Trainingshandbuch Recherche : Informationsbeschaffung
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der Rückzug? Ach, zwei Wochen, nachdem die Subventionszusage vorlag? - ein<br />
merkwürdiger Zufall.<br />
Sich für die „öffentliche Aufgabe“ begeistern, heißt, nicht jedes Spektakel für<br />
einen ‘Knaller’ halten, nicht jede voyeuristische Neugier bedienen. Recherchieren<br />
muss Sinn machen, sonst kommt der Journalismus insgesamt vor die Hunde.<br />
Der Kannibalismus einer Sekte vor 15 Jahren? Schade um die Kollegen vom<br />
ZDF. Der tote Säugling neben der Mülltonne? Das überlassen wir der Springer-<br />
Presse. Und der Seitensprung des Bundeskanzlers? Ist durchaus prickelnd und<br />
vielsagend, was den Charakter unseres Regierungschefs betrifft. Aber nicht von<br />
öffentlichem Interesse, solange derartige Sprünge nicht mit Steuergeldern alimentiert<br />
werden.<br />
Drittes Seminarziel: Den Verstand schulen<br />
Recherchieren als Seminar<br />
Wir alle wissen, dass zum Recherchieren auch Intuition, Einfühlung und das<br />
Augenmerk für die Gunst der Stunde gehören. Doch diese Fähigkeiten lassen<br />
sich nicht in einem Seminar trainieren, über sie kann man bestenfalls reden.<br />
Trainieren lassen sich aber einige weitere, als Handwerk zu verstehende Fertigkeiten<br />
gemäß der Formel: Erfolgreiches Recherchieren, das sind 90 Prozent<br />
Transpiration und 10 Prozent Inspiration. Hierzu gehören:<br />
Methodisches Denken, z.B. aufgrund ihrer Rolle und Zuständigkeit auf die<br />
Interessenlage des Informanten zu schließen. Oder das Ereignis nicht als Fakt,<br />
sondern als Ablauf zu verstehen, der sich rekonstruieren lässt. Oder die Begrenztund<br />
Bedingtheit einer Zeugenaussagen zu erschließen. Oder bei Erklärungen beziehungsweise<br />
Begründungen die erforderlichen Belege gleich mitzubedenken.<br />
Zielführendes Fragen:<br />
Wer recherchiert, muss fragen, also die verschiedenen Frageformen und -ebenen<br />
bewusst einsetzen können. Und er sollte auch in der Psychologie des Befragens<br />
so sicher sein, dass er sich selbst keine Falle stellt. Auch hier gilt: die Selbstbeobachtung<br />
als Steuerungsinstrument nutzen lernen.<br />
Ein paar Regeln und Verfahren müssen gleichsam im Schlaf gewusst und<br />
beherrscht werden: Dass man z.B. bei einer Konfliktrecherche von ‘außen’ nach<br />
‘innen’ vorgeht; dass man immer zuerst Sachaussagen, dann erst die Warum-<br />
Aussagen überprüft, dass man zuerst neutrales Sachwissen einholt, ehe die Akteure<br />
befragt werden; und dass man Erzählungen immer Erzählungen sein lässt,<br />
also nie im Indikativ wiedergibt.