Trainingshandbuch Recherche : Informationsbeschaffung
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<strong>Recherche</strong> lernen im Werkstattgespräch<br />
Was ist, wenn der Informant eigene Interessen verfolgt, jemanden<br />
anschwärzen will?<br />
Das ist ein Problem: Wie kann ich halbwegs saubere Hände behalten? Ich mache<br />
mich natürlich ein Stück weit zum Interessenvertreter, wenn ich die Geschichte<br />
mache. Aus dieser Rolle komme ich gar nicht raus. Unabhängig und rein zu<br />
bleiben, das Material zu nehmen, aber nicht die Sicht des Informanten zu transportieren,<br />
das ist sehr schwierig. In der Regel läuft eine Art Geschäft mit dem<br />
Informanten ab. Er verfolgt ein Interesse, dass ich aus seiner Sicht mit befördere.<br />
Aber wenn er klug ist, dann darf ich ihn in dieser Geschichte auch attackieren.<br />
Denn derjenige, der als Bösewicht an irgendeiner Stelle auftaucht, der kann die<br />
Information ja nicht rausgelassen haben.<br />
Sie klagen ja immer wieder, in Deutschland gebe es keinen investigativen<br />
Journalismus. Wie meinen Sie das?<br />
Ich werde ja immer mit investigativem Journalismus verbunden. Dabei ist das,<br />
was ich mache, sehr begrenzt rechercheintensiv. Eigentlich hatte ich auch nie die<br />
Arbeitsmöglichkeiten, um das zu machen, was anderswo mit diesem Begriff<br />
verbunden wird. Investigativer Journalismus bedeutet in den USA nicht nur, dass<br />
man nichtöffentliche Quellen öffentlich zugänglich macht. Sondern es wird auch<br />
eine strukturelle, langwierige <strong>Recherche</strong> darunter verstanden. Und das habe ich,<br />
bis auf die eine oder andere Ausnahme, nie geleistet. Wir deutschen Journalisten<br />
fördern eigentlich nur ganz selten etwas zu Tage, was ohne uns nicht zu Tage<br />
gefördert worden wäre.<br />
Sie sind gelegentlich als Referent in Ausbildungsstätten und beginnen Ihren<br />
Vortrag meistens mit Ihren größten Flops. Da bietet sich Ihr Fauxpas bei der<br />
CDU-Spendenaffäre doch an. Was war da schiefgegangen?<br />
Da ging es um eine Aussage vor der Staatsanwaltschaft, leider ein wunderbares<br />
Beispiel: Ich wusste, was ein Beteiligter aussagen wollte. Und nun passierte<br />
etwas Unerwartetes: Am Tag der Befragung kommt dieser Beteiligte nicht zu<br />
Wort. Ich erfuhr dies nicht und ging davon aus, dass der ausgesagt hat. Ich bringe<br />
also eine Geschichte, in der schon drin steht, was er eigentlich sagen will, und am<br />
anderen Tag auch sagen wird. Aber eben noch nicht gesagt hat! Das ist eigentlich<br />
sehr komisch, aber journalistisch problematisch. Das war ein Fehler. Aber so<br />
etwas passiert manchmal im Wettlauf mit den Konkurrenz-Medien.<br />
Interview: Venio Piero Quinque