Trainingshandbuch Recherche : Informationsbeschaffung
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Schiffsverschrottung in Indien<br />
101<br />
Nach der Überblicksrecherche wurde die Ausgangshypothese überprüft. Die<br />
deutlichen Hinweise auf frühere Exportfälle aus Deutschland und die eindeutigen<br />
Presseartikel über unzureichende Umwelt- und Arbeitschutzstandards in<br />
Indien wurden als Bestätigung gewertet. Das <strong>Recherche</strong>-Ziel blieb daher unverändert.<br />
Personenorientierte <strong>Recherche</strong> in Form von Interviews<br />
Statt der einzelnen Schritte sollen hier aus Platzgründen die Grundregeln benannt<br />
werden, an denen sich das Vorgehen orientiert hat:<br />
„Von außen nach innen recherchieren“ (vgl. Haller, 2000) heißt, mit den<br />
Gesprächspartnern zu beginnen, die am weitesten vom Kern des Geschehens weg<br />
sind und am wenigsten eigene Interessen verfolgen (hier z.B. Schifffahrtsexperten<br />
an Fachhochschulen, Fachjournalisten).<br />
„Zwischen den Lagern pendeln“, das heißt, beim Vorarbeiten zu den zentralen<br />
Akteuren die Gesprächspartner abwechselnd im Lager der Täter und der Opfer/<br />
Kritiker wählen, so dass eine Konfrontation mit den Argumenten der jeweils anderen<br />
Seite möglich ist – und man selbst als <strong>Recherche</strong>ur fortlaufend dazulernt.<br />
Man sollte gut vorbereitet in die Gespräche gehen, insbesondere mit den<br />
Hauptakteuren, deren Wertschätzung für den <strong>Recherche</strong>ur steigt, wenn sie sehen,<br />
dass er/sie die Hausaufgaben erledigt hat (z.B. aufgrund der Basisrecherche mit<br />
Begrifflichkeiten vertraut sein, was ist etwa im Reedergeschäft ein operator, wie<br />
unterscheidet der sich vom deutschen Reeder?). Außerdem ist in konfrontativer<br />
Situation nur so zu verhindern, dass der Interviewer ausgetrickst und z.B. einfach<br />
mit falschen Behauptungen abgespeist wird.<br />
Hintergrundgespräch<br />
Hilfreich für die Interviews war, dass sich ein Fachjournalist, der gleich zu<br />
Anfang kontaktiert wurde, aus persönlichem Interesse am Thema zu einem<br />
Hintergrundgespräch bereit fand, bei dem er seine Insiderkenntnisse der<br />
Branche offenbarte: Er konnte einige Tipps zum Vorgehen geben und auch<br />
sagen, welche Personen Greenpeace besser nicht im Vorfeld einer Dokumentationstour<br />
in Indien kontaktieren solle, da dies den <strong>Recherche</strong>-Plan<br />
vereiteln könne. Solche Hilfestellung ist zum Teil Glück, zum Teil aber<br />
auch dem systematischen Vorgehen zu verdanken. Ohne wohlüberlegte<br />
Reihenfolge der Interviews wäre das Angebot gar nicht zum Tragen gekommen.