Trainingshandbuch Recherche : Informationsbeschaffung
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Recherchieren als Seminar<br />
ßenden Übergänge von Faktenwissen (wer, was, wann, wo) zu Interpretationen<br />
(als X auftauchte, erhob sich Y heißt nicht: weil X auftauchte, reagierte Y)<br />
aufmerksam machen.<br />
– Anhand von Hergangsschilderungen den Teilnehmer zeigen, dass im Alltagsleben<br />
(im Unterschied zur leblosen Natur) Ursachenbehauptungen keine<br />
Tatsachen, vielmehr sinndeutende Konstruktionen sind.<br />
– Anhand von Aussagen, die vermeintlich evident, jedoch durch nichts belegt<br />
sind, lässt sich der Umgang mit Vorurteilen, Spekulationen und Thesen üben. Die<br />
Teilnehmer werden sensibilisiert für das oftmals zwar nahe Liegende, aber nicht<br />
Gedachte und Bedachte. Sie lernen, ihre Vorurteile (Einstellungen) ‘aufzubrechen’<br />
und als eine Art Hebel zu benutzen.<br />
Zweites Seminarziel: Das Herz erwecken<br />
Nein, keine Sentimentalitäten, vielmehr Begeisterung muss entfacht werden -<br />
und die Fertigkeit, sich selbst zu beobachten. Denn wer erfolgreich recherchiert,<br />
der hat zwei Zügel in der Hand, mit denen er seinen Recherchierwagen lenkt:<br />
rechts die Neugier und links die Skepsis. Die Formel heißt: „Ich glaube nichts -<br />
aber ich halte alles für möglich.“<br />
Alles für möglich halten, ist Neugier. Gegen das Vorurteil erwacht die Lust am<br />
Herausfinden. Also muss man das Fragen lernen dort, wo das Sich-Wundern<br />
beginnt. In einer Statistik lese ich, dass es in Leipzig doppelt so viele Drogentote<br />
gibt wie in Dresden. Dabei wäre Dresden als grenznahe Stadt mit größerem<br />
sozialem Elend doch eigentlich mehr gefährdet. Wie kommt ‘s? Wer hier nachfragt,<br />
ist einer politisch induzierten Datenmanipulation auf der Spur. Oder: gut<br />
gelungen, dieser Büroneubau, der mit Steuermitteln gefördert wurde. Auch beim<br />
Eröffnungsfest floss der Schampus reichlich. Komisch, dass erst ein Drittel der<br />
Fläche vermietet ist. Wer nachschaut, sieht, dass der Schwager des Generalunternehmers<br />
im Stadtrat sitzt. Wann flossen wie viel Subventionen an wen? Wer<br />
fragt, der riecht die Kungelei.<br />
Nichts glauben, sondern alles, was man erfährt, für Versionen halten, wobei<br />
sich noch zeigen wird, was zutreffend und was geflunkert ist: Dies ist der andere<br />
Zügel des <strong>Recherche</strong>urs. Damit steuert er am Schlagloch der Gutgläubigkeit<br />
vorbei und bleibt auf der festen Straße des quellenkritischen Denkens. „Bei<br />
Baubeginn hatten wir das Gebäude voll ausgemietet, aber dann sind drei Mieter<br />
abgesprungen!“ So, so. Wie heißen die drei denn? Und waren es nur Optionen<br />
oder unterschriebene Verträge? Wer hat denn unterschrieben? Wann genau kam<br />
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