Trainingshandbuch Recherche : Informationsbeschaffung
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Die Affäre Telekom<br />
lung und gingen damit am Vormittag des geplanten Sendetages an die Agenturen.<br />
Am gleichen Tag meldete AFP um 18:06 Uhr: „Bundesregierung weist Vorwürfe<br />
zu Telekom-Börsengang zurück“. „Wir hatten keine Kenntnis dieses Briefes<br />
oder irgendwelcher Detailregelungen“, sagte der Sprecher des Bundesfinanzministeriums<br />
gegenüber AFP. Über das Schreiben sei nur im Vorstand, nicht aber<br />
im Aufsichtsrat beraten worden.<br />
Kurz nach Veröffentlichung der AFP-Meldung entschlossen wir uns, den Beitrag<br />
auf die nächste Sendung zu verschieben. Diese Entscheidung war vollkommen<br />
richtig, als Autor und <strong>Recherche</strong>ur habe ich sie mitgetragen. Was wusste der<br />
Aufsichtsrat damals wirklich? Wir mussten in diesem Punkt nochmals nachlegen<br />
und ich wusste schon damals, wir würden Beweise dafür finden, dass der Aufsichtsrat<br />
von den Warnungen Kröskes wusste. Schon am nächsten Morgen ging<br />
die <strong>Recherche</strong> weiter. Sie war schwieriger als erwartet, aber schon wenige Tage<br />
später erfolgreich. Eine Aufsichtsratsvorlage brachte den Beweis. Ein Informant<br />
spielte uns den Beschlussantrag für die Telekom-Aufsichtsratssitzung im Spätsommer<br />
1999 in Budapest zu.<br />
In dem vertraulichen Dokument ging es um den Kauf der britischen Mobilfunkfirma<br />
One2One. Ron Sommer hatte im sogenannten „Modell A“ einen Kaufpreis<br />
von rund zehn Milliarden Euro veranschlagt, Joachim Kröske dagegen hielt<br />
im „Modell B“ nur fünf Milliarden für angemessen. Beide Varianten stehen in<br />
diesem Papier. Aber es war Ron Sommer, der sich im Aufsichtsrat durchsetzte.<br />
One2One wurde für überteuerte zehn Milliarden Euro gekauft. Vom Kaufpreis<br />
musste die Telekom inzwischen schon mehrere Milliarden Euro abwerten. Kröske<br />
behielt mit seinen Warnungen also größtenteils recht.<br />
Die Telekom wiegelte wieder einmal schriftlich ab. Der Vorstand habe vor<br />
dem Aufsichtsrat stets „eine einheitliche Auffassung“ vertreten, hieß es auf unsere<br />
Anfrage lapidar. Dieser Behauptung aber widersprach Kröske vehement. „Dem<br />
Aufsichtsrat war bekannt, dass es unterschiedliche Auffassungen über One2One<br />
gibt. Und der Aufsichtsrat ist dem Vorstandsvorsitzenden gefolgt und nicht dem<br />
Finanzvorstand“, so Kröske wörtlich.<br />
Im Aufsichtsrat der Telekom saßen, wie schon erwähnt, auch Vertreter des Bundes.<br />
Was mussten sie dem Finanzministerium berichten? Das wollten wir erneut wissen.<br />
Weder Minister Eichel, noch ein Staatssekretär, nicht einmal ein Sprecher standen für<br />
ein Interview zur Verfügung. Das Ministerium verwies lediglich auf eine angebliche<br />
Pflicht zur Verschwiegenheit aller Aufsichtsratsmitglieder.<br />
Eine Rechtsauffassung, die renommierte Wirtschaftsrechtler nicht teilen. Wir<br />
fragten bei Professor Markus Lutter vom Zentrum für europäisches Wirtschaftsrecht<br />
in Bonn nach. Seiner Auffassung folgend wussten die beiden Vertreter über<br />
das Problem genauestens Bescheid. „Und sie sind verpflichtet und nach dem