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"Langfassung der Studie zur Lebenssituation von Frauen mit ...

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Seite 392<br />

Kapitel IV<br />

83% <strong>der</strong> stark sehbehin<strong>der</strong>ten/blinden <strong>Frauen</strong> beschrieben Erfahrungen <strong>mit</strong> vorenthaltener<br />

o<strong>der</strong> einem Zuviel an Hilfe. Bei vorenthaltener Hilfe, die 70% <strong>der</strong> Befragten spezifizierten,<br />

wurde <strong>der</strong> Schwerpunkt in den Antworten auf die Haltung <strong>von</strong> Menschen gegenüber<br />

Behin<strong>der</strong>ten gelegt. Nach den Erfahrungen <strong>der</strong> befragten blinden <strong>Frauen</strong> hätten Menschen<br />

des sozialen Umfelds Berührungsängste, Kommunikationsbarrieren, seien gedankenlos o<strong>der</strong><br />

hielten eine Blinde für eine Simulantin, weil die Sehbeeinträchtigung nicht zu sehen sei.<br />

Einige berichteten <strong>von</strong> Aggressionen ihnen gegenüber und <strong>von</strong> Spott, dem sie ausgesetzt<br />

waren. Außerdem wurde angegeben, dass sie zu wenig Hilfe bei <strong>der</strong> Orientierung im<br />

öffentlichen Raum erhielten, auch weil die Menschen wegschauten o<strong>der</strong> auf Anfrage nach<br />

Hilfe nicht reagierten. Gut drei Viertel <strong>der</strong> stark sehbehin<strong>der</strong>ten und blinden <strong>Frauen</strong><br />

beschrieben Situationen, in denen ein Zuviel an Hilfe gegeben war, unter an<strong>der</strong>em durch die<br />

ungebetene Hilfe frem<strong>der</strong> Menschen, die – wie häufig angegeben wurde – auch aufgrund<br />

einer großen Verhaltensunsicherheit gegenüber Blinden geleistet würde. So beschrieben sie<br />

Situationen, in denen sie beispielsweise ungefragt <strong>mit</strong> über die Straße genommen wurden,<br />

obwohl das <strong>von</strong> <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ten nicht gewollt sei, o<strong>der</strong> es wurde ihnen ungebeten die<br />

Geldbörse abgenommen und das Geld beim Einkauf herausgenommen. Hilfe wurde <strong>von</strong> den<br />

befragten blinden <strong>Frauen</strong> außerdem häufig als Bevormundung, Bemutterung o<strong>der</strong><br />

Entmündigung wahrgenommen. Zwei <strong>Frauen</strong> beschrieben in diesem Zusammenhang, dass<br />

ihnen Passantinnen bzw. Passanten auf <strong>der</strong> Straße Geld zugesteckt hätten.<br />

Die Haltung an<strong>der</strong>er Menschen steht auch im Mittelpunkt <strong>der</strong> Antworten <strong>von</strong> gut 60% <strong>der</strong><br />

schwerstkörperbehin<strong>der</strong>ten/mehrfachbehin<strong>der</strong>ten <strong>Frauen</strong>, die sich zu unterlassener<br />

Hilfeleistung äußerten. 179 Es wurde z.B. beschrieben, dass Busfahrerinnen bzw. Busfahrer<br />

sie an <strong>der</strong> Haltestelle stehen ließen, weil sie die Rampe nicht ausfahren wollten, o<strong>der</strong> dass<br />

das Bahnhofspersonal nicht helfe. Beschrieben wurden Situationen <strong>der</strong> Gleichgültigkeit in<br />

Alltagssituationen, z.B. wenn die Tür nicht geöffnet o<strong>der</strong> Gegenstände nicht aus dem oberen<br />

Regal heruntergereicht würden. Die Menschen seien zu ängstlich, Hilfe zu leisten,<br />

schreckten <strong>zur</strong>ück aus Angst, etwas falsch zu machen. Außerdem berichteten einige<br />

Befragte, dass ihnen Hilfe vorenthalten worden sei <strong>von</strong> Behörden und <strong>der</strong> Krankenkasse.<br />

Themen waren die Durchsetzung <strong>der</strong> Rechte bei Behörden, z.B. Kämpfe um angemessene<br />

Hilfe, die Bewilligung <strong>von</strong> Elternassistenz, un<strong>zur</strong>eichende Gewährleistung <strong>von</strong> gesetzlich<br />

festgelegten Rechten sowie die Verweigerung <strong>von</strong> Hilfs<strong>mit</strong>teln. Circa 60% <strong>der</strong><br />

schwerstkörperbehin<strong>der</strong>ten/mehrfachbehin<strong>der</strong>ten <strong>Frauen</strong> haben, ähnlich wie die blinden<br />

<strong>Frauen</strong>, als Zuviel an Hilfe die ungebetene Hilfe <strong>von</strong> Menschen im Alltag beschrieben, z.B.<br />

ungefragt <strong>mit</strong> dem Rollstuhl geschoben zu werden, an Stellen hingeschoben zu werden, an<br />

die sie nicht wollten, ein übereifriges und eigenmächtiges Handeln <strong>der</strong> Assistentin bzw. des<br />

Assistenten sowie im Bus einfach ungefragt angefasst zu werden. Dabei kann es nach<br />

Erfahrungen <strong>der</strong> <strong>Frauen</strong> auch zu gefährdenden Situationen kommen, wenn z.B. eine Tür erst<br />

aufgehalten wird, um sie dann schwungvoll zufallen zu lassen, sodass sie <strong>der</strong> Behin<strong>der</strong>ten in<br />

den Rücken fällt.<br />

179 Zusammengenommen 77% haben unterlassene Hilfe und/o<strong>der</strong> ein Zuviel an Hilfe angegeben.<br />

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