06.01.2013 Aufrufe

4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations

4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations

4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

REZENSIONEN BOOK REVIEW<br />

nes Blocks, der den Demokraten gegenübersteht, dominant.<br />

Insgesamt verbleibt Abdel-Samads Wahrnehmung<br />

der Revolution stark im Rahmen eines<br />

Nachholens, was angesichts der OccupyWallstreet &<br />

Co. Bewegungen nun jedoch neu diskutiert wird.<br />

Anstatt alle Faktoren zu untersuchen, die Revolu<strong>tionen</strong><br />

dieser Art "erst jetzt" stattfinden lassen, sucht er<br />

vor allem in der kulturell <strong>und</strong> religiös geprägten Mentalität<br />

seiner L<strong>and</strong>sleute nach Erklärungen. Dabei<br />

scheint durchaus durch, wie das Mubarak-System<br />

nicht zuletzt dank internationalem Interesse funktioniert<br />

hat. Dies prangert er in Bezug auf Saudi-Arabien<br />

zu Recht an <strong>und</strong> leitet daraus eine eher pessimistische<br />

Einschätzung für die weitere Entwicklung in der Region<br />

ab.<br />

Sein Exkurs in die Medienentwicklung seit der<br />

Gründung Al Jazeeras mag für Einsteiger durchaus interessant<br />

sein, die Unbedarftheit des Autors bezüglich<br />

der Medienthematik wird aber spätestens an der Stelle<br />

deutlich, wo er meint, dass neue Medien durch Werbeeinnahmen<br />

unabhängig sein würden. Ähnlich naiv<br />

kommt das Kapitel „Der Weg nach Gaza führt über<br />

den Tahrirplatz“ daher, wo er auf wenigen Seiten den<br />

Nahostkonflikt löst – jedoch unter Bedienung des<br />

Camp-David-Mythos sowie unter Auslassung der<br />

kürzlich veröffentlichten Palestine Papers. Auch seine<br />

Meinung, dass in Deutschl<strong>and</strong> „die religiöse Dimension<br />

des Terrorismus in der politischen Debatte kaum<br />

Beachtung findet“ wirkt angesichts der nachweisbaren<br />

Endlosdebatte zum Thema genau unter dem Aspekt<br />

„Islam(-ismus)“ nur mehr lächerlich. Zuzustimmen ist<br />

ihm jedoch bei der Feststellung, dass sich aktuelle<br />

Konflikte hüben wie drüben nicht mit interreligiösem<br />

Dialog lösen lassen werden – allerdings analysiert er<br />

nicht, wer dieses Konzept zu welchen Zwecken propagiert.<br />

Insgesamt spielen Machtgefälle in seiner Art<br />

der Betrachtung allenfalls eine untergeordnete Rolle.<br />

Sein letztes Kapitel "Marschallplan für die arabische<br />

Welt" zeugt von Unkenntnis der Ist-Situation, wobei<br />

er sympathischerweise selbst einräumt, von Wirtschaft<br />

nichts zu verstehen. Seine Vorschläge zur Kooperation<br />

mit der arabischen Welt, wobei er ständig<br />

zwischen Ägypten <strong>und</strong> einer Verallgemeinerung auf<br />

alle arabischen Länder oder gar „die islamische Welt“<br />

pendelt, sind bereits weitestgehend realisiert (s. z.B.<br />

Zulieferbetriebe in Tunesien) <strong>und</strong> Teil des Problems.<br />

Zwar klingen faire H<strong>and</strong>elsbeziehungen als Gr<strong>und</strong>voraussetzung<br />

für eine echte Hilfe an, aber hierzu entwickelt<br />

er keine Visionen. Stattdessen fällt ein Nichtinfragestellen<br />

gängiger Mythen auf, die in unseren<br />

Mainstream-Medien kursieren. So übernimmt er unkritisch<br />

die Behauptung eines Fachkräftemangels, um<br />

entsprechend seiner stets gepflegten Dichotomie von<br />

Wissen hier <strong>und</strong> Unwissen dort eine Symbiose zwischen<br />

westlichem Know-How <strong>und</strong> arabischer Manpower<br />

vorzuschlagen. Wie viele Zeitgenossen ist ihm<br />

das Konzept des jobless growth völlig unbekannt, das<br />

in den Wirtschaftswissenschaften bereits vor Jahrzehnten<br />

gelehrt wurde <strong>und</strong> welches das bezeichnet,<br />

was wir heute allerorten beobachten können: Wachstum<br />

ohne Arbeit <strong>und</strong> eine breite Prekarisierung.<br />

So beeindruckend seine Ereignisschilderungen vom<br />

158<br />

Tahrir-Platz sind <strong>und</strong> so bew<strong>und</strong>ernswert es ist, dass<br />

