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Trainingshandbuch Recherche : Informationsbeschaffung

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Schiffsverschrottung in Indien<br />

Verdeckte Vorort-<strong>Recherche</strong> und ethische Fragen<br />

Die verdeckte Vorort-<strong>Recherche</strong> ist ein guter Aufhänger, um im Seminar<br />

über ethische Fragen zu diskutieren: Wann kann ein solches Vorgehen<br />

gerechtfertigt sein? Welche Vorkehrungen sind zu treffen und welche Grenzen<br />

zu beachten? Greenpeace war bekannt, dass Journalisten seit Jahren<br />

keinen Zugang mehr zu den Abwrackwerften in Alang hatten. Eine offizielle<br />

Anfrage als Umweltorganisation hätte in gleicher Weise zu einer Abfuhr<br />

geführt – und überdies die Akteure vorgewarnt. Deshalb wurde eine Rolle<br />

gewählt, die das <strong>Recherche</strong>-Team in völlig legaler Weise einnehmen konnte.<br />

Als „Touristen“ und Schiffsliebhaber machten sich die Mitarbeiter auch<br />

durch das Fotografieren und Filmen nicht verdächtig. Die Anforderung, die<br />

der deutsche Presserat an verdeckte <strong>Recherche</strong>n stellt, nämlich dass Informationen<br />

von besonderem öffentlichen Interesse beschafft werden, die auf<br />

anderem Wege nicht zugänglich sind, wird durch den konkreten Fall erfüllt.<br />

Wirkung der <strong>Recherche</strong><br />

Nach der Rückkehr nach Deutschland hat Greenpeace die Proben von der „Columbus<br />

New Zealand“ analysieren lassen. Die Untersuchungsergebnisse und<br />

Fotos, die die vorsintflutlichen Arbeitsbedingungen illustrieren, wurden in einer<br />

26-seitigen Dokumentation veröffentlicht. Zeitgleich erschienen ein längerer<br />

Artikel im Spiegel und ein Bericht im ARD-Magazin Report Mainz über die<br />

Ergebnisse der Greenpeace-<strong>Recherche</strong>. Die verantwortliche Reederei Hamburg<br />

Süd weigerte sich allerdings zunächst, überhaupt mit Greenpeace zu sprechen<br />

und erklärte sich erst zu einer Unterredung bereit, nachdem sie von ihrer Mutterfirma,<br />

dem Oetker-Konzern, angewiesen wurde. Der Greenpeace-Forderung, auf<br />

die Verschrottung zweier weiterer Schiffe in Alang zu verzichten und stattdessen<br />

eine Werft mit besseren Standards zu wählen, ist Hamburg-Süd schließlich nachgekommen<br />

und hat eine Abwrackwerft in Shanghai beauftragt.<br />

Das langfristige Ziel war es jedoch, anhand des gut dokumentierten Fallbeispiels<br />

eine öffentliche Debatte über die variablen Standards bei der Schiffsverschrottung<br />

zu initiieren und so dafür zu sorgen, dass die zuständigen internationalen Gremien<br />

das Schlupfloch für den Giftmüllexport schließen. Mittlerweile berät die International<br />

Maritime Organization (IMO) über das Thema und hat bereits erste Richtlinien<br />

vorgelegt. Auch wenn dies aus der Sicht von Greenpeace noch nicht ausreicht,<br />

hat die <strong>Recherche</strong> also zumindest einen hoffnungsvollen Veränderungsprozess in<br />

Gang gesetzt und die Sensibilität für das Problem geschärft.

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