt sein,<br />

d. h., es darf höchstens eine zweijährige Freiheitsstrafe bevorstehen, und es muss eine günstige Prognose im Sinne von Artikel 42 StGB vorliegen. Das ist ein<br />

verhältnismässig weit gefasster Anwendungsbereich. Es ist aber zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an die Wiedergutmachungsbemühungen des Täters mit<br />

der Höhe der zu erwartenden Strafe steigen. Aus diesem Grund wird bei bedingten Freiheitsstrafen zwischen einem und zwei Jahren das Interesse der Öffentlichkeit<br />

an der Strafverfolgung in der Regel überwiegen und nur in Ausnahmefällen eine Wiedergutmachung möglich sein. Zudem ist im Zeitpunkt der Wiedergutmachung<br />

häufig nicht bekannt, ob die Obergrenze eingehalten ist. Entsprechend wird eher auf die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung der bedingten Strafe abgestellt,<br />

d.h., wenn zusätzlich zur Wiedergutmachungshandlung eine günstige Prognose gestellt werden kann.<br />

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Wiedergutmachung in der Praxis bisher kaum angewandt wurde. Eine Definition der Wiedergutmachung, wie sie mit der<br />

Motion verlangt wird, kann bei entsprechender Auslegung auch mit dem geltenden Recht weitestgehend erreicht werden. Das Bundesgericht hat denn auch in seinen<br />

ersten Entscheiden eine eher restriktive Auslegung von Artikel 53 StGB erkennen lassen. Gegenwärtig wird der neue Allgemeine Teil des Strafgesetzbuches einer<br />

Evaluation unterzogen; die Ergebnisse werden Mitte 2012 vorliegen. Sollte sich daraus mit Bezug auf Artikel 53 StGB gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergeben,<br />

wird der Bundesrat eine Änderung prüfen.<br />

Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.<br />

3. Verhandlungen und Beschluss des Erstrats<br />

Der Nationalrat nahm die Motion am 7. März 2012 mit 171 zu 1 Stimme bei 1 Enthaltung an.<br />

4. Erwägungen der Kommission<br />

Die Kommission ist wie der Nationalrat der Ansicht, dass im von der Motion angesprochenen Bereich gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Sie stimmt aus<br />

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