Trainingshandbuch Recherche : Informationsbeschaffung
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Die Affäre Telekom<br />
geplant. Doch mit dem Preisverfall der T-Aktie ist die Finanzierung der Beamtenpensionen<br />
nicht mehr gesichert, bald muss wohl der Steuerzahler hierfür einstehen.<br />
Der Geldstrom aus weiteren Aktienverkäufen wäre derzeit nur ein Rinnsal.<br />
Auf die Idee zu dieser Geschichte brachten uns Informanten aus den ersten<br />
Telekom-Stories, zu denen nach wie vor ein enges Vertrauensverhältnis besteht.<br />
Zahlen und Fakten waren schnell zusammengetragen. Von vielen namhaften<br />
Wissenschaftlern bekamen wir aber leider Interviewabsagen. Das lag einerseits<br />
daran, dass sich die Experten nicht in die Problematik einarbeiten konnten oder<br />
wollten und andererseits an der Größenordnung des Haushaltslochs.<br />
Wir konnten Professor Bernd Raffelhüschen, den Finanzexperten der Universität<br />
Freiburg, überzeugen sich mit der Materie intensiv zu beschäftigen. Er nahm<br />
sich die Zeit, all unsere <strong>Recherche</strong>n durchzuarbeiten und zu beurteilen.<br />
Schließlich kam er zu fundierten Statements, die Aufsehen erregten. Nach langer<br />
Überzeugungsarbeit war schließlich auch ein Sprecher des Bundesrechnungshofes<br />
bereit, vor die Kamera zu treten.<br />
Follow up drei<br />
Im Report Mainz-Bericht vom Februar 2003 stellten wir die Frage nach einem<br />
Emissionsbetrug beim dritten Börsengang der Telekom. Wir fanden heraus, dass<br />
Telekom und Finanzministerium milliardenschwere Risiken damals verschwiegen<br />
und die Aktionäre womöglich getäuscht hatten. Diese Story machte mehrere Wochen<br />
Schlagzeilen in allen relevanten Tageszeitungen, in Funk und Fernsehen.<br />
Doch der Reihe nach: Immer wieder, auch abends oder an Wochenenden,<br />
telefonierten oder trafen wir uns mit unseren Informanten. Irgendwann kam das<br />
Gespräch auf Papiere, die der ehemalige Telekom-Finanzvorstand Joachim Kröske<br />
verfasst hatte. Erst Monate nachdem wir davon hörten, wurden sie uns zugespielt.<br />
Besonders brisant war ein „Brandbrief“, den Kröske im September 1999<br />
an den Telekom-Gesamtvorstand schrieb.<br />
Seit seinem Ausscheiden hatte Kröske keine Interviews mehr gegeben, jetzt<br />
wollten wir ihn mit unseren <strong>Recherche</strong>n konfrontieren. Nach seiner Landung am<br />
Flughafen Hamburg sprachen wir den Telekom-Manager an und zeigten ihm<br />
Teile unserer <strong>Recherche</strong>. Tage später erklärte er sich bereit, mit uns zu reden.<br />
Kröske bestätigte unsere <strong>Recherche</strong>n – alle uns vorliegenden Dokumente habe<br />
er selbst geschrieben. Der Manager erzählte weiter, dass das Unternehmen 1999<br />
am Scheideweg stand. Zwei Optionen standen damals offen. Sollte das Unternehmen<br />
Sommers riskanten Expansionskurs vorantreiben oder sollte der Kurs der<br />
Aktie auf eine solide Finanzbasis gestellt werden? Der frühere Finanzvorstand<br />
warnte insbesondere vor überteuerten Firmenkäufen. Bei der damals anstehenden<br />
Übernahme des britischen Mobilfunkbetreibers One2One (heute: T-Mobile