Trainingshandbuch Recherche : Informationsbeschaffung
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Eine-Quelle-Geschichten und andere Übel<br />
An dieser Stelle lohnt es sich Zweifel anzubringen. Im Prinzip ist es richtig, dass<br />
ein Staatsanwalt eine gute Quelle ist. Aber man muss dabei bedenken, dass<br />
Staatsanwälte eigene Ziele verfolgen und manche bestimmte unliebsame Ermittlungen<br />
lieber einstellen als verfolgen. Das Kriterium, auf das man hier eingehen<br />
sollte, ist die Nähe zu dem Ereignis, über das berichtet wird. Hat die Quelle<br />
tatsächlich exklusive Informationen? Im vorliegenden Fall ist es so, dass der<br />
Oberstaatsanwalt mehr weiß als andere. Er ist die zentrale Quelle. Er ist mit dem<br />
Fall befasst.<br />
An dieser Stelle ist es sinnvoll, über Quellen erster und zweiter Ordnung zu<br />
sprechen. Was ist gemeint?<br />
Quellen aus zweiter Hand<br />
Das sind aktuelle Zeitungsberichte, Archivtexte, TV-Berichte, Radiofeatures und<br />
Bücher – also veröffentlichte Arbeiten anderer Journalisten. Des weiteren zählen<br />
dazu: Mitgliederzeitschriften, Vorlesungsverzeichnisse einer Universität, amtliche<br />
Mitteilungsblätter, auch das Protokoll einer Stadtratssitzung. Allerdings kann<br />
man sich über den Status eines solchen Papiers streiten. Ist das nicht bereits eine<br />
Quelle, die einen Tick tiefer geht? Ein Dokument? Mag sein. Das Zitieren eines<br />
solchen Papiers sollte jedoch nicht geschehen ohne sich bei den darin Genannten<br />
über seine Richtigkeit und Bedeutung rückzuversichern.<br />
Der Autor der bereits veröffentlichten Geschichte, des gesendeten TV-Beitrags<br />
ist die weitere wichtige Quelle aus zweiter Hand. Er hat zum Thema recherchiert<br />
und meist ist er froh, wenn ein anderer Journalist seine <strong>Recherche</strong> aufgreift<br />
- zumindest solange er nicht das Gefühl haben muss, sein Beitrag diene nur als<br />
Drehbuch und werde nur abgefilmt ohne ihn als Quelle zu nennen. Vielleicht hat<br />
er seinen Informanten Vertraulichkeit zugesagt. Gilt das nur für die Veröffentlichung<br />
der Namen (nicht aber für die <strong>Recherche</strong>), so wird er die Namen vielleicht<br />
ohne Rückfrage nennen. Oft ist es jedoch nicht so einfach, wenn man den Autor<br />
nicht bereits kennt. Es empfiehlt sich daher, etwas Energie in ein vertrauensvolles<br />
Verhältnis zum Autor zu investieren. Nur dann wird der Autor die Zeit aufbringen<br />
und seine Informanten bitten, Kontakt aufzunehmen. Der Autor ist auch deshalb<br />
ein wichtiger Gesprächspartner, weil er die Beteiligten und ihre Motive kennt<br />
und wichtige Hinweise geben kann.<br />
Schließlich sollte man nicht vergessen, den Autor vorsichtig nach dem Resultat<br />
der Veröffentlichung zu fragen: Gab es dadurch neue Hinweise, die noch nicht<br />
publiziert sind, Folgegeschichten, Leserbriefe, Gegendarstellungen, rechtliche<br />
Auseinandersetzungen? Oft ergeben sich bereits durch dieses Gespräch interes-