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Trainingshandbuch Recherche : Informationsbeschaffung

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Eine-Quelle-Geschichten und andere Übel<br />

Die Teilnehmer sollen ihre Eindrücke schildern. Was ist gut und was schlecht?<br />

Die Ergebnisse werden auf einem großen Bogen Papier gut sichtbar für alle<br />

festgehalten: ‚Gut’ bedeutet ein Pluszeichen. ‚Schlecht’ ein Minuszeichen. Oder<br />

die Teilnehmer erhalten Kärtchen, auf die sie ihre Zeichen setzen, kleben die<br />

Kärtchen an die Wand und begründen ihre Entscheidung. Dabei kommen überraschende<br />

Antworten heraus. Es ist keineswegs so, dass sich alle Teilnehmer sicher<br />

sind, welcher Text besser und welcher schlechter ist. Das heißt, grundsätzlich<br />

sind sie sich einig, dass die Umstände des Todesfalles besser recherchiert sind.<br />

Aber öfter als erwartet kommt als Einwand, dass ein feuilletonistischer Text<br />

beziehungesweise eine Lokalreportage über eine Künstlerin gar nichts anderes<br />

will und soll als die Sicht der portraitierten Person wiederzugeben. Deshalb sei es<br />

bei solchen Texten völlig in Ordnung, wenn man sich auf eine einzige Quelle<br />

verlässt: die Künstlerin selbst. Andere Quellen würden nur die flotte Schreibe<br />

behindern.<br />

Viele Anfänger müssen während ihrer Praktikums- oder Volontärszeit Texte<br />

über Kunst oder Kultur oder Persönlichkeiten aus dem Lokalen verfassen. Mit<br />

anderen Worten: Bei einem Großteil ihrer Arbeit sei es ihrer Meinung nach völlig<br />

in Ordnung, wenn sie sich auf eine Quelle verlassen. Wenn eine Person nicht<br />

bereits öffentlich in der Kritik steht, solle man sie nicht aus verschiedenen Seiten<br />

beleuchten. Ich halte das für falsch, aber die Teilnehmer wollen das oft nicht<br />

verstehen und bleiben dabei: Es gebe kein Prinzip der <strong>Recherche</strong>, sondern Unterschiede<br />

je nach Gegenstand der <strong>Recherche</strong>.<br />

Egal welche Einwände die Teilnehmer auch bringen – es muss klar werden,<br />

dass das Porträt der Künstlerin viele mögliche Aspekte ausspart: Wo steht sie in<br />

ihrem Beruf in Deutschland? Warum nicht eine Einschätzung eines Filmproduzenten<br />

bringen? Ist sie wirklich freiwillig auf dieses Genre gekommen, oder lag<br />

es daran, dass sie als DDR-Schauspielerin nicht aus ihrem Land heraus kam? War<br />

das Synchronisieren eher Verzweiflung als Wunsch? Ist sie zu ihrem Erfolg<br />

gezwungen worden? Was sagen ihre Kollegen, Auftraggeber usw.? Das alles sind<br />

einfach zu befragende Informanten, die das Bild bereits runder machen. Nebenbei<br />

liest sich die Geschichte auch abwechslungsreicher, nicht langweiliger. Was<br />

aber, wenn sich zwei Quellen widersprechen, fragen die Seminarteilnehmer.<br />

Macht man sich da nicht den Text kaputt? Erfahrungsgemäß nein. Kontroversen<br />

und Widersprüche machen jede Geschichte spannender. Wenn Widersprüche<br />

vorhanden sind, sollte man sie nicht umgehen, sondern zum Thema machen<br />

(sofern sie wesentlich beziehungsweise wirklich interessant sind).<br />

Der Text aus der SZ eignet sich gut, über die Art von Quellen zu sprechen.<br />

Pauschal kommt die Antwort, dass sich der Text auf einen Staatsanwalt stützt,<br />

was als sehr gut gilt, weil Staatsanwälte gute Informanten, objektiv usw. seien.<br />

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