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Trainingshandbuch Recherche : Informationsbeschaffung

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Interview: Mehr <strong>Recherche</strong>-Kultur im Journalismus<br />

ger mit dem Medien-Content keinen Vertrag, sondern hängen an der Nadel des<br />

Controllings. Sie sind Betriebswirte, die auch Frittenbuden im großen Stil betreiben<br />

könnten, aber keine Verlage im alten Stil. Und außerdem: Die einzelnen<br />

Medien im Konkurrenzkampf und Marktwettbewerb können sich durch einmalige<br />

Storys ein Markenimage erwerben, wie etwa die Süddeutsche Zeitung. Auch<br />

im Tagesspiegel gibt es Autoren, die mit Hand und Fuß auf „Seite Drei“ veröffentlichen.<br />

Neudeutsch nennt man das return on investment. Das sollten die<br />

Verlags-Betriebswirte doch verstehen.<br />

Welche Mittel halten Sie im <strong>Recherche</strong>-Journalismus für gerechtfertigt?<br />

Lügen über die Identität oder verdeckte <strong>Recherche</strong> à la Wallraff – wo liegen<br />

die Grenzen?<br />

An erster Stelle steht das Basishandwerk: Fachkompetenz ansammeln, den Dingen<br />

nachgehen und viele Quellen bearbeiten. Wer in Einzelfällen eine verdeckte<br />

Identität braucht, diese absichert und begründet, soll sie haben. Aber nur, wenn es<br />

Relevanz und Struktur der Geschichte begründen. Die Wallraff-Methode, wer<br />

wendet die denn an? Das ist doch ein historischer Mythos. Die Tatsache, dass<br />

Journalisten illegale Methoden anwenden, ist wirklich die Ausnahme. Die reale<br />

Bedrohung ist, dass Informanten verfolgt werden. EU-Kommission, BKA, LKAs,<br />

Ministerien fahnden nach Informanten. Groß-Bataillone von Juristen verhindern<br />

bestimmte Themen, weil die Gegenseite die <strong>Recherche</strong> fürchtet, wie der Teufel<br />

das Weihwasser.<br />

Fehlt es an Medienkritik?<br />

Medien beeinflussen das gesellschaftliche Zusammenleben, werden von Akteurseite<br />

aber kaum reflektiert. Journalismus ist in dieser Frage degeneriert. Schauen<br />

Sie sich Medienveranstaltungen an. Die Gewerkschaften sind vollkommen marginalisiert<br />

als Akteure eines kritischen Journalismus. Harte Diskussionen über<br />

fachliche Fragen gibt es kaum. Schauen Sie die Austausch-Listen von bestimmten<br />

Journalisten-Mailings an. Das Einzige, was funktioniert, sind Journalisten-<br />

Rabatt-Seiten. Da tut der Berufsstand schon viel um nicht besonders ernst genommen<br />

zu werden. Tucholsky hatte Recht mit seinem Hinweis, dass die meisten<br />

Journalisten schon froh sind, nur wie eine Macht behandelt zu werden.<br />

Kann man denn Journalismus überhaupt noch als Vierte Gewalt sehen oder als<br />

Kontrollorgan der Demokratie, was er eigentlich sein sollte?<br />

In Ausnahmen sehr wohl. Generell ist Journalismus heute eine miniaturisierte<br />

Vierte Gewalt, bei der Legitimation und die Qualität sehr zu wünschen lassen.<br />

Meiner Ansicht nach ist die selbstkritische Sicht auf den Journalismus sehr<br />

unterentwickelt.

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