17.01.2013 Aufrufe

Trainingshandbuch Recherche : Informationsbeschaffung

Trainingshandbuch Recherche : Informationsbeschaffung

Trainingshandbuch Recherche : Informationsbeschaffung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Die Affäre Telekom<br />

111<br />

ten, beteiligt war. Im Ergebnis lieferte das Papier Indizien für eine Überbewertung<br />

des Immobilienvermögens und damit äußerst peinliche Zahlen für den<br />

Telekom-Vorstand. Im Klartext heißt das: Der Wert, den die Telekom bei einem<br />

Verkauf der Immobilien hätte erzielen können, lag weit unter dem Wert, der in<br />

den Büchern stand.<br />

Der damalige Finanzvorstand Joachim Kröske soll nach Bekanntwerden des<br />

Gutachtens wütend geworden sein, so unser Informant. Kröskes Zorn habe sich<br />

gegen den damaligen Chef der Telekom Tochter DeTe-Immobilien Frerich Görts<br />

gerichtet, der dieses Gutachten in Auftrag gegeben habe. Das Verhältnis dieser<br />

beiden Manager sei seit längerem zerrüttet. Görts, der für das Immobilienvermögen<br />

zuständig war, sollte, so der Insider, große Teile der Telekom-Liegenschaften<br />

verkaufen. Doch das Meiste konnte er nicht an den Mann bringen, weil es<br />

überbewertet gewesen sei. Deshalb habe Görts das Gutachten in Auftrag gegeben.<br />

Der Informant benannte weitere Schlüsselfiguren in der Immobilienaffäre.<br />

Einige davon trafen wir in den kommenden Tagen zu Hintergrundgesprächen.<br />

In diesem Zusammenhang möchte ich eines dieser Treffen schildern. Es soll<br />

die Angst einiger Insider illustrieren, die abhängig von der Telekom waren.<br />

Treffpunkt war ein Hotel in Nordrhein-Westfalen. Der Informant war übervorsichtig.<br />

Wir unterhielten uns nur im Flüsterton und mit vielen Abkürzungen. So<br />

bekam das Gespräch schnell absurde Züge. Wenn wir über Ron Sommer sprachen,<br />

durfte nur ein leises „Herr S.“ geflüstert werden, Kröske war „Herr K.“ und<br />

Görts „Herr G.“.<br />

Nach zahlreichen Hintergrundgesprächen wurde schnell klar – jeder weiß<br />

etwas, aber niemand weiß alles. Wir haben alle Informationen wie ein Puzzle<br />

zusammengesetzt, die Interessenlagen geprüft und genauestens analysiert. Die<br />

potenziellen Informanten mussten wir im Gegenzug von unserer Seriosität und<br />

Glaubwürdigkeit überzeugen. Auch das Thema Informantenschutz wurde häufig<br />

kontrovers diskutiert. Jeder Gesprächspartner hätte mit erheblichen Repressionen<br />

rechnen müssen, wenn er aufgeflogen wäre.<br />

Genauer darf und will ich diesen <strong>Recherche</strong>-Weg nicht beschreiben, die Informanten<br />

haben mich darum gebeten. So aber kamen wir an weitere brisante Dokumente,<br />

die den Verdacht der Überbewertung erhärteten. Sie belasten die Verantwortlichen<br />

schwer. Die Staatsanwaltschaft ermittelt bis heute. Wir hatten jetzt<br />

genügend Materialen für eine Report-Story gesammelt. Auch die sogenannte Belegsicherung<br />

war erfolgreich. Wir ließen all unsere Dokumente von mindestens<br />

zwei unabhängigen Quellen bestätigen, zum Teil hatten wir sogar drei.<br />

Es ging jetzt vordringlich darum, mit der Schlüsselfigur, Frerich Görts, Kontakt<br />

aufzunehmen. Ein Informant stellte uns den Kontakt her. Görts war ehemaliger<br />

Staatssekretär im Bundespostministerium, Telekom-Vorstandsmitglied und

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!