Trainingshandbuch Recherche : Informationsbeschaffung
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Interview: Mehr <strong>Recherche</strong>-Kultur im Journalismus<br />
Investigative Journalisten werden vor allem von der eigenen Gilde missgünstig<br />
beäugt. Woran liegt das?<br />
Wer eine gut recherchierte Story bringt, wird meist nur von einer kleinen Schar<br />
von Insidern beachtet. Ansonsten findet Anerkennung kaum statt. Ich meine, dass<br />
gute <strong>Recherche</strong>ure hervorgehoben werden müssen. Hoch angesehene Trophäen<br />
gibt es für die besten Reportagen, die erfolgreichsten <strong>Recherche</strong>n werden nicht<br />
ausgezeichnet.<br />
Anerkennung spiegelt sich auch im Verhalten der Führungskräfte in den Redaktionen<br />
wieder. Wenn ein Kollege aufgrund seiner <strong>Recherche</strong>n Druck von<br />
außen bekommt, muss er selbstverständlich Rückendeckung bekommen. Gefragt<br />
ist doch mehr Anerkennung, mehr Ausbildung, mehr Team-Orientierung bereits<br />
in der Planung, bessere Ergebnisse und bessere Kommunikation über die Ergebnisse.<br />
Schauen Sie sich doch die ARD-Magazine an. Ihre Meldungen in den<br />
Agenturen und der Abdruck von News auf der Grundlage guter <strong>Recherche</strong>n ist<br />
für ein publizistisches Unternehmen viel mehr wert als Anzeigen oder Unterhaltungsshows.<br />
Die Öffentlich-Rechtlichen bekommen übrigens auch Gebühren<br />
dafür, dass sie stellvertretend für die Gesellschaft gewisse Unregelmäßigkeiten<br />
ans Tageslicht bringen.<br />
Auf dem Mainzer Medien-Disput wurde viel von Agentur-Journalismus und Second-Hand-Journalismus<br />
geredet. Sehen Sie eine Verflachung des politischen<br />
Journalismus?<br />
Vor allen Dingen gibt es einen Trend zum Oberflächlichen. Eine Komplexitätsfalle<br />
lässt Journalisten glauben, die Leute könnten kompliziertere Stoffe nicht<br />
mehr verstehen. Studien haben nachgewiesen, dass die Boulevardisierung der<br />
Regionalzeitungen zunimmt. Themen, die früher unter „Vermischtes“ liefen,<br />
wandern jetzt auf die „Seite Eins“. Aggressive Bildüberschriften werden beliebter<br />
- das ist Soft-Boulevard. Was die Bild-Zeitung macht, hat sich in variierter<br />
Form in Regionalzeitungen eingeschlichen. Der private Rundfunk verdünnt Informationen<br />
auf Teufel komm raus. Die Tendenz ist, dass nur noch Stoffe, die<br />
unterhaltenden Charakter haben und personalisierungsfähig sind, gesendet werden.<br />
„Keep it simple and stupid“ meint: Es werden eher die Produzenten der<br />
Einfachheit genommen als die Gestalter komplexer Sachverhalte. <strong>Recherche</strong>-<br />
Journalismus ist eben meist komplexer Natur. Informationsverdünnung dagegen<br />
sehen viele Programmverantwortliche als Mittel zur Quotensteigerung.<br />
Wird nur noch gesendet oder gedruckt, was Quote macht?<br />
Es geht um Massentauglichkeit. Das Genre des „Aufregers“ spricht Bände. Formel-Eins-Geschichten<br />
stehen sogar in der Tagesschau ganz vorne. Boris Becker