Trainingshandbuch Recherche : Informationsbeschaffung
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Interview: Mehr <strong>Recherche</strong>-Kultur im Journalismus<br />
haben. wissen, dass sie mehr in ihrem Job bringen müssen, als verlangt wird. Und<br />
darauf haben wenig Leute Lust. Es fehlt an Know-how, es fehlt an Kompetenz, es<br />
fehlt an Zugriff, es fehlt an Power und es fehlt auch an kooperativer Arbeit. Zur<br />
Politik haben viele Kollegen ein desinteressiert-zynisches und gelangweiltes<br />
Verhältnis. Sie wollen die Show auf der Bühne haben und sind teilweise Produzenten<br />
der Show. Die Bewertung der politischen Performance ist ihnen wichtiger<br />
als die analytische Bewertung der Substanz von Politik.<br />
Welche Lösungsansätze sehen Sie?<br />
Wir alle sollten uns auf die journalistischen Wurzeln besinnen. Wir müssen<br />
Qualitätskriterien auf allen Ebenen fordern: durch eine sehr intensive Ausbildung,<br />
durch mentorings, durch Begleitung, durch Anerkennungskultur. Eine<br />
selbstkritische Inventur des Journalismus ist nötig. Kritische Reflexion in den<br />
Redaktionen müsste ganz oben auf der Agenda jeder Führungskraft stehen. Und<br />
wir brauchen eine bessere Auswahl von Journalisten, um Party-Journalismus<br />
vom seriösen Journalismus zu trennen.<br />
Noch eine hypothetische Frage: Stellen Sie sich vor, Sie recherchieren an einem<br />
Thema, bei dem ein Freund involviert ist. Dabei stellt sich heraus, dass Ihr<br />
Freund Dreck am Stecken hat. Wie würden Sie sich verhalten? Würden Sie es<br />
trotzdem berichten?<br />
Ich würde prüfen, wie valide die Quellen sind. Wenn sie das nicht sind, würde ich<br />
an diesen Stellen weiterrecherchieren. Ich würde niemals einem faulen Ei nachgehen,<br />
und niemals dubiose Quellen nutzen. Sie müssen jede Sache unvoreingenommen,<br />
kritisch und nachhaltig prüfen. Und wenn Sie von privater Seite etwas<br />
kriegen, müssen Sie es doppelt prüfen. Vielleicht würde ich die Geschichte an<br />
Kollegen weitergeben. Misstrauen ist sozusagen die zentrale Ressource von <strong>Recherche</strong>.<br />
Dazu kommt eine Überdosis Neugier und natürlich die permanente<br />
Überprüfung aller verfügbaren Quellen.<br />
Interview: Jennifer Knoblach, Bearbeitung: Stefan Mühleisen