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"Langfassung der Studie zur Lebenssituation von Frauen mit ...

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Seite 291<br />

Kapitel IV<br />

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass, wie in <strong>der</strong> repräsentativen<br />

Haushaltsbefragung, etwa jede dritte blinde und körperbehin<strong>der</strong>te Frau <strong>der</strong> Zusatzbefragung<br />

ein Defizit im Hinblick auf enge und vertrauensvolle Beziehungen benennt und da<strong>mit</strong> etwa<br />

doppelt so häufig wie <strong>der</strong> weibliche Bevölkerungsdurchschnitt da<strong>von</strong> betroffen ist. Allerdings<br />

liegt <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> gehörlosen <strong>Frauen</strong> hier <strong>mit</strong> 50–60% noch einmal deutlich höher. Gerade<br />

vor dem Hintergrund, dass <strong>mit</strong> dieser Zusatzbefragung vermutlich die noch eher stärker<br />

sozial eingebundenen <strong>Frauen</strong> erreicht werden konnten, verweist dieses Ergebnis auf<br />

erhebliche Problembereiche im Hinblick auf enge soziale Beziehungen bei den blinden und<br />

körperbehin<strong>der</strong>ten, vor allem aber bei den gehörlosen <strong>Frauen</strong>.<br />

Dieses Ergebnis ist zumindest im Hinblick auf die gehörlosen <strong>Frauen</strong> erstaunlich, da in <strong>der</strong><br />

Literatur und in <strong>der</strong> sozialen Praxis <strong>der</strong> Gehörlosenarbeit immer wie<strong>der</strong> auf eine enge<br />

Einbindung vieler Gehörloser in die Gemeinschaft <strong>der</strong> Gehörlosen verwiesen wird. Offenbar<br />

ist diese Einbindung in die Gehörlosengemeinschaft, aber auch in die eigenen Paar- und<br />

Freundesbeziehungen bei den <strong>Frauen</strong> oftmals nicht <strong>mit</strong> dem Vertrauen und dem Gefühl <strong>der</strong><br />

Geborgenheit und Verlässlichkeit verbunden, das sie sich wünschen. Hinzu kommt, dass,<br />

wie wir weiter unten noch sehen werden, viele gehörlose <strong>Frauen</strong> in ihren Paarbeziehungen<br />

einem erheblichen Maß an körperlicher und sexueller Gewalt ausgesetzt sind und dass dies<br />

und zusätzlich die erheblichen sexuellen Missbrauchserfahrungen <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> in Kindheit<br />

und Jugend ihr Vertrauen in enge soziale Beziehungen im Erwachsenenleben nachhaltig<br />

beeinträchtigt haben können. Hinzu kommt, dass eine Kontaktaufnahme und Einbindung in<br />

die Welt <strong>der</strong> Hörenden stark erschwert ist und dadurch alternative Freundes- und<br />

Paarbeziehungen auch außerhalb <strong>der</strong> Gemeinschaft <strong>der</strong> Gehörlosen nur schwer aufgebaut<br />

werden können. 149 Insofern kann gerade auch die enge und alternativlose Einbindung <strong>der</strong><br />

<strong>Frauen</strong> in die Gemeinschaft <strong>der</strong> Gehörlosen eine an<strong>der</strong>e Form <strong>der</strong> Isolation beför<strong>der</strong>n, die<br />

sie auch im Hinblick auf Grenzüberschreitungen und fortgesetzte Gewalt in Beziehungen<br />

vulnerabler machen kann.<br />

Wohnumfeld<br />

Der letzte Aspekt <strong>der</strong> sozialen Integration <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> bezieht sich auf die Anony<strong>mit</strong>ät und die<br />

Barrierefreiheit <strong>der</strong> Wohnumfel<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong>.<br />

Hier zeigt sich in Bezug auf die Anony<strong>mit</strong>ät <strong>der</strong> Wohngegend, dass die <strong>Frauen</strong> <strong>der</strong><br />

Zusatzbefragung gegenüber dem Bevölkerungsdurchschnitt (<strong>Frauen</strong>studie 2004) nicht<br />

149 Nur etwa jede sechste <strong>der</strong> gehörlosen <strong>Frauen</strong> <strong>der</strong> vorliegenden <strong>Studie</strong> gab an, aktuell in einer Paarbeziehung<br />

<strong>mit</strong> einer hörenden Partnerin bzw. einem hörenden Partner zu leben, und knapp ein Drittel hatte jemals eine<br />

Beziehung <strong>mit</strong> einer hörenden Partnerin bzw. einem hörenden Partner gehabt. Die aktuellen Freundeskreise<br />

<strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> setzen sich weit überwiegend aus gehörlosen und schwerhörigen Menschen zusammen. 16% <strong>der</strong><br />

befragten gehörlosen <strong>Frauen</strong> gaben an, keine hörenden Menschen im eigenen Freundeskreis zu haben, und<br />

weitere 54% höchstens ein Viertel hören<strong>der</strong> Freundinnen bzw. Freunde, sodass bei insgesamt zwei Drittel <strong>der</strong><br />

gehörlosen <strong>Frauen</strong> sich <strong>der</strong> Freundeskreis weit überwiegend (zu 75%) o<strong>der</strong> ausschließlich aus gehörlosen und<br />

schwerhörigen Menschen zusammensetzt. Dies vereinfacht die Kommunikation, da in <strong>der</strong> gemeinsamen<br />

Gebärdensprache kommuniziert werden kann. Es kann aber auch einen Gefährdungsfaktor im Hinblick auf<br />

Isolation und Gewalt in Paarbeziehungen darstellen. Im Hinblick auf Paarbeziehungen und häusliche<br />

Gemeinschaften zwischen Gehörlosen und Hörenden deutet sich allerdings auch in den letzten Jahren ein<br />

Wandel hin zu mehr gemischtem Zusammenleben in Wohngemeinschaften und Familien an, auch weil<br />

Hörende zunehmend bereit sind, sich <strong>der</strong> Deutschen Gebärdensprache zu öffnen (interne Information,<br />

Expertinneninformation).<br />

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