er unumw<strong>und</strong>en ins Flugzeug stieg, als die Proteste in<br />

Kairo losgingen, so bedient Abdel-Samad weiterhin<br />

den hiesigen Zeitgeist der Überlegenheit – was ihm<br />

die weitere Medienaufmerksamkeit garantieren dürfte,<br />

da er damit ein Gr<strong>und</strong>bedürfnis stillt <strong>und</strong> man im Medienbetrieb<br />

ja nicht dem wissenschaftlichen Forschungsst<strong>and</strong><br />

verpflichtet ist. Das wenig später erschienene<br />

„Tagebuch der arabischen Revolution „von<br />

Karim El-Gawhary atmet da eher einen Geist der Anerkennung,<br />

auch ohne Probleme zu leugnen.<br />

Hingegen w<strong>und</strong>ert es nach der Lektüre Hamed Abdel-Samads<br />

nicht, dass er in Bezug auf die aktuelle<br />

Eskalation in Ägypten auf das religiöse Framing hereinfällt<br />

<strong>und</strong> nicht das sieht, was beispielsweise Sonja<br />

Zekri in ihren Kommentaren in der Süddeutschen Zeitung<br />

bemerkt: Die Instrumentalisierung der koptischen<br />

Minderheit als Teil der Konterrevolution. Tatsächlich<br />

trägt eine Allianz aus Exilkopten <strong>und</strong> Evangelikalen<br />

massiv dazu bei, dass die traurigen Ereignisse<br />

vom 9. Oktober 2011 in Kairo, wo gezielt Kopten<br />

von Schlägern angegriffen <strong>und</strong> von Panzern überfahren<br />

wurden, als Teil einer „systematischen Christenverfolgung“<br />

einzuordnen seien. Dabei haben Kenner<br />

der Region genau davor gewarnt, dass nämlich die<br />

lange kultivierten religionisierten Framings, die nicht<br />

zuletzt der Propag<strong>and</strong>a von Diktatoren wie Mubarak<br />

entsprangen, so stark sind, dass sie dazu verleiten die<br />

Gegenkräfte der Demokratiebewegung nicht als das<br />

zu entlarven, was sie sind: Profiteure eines untergehenden<br />

Wirtschaftssystems.<br />

Sabine Schiffer, Erlangen<br />

� � �<br />

Albrecht, Sarah (2010): Islamisches Minderheitenrecht,<br />

Yūsuf al-Qaradāwīs Konzept des fiqh alaqallīyāt.<br />

– Ergon: Würzburg, 119 S.<br />

Das „Phänomen Yusuf al-Qaradawi“ – so der Untertitel<br />

eines 2009 von Bettina Gräf <strong>und</strong> Jakob Skovgaard-<br />

Petersen herausgegebenen Buches – wird schon seit<br />

einigen Jahren wissenschaftlich untersucht. Auch Bettina<br />

Gräfs 2010 erschienene Dissertation Medien-<br />

Fatwas@Yusuf al-Qaradawi beleuchtet das Wirken<br />

des in Katar ansässigen Gelehrten. Sarah Albrecht<br />

konnte beim Verfassen ihrer Magisterarbeit über al-<br />

Qaradāwīs Konzept des islamischen Minderheitenrechts<br />

(fiqh al-aqalliyyāt) bereits auf Gräfs seinerzeit<br />

noch unveröffentlichtes Manuskript zurückgreifen.<br />

Nach einer knappen Diskussion der wesentlichen<br />

Erkenntnisse zum islamischen Minderheitenrecht <strong>und</strong><br />

einem Abriss der Biographie des 1926 in Ägypten geborenen<br />

Yūsuf al-Qaradāwī untersucht Albrecht insbesondere<br />

dessen Werk Fī fiqh al-aqalliyyāt almuslima<br />

(2001, 2. Aufl. 2005). Ziel ihrer Arbeit ist<br />

dabei die Analyse von al-Qaradāwīs Quellen, Methoden<br />

<strong>und</strong> Prinzipien sowie der Themen, die sich in seinen<br />

Fatwas widerspiegeln. Sie beabsichtigt, daraus<br />

Rückschlüsse auf sein Bild von nichtmuslimischen<br />

Mehrheitsgesellschaften zu ziehen.<br />

Um islamische Normen in Minderheitskontexten effektiv<br />

anzuwenden, stützt sich al-Qaradāwī demnach

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!