29.10.2014 Aufrufe

vodnikovspomenik00vodn

vodnikovspomenik00vodn

vodnikovspomenik00vodn

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

;<br />

sicli zeigen. Von dieser Zeit blieb die Thriine des<br />

Lebens freue Begleiterin so in Friud als in Leid.«<br />

Also sprach dor alte Mann; ich aber behielt<br />

trcu die \Vorte, und nun, da ich gross geworden,<br />

dcnke ich darubcr nach. Ja, ja, du guler Mann,<br />

das sind die Thriinen, so kamen sie, ein Geschenk<br />

des Schopfers, ein Geschenk seiner Liebe. —<br />

Die sch\vachen Hiinde nach dem Iheuern Liebespfand<br />

ausslreckend, liichelt die jung:e Mutter, und<br />

der Vater in seliger Wonne presst den kleincn<br />

Schehn, der sich soeben in die Faniilie »fedrangt,<br />

an das entziickte Herz. Das Kind aber weint ; mil<br />

Thranen begriisst es die VVelt und Vater und Multer.<br />

Jahre sind vergang-en und im Hause hat sich<br />

Manches geandert. Da spricht die Muller zum<br />

Knaben : »Alfred ! heute ist Allerseeh'nabend, \vir<br />

vollen den Vater besuchen « Und sie nimnit das<br />

sch\varze Tuch, und der Knabe ninmit den Hut mit<br />

schwarzer Schleife. Untervvegs sagt die Mutter:<br />

„Vor Einem Jahre gingen wir in Dreien da hinaus,<br />

heute — » die hervorbrechenden Thriinen vollenden<br />

ihre Rede. Sie gehen auf den Goftesacker; dort<br />

ziindet der Knabe ein Liimpchen an, vvahrend seine<br />

Thriinen den Rasen nelzen, der iiber seinem Vater<br />

griinet.<br />

Wieder sind Jahre verflossen und der Knabe<br />

ist zum Jiingling gereifi. Da wirbeit die Trommel<br />

und fort muss er ziehen in ferne Lande. Mit<br />

schmerzerslickter Stinime lispelt die Mutter einen<br />

Segen iiber den jungen Krieger, verbirgt ihr Gesicht<br />

und weint vor ubergrossem Herzeleid. Der<br />

Junge tritt in Reih und Glied und zieht von dannen.<br />

Er zieht vorbei an seines Liebchens Hause;<br />

da iiberkommt ihn ein unnennbares Wehe. Er sieht<br />

die Theuere am Fenster, das thriinende Antlitz mit<br />

gestahit, die Nerven stark gemacht. Mulhig hat<br />

heit der Gattin beugt ihn nicht darnieder ; die halbnackten<br />

Kinder schreien nach Brot, er verliert die<br />

Fassung nicht. LiebevoU sucht er sie zu trosten<br />

238<br />

er ihnen Brot schalTen. Die Kinder sind beruhigt;<br />

durch seinen Kopf aber fiihrt es, dass es eine Liige<br />

war, was er da gesprochen, denn er kann ihnen<br />

kein Brot schaflen. Er sieht die armen betrogencn<br />

Kinder an, da schwimmt es ihm im Auge : auch<br />

fiir ihn hat eine Thriine sich gefunden.<br />

Wer ist das AVeib, das dort an des Altars Slufen<br />

liegt und mit so lauter Klage die heilige Slilie<br />

erschiitterti Es ist Maria Magdalena; sie hat ihre<br />

Klcider zerrissen, ihre Perlen verslreut, ihre Spiegel<br />

zeririimmert ; da liegt sie nun und flehel um Heil und<br />

Erbarmung. Und Gott hat ihr Rufen gehort, hat<br />

ihre Reue gesehen ; er liess ihre Thriinen auf das<br />

Buch ihres Lebens fallcn, da sclnvand die furchibare<br />

Schrift und weiss erschienen wieder die Bliitter;<br />

eine Slunde nur soilen sie noch warten, dann werde und auch Konigen ist sie nicht fremd.<br />

denn<br />

auch die schwarzeste Schuld vveicht vor der Thrane<br />

der Reue. —<br />

Das sind Thriinen, die dem Schmerz enlquill( n ;<br />

das ist der Mond am niichllichen Hinmiel. Aber eine<br />

schiinere Thriine noch gibi es; das ist die Thriine<br />

der Freude, schon wie die sirahlende Sonne am<br />

blauen Himmelsbogen.<br />

Ihr kennet ja die Thriine, die das Wiedersehen<br />

weint; wenn nach langer Trennung ein gutes Geschick<br />

den Freund unverhofft wieder zum Freunde<br />

fiihrt, wenii Brust an Brust sich drfickt, das Herz zum<br />

Herzen fliegt;<br />

wenn der junge Krieger gesund wieder<br />

heimkommt in die Arme der eniziickten Eltern; wenn<br />

der Jiingling aus \veiter Ferne zuruckkehrt und das<br />

treue Liebchen an sein treues Herz sinkt : da strahll<br />

aus den Thranen die Seligkeit des Herzens.<br />

Ihr kennt ja die Thriine, die ein armes Miitterchen<br />

iiber ihreni braven Sohne, der einzigen Stutze<br />

ihres Aiters, die ein greiser Vater uber seiner tugendsamen<br />

Tochter, der einzigen Freude seiner grauen<br />

Haare, weint.<br />

der Schiirze bedeckend. Das Herz will ihm brechen;<br />

aber ein schwerer Tropfen entringt sich<br />

Ihr kennt ja die Thrane, die dem Danke den<br />

seinem Auge, und in den Thriinen lesen Beide den<br />

schonsten Ausdruck gibt. Worte sind da nur arme<br />

Treuesch\vur.<br />

Zeichen, unfiihig das Herz zu eriiflfnen ;<br />

Thriinen sind<br />

Dem reifen Manne scheint tiefere Regung fremd. Sterne, die in Flammenzugen sprechen. Das ist die<br />

Das Leben mit seinen Bilterkeiten hat ihm das Herz hochste Sprache; sie stammt ja vom Himmel und<br />

Golt hat sie uns gelehrt. Sie ist aber auch die allge-<br />

er den Verlust aller seiner Habe ertragen, die Krankmcinste;<br />

das Kind in der \Viege spricht sie, der Sterbende<br />

hat sie in den letzten Zugen noch nicht vergessen<br />

; der Neger spricht sie im Siiden, der Lappe im<br />

Norden; der Bettler spricht am eindringlichsten in ihr

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!