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4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations

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DISSERTATIONEN DISSERTATIONS<br />

rungspotentials durch Medien islamistischer Akteure<br />

wird nun in einem zweiten Schritt auf verschiedenen<br />

Ebenen empirisch geprüft. Dabei werden mit einer<br />

vergleichenden Inhalts- <strong>und</strong> Framing-Analyse sowohl<br />

die Medieninhalte der Islamisten <strong>und</strong> ihre Resonanz<br />

untersucht als auch mittels Leitfadeninterviews die<br />

Produzenten dieser Inhalte <strong>und</strong> der Resonanzorgane<br />

befragt sowie mit einem quantitativen Fragebogen die<br />

Nutzer der Inhalte bezüglich ihrer Mediennutzung,<br />

politischen Interessen, politischen Einstellungen <strong>und</strong><br />

politischer Partizipation untersucht <strong>und</strong> mit <strong>and</strong>eren<br />

Schichten der ägyptischen Bevölkerung verglichen.<br />

Im Hinblick auf die Medieninhalte wird gezeigt,<br />

dass die Muslimbrüder insbesondere die Thematisierung<br />

<strong>und</strong> das Framing von Issues in ihrem zentralen<br />

Medium ikhwanonline.com so gewählt hatten, dass die<br />

Themen <strong>und</strong> Frames in wesentlichen Teilen kompatibel<br />

mit den Schwerpunktsetzungen der neuen privaten<br />

Massenmedien waren. Es wird zwar deutlich, dass<br />

durch die Muslimbrüder offensichtlich nicht dezidiert<br />

neue Themen auf die Agenda gesetzt wurden <strong>und</strong> sie<br />

somit nicht (mehr) als Tabu-Brecher gesehen werden<br />

können. Allerdings waren bestimmte konflikthafte,<br />

bereits über Nachrichtenfaktoren in den massenmedialen<br />

Diskurs gelangte Themen durch intensivierte Berichterstattung<br />

in ikhwanonline.com so verstärkt <strong>und</strong><br />

zugespitzt worden, dass sie für die Massenmedien<br />

auch relevant <strong>und</strong> berichtenswert blieben. Diese Thematisierung<br />

provozierte wiederum Reak<strong>tionen</strong> durch<br />

<strong>and</strong>ere politische Akteure <strong>und</strong> deren Medien, wie an<br />

der Gegenmobilisierung in den staatsnahen Medien<br />

<strong>und</strong> aufkommenden Debatten in den Parteizeitungen<br />

deutlich wurde.<br />

Die Islamisten haben die Resonanz auch durch die<br />

Lancierung von konsistenten <strong>und</strong> klaren Frames gefördert.<br />

Frames, die nur auf Protest oder Empörung<br />

basieren, finden zwar kurzfristig ein höheres Echo in<br />

den Massenmedien, machen aber den Akteur auch nur<br />

kurzfristig interessant <strong>und</strong> mobilisierungsfähig. Frames,<br />

die aber auch Diagnosen <strong>und</strong> Lösungsansätze<br />

anbieten, können ausführlicher debattiert <strong>und</strong> dargestellt<br />

werden <strong>und</strong> kennzeichnen den Frame-Akteur<br />

auch als eine verlässliche <strong>und</strong> wirkungsvolle Kraft im<br />

politischen Gefüge. Den Muslimbrüdern ist der Transfer<br />

ihrer Frames in die Massenmedien insbesondere<br />

bei der Debatte um die Verfassungsänderungen gelungen.<br />

Die konsistente politische Positionierung in den<br />

eigenen Medien <strong>und</strong> im Parlament sowie die begleitende<br />

Öffentlichkeitsarbeit durch Konferenzen <strong>und</strong><br />

Symposien <strong>und</strong> ein klarer Fokus auf gesellschaftlich<br />

tragbare Lösungsansätze haben zu einer weitreichenden<br />

Beachtung in den Massenmedien, zur Allianzbildung<br />

mit zivilgesellschaftlichen Akteuren <strong>und</strong> Parteien<br />

sowie zur Mobilisierung von Teilen der Bevölkerung<br />

geführt. Andere Themen aus dem außenpolitischen,<br />

sozialen <strong>und</strong> kulturellen Bereich, die exemplarisch<br />

untersucht wurden, weisen allerdings nicht diese<br />

Stringenz <strong>und</strong> damit auch nicht die entsprechende<br />

Resonanz auf.<br />

Welche konkreten Strategien hinter dieser Resonanzerzeugung<br />

stehen, wird durch eine weitere empirische<br />

Untersuchung auf der Ebene der Produzenten<br />

erfragt. Auch hier lässt sich zeigen, dass die Muslimbrüder<br />

von den Liberalisierungstendenzen im ägyptischen<br />

Mediensystem profitieren <strong>und</strong> die Professionalisierung<br />

im Journalismus <strong>und</strong> die immer stärkere Orientierung<br />

auf Nachrichtenfaktoren gezielt in die eigenen<br />

Strategien einbeziehen konnten. Für die Massenmedien<br />

wurden von ihnen zitierfähige Ankerpunkte<br />

wie Pressekonferenzen, Symposien oder Demonstra<strong>tionen</strong><br />

gesetzt. Zugleich dienen die Veranstaltungen<br />

auch der Stärkung der inneren Kohäsion der Bewegung<br />

<strong>und</strong> der Ausbildung einer gemeinsamen Argumentationsstruktur.<br />

Nicht zuletzt wurde bei der Produktion der eigenen<br />

Medien auf einen Mix aus Bewegungsaktivisten <strong>und</strong><br />

Journalisten zurückgegriffen. Während es bei den<br />

Aktivisten um eine Einbindung in die Prozesse der<br />

Bewegung geht <strong>und</strong> dies eine Möglichkeit zur permanenten<br />

Verbindung an die Basis gibt, kann über die<br />

Journalisten auch der Link zur massenmedialen Produktion<br />

hergestellt werden. Für eine soziale Bewegung<br />

sind die Kontakte <strong>und</strong> der Mix aus Aktivisten<br />

<strong>und</strong> Journalisten in der Phase der Herausforderung<br />

<strong>und</strong> Mobilisierung unerlässlich, um Zugang zu den<br />

Massenmedien zu erlangen <strong>und</strong> gleichzeitig den Kontakt<br />

zur Basis zu bewahren.<br />

Wenn von Demokratisierung durch Medien gesprochen<br />

wird, dann ist zudem der sozialisierende Aspekt<br />

der Medien zentral. Menschen sollen an politische<br />

Prozesse <strong>und</strong> politische Partizipation herangeführt<br />

werden <strong>und</strong> demokratischen Wettbewerb für relevant<br />

halten. Im dritten empirischen Teil wurden deshalb<br />

die Nutzer islamistischer Medien untersucht. Es wurde<br />

gezeigt, dass die Nutzer ein deutlich höheres politisches<br />

Interesse <strong>und</strong> eine deutlich höhere politische<br />

Partizipation als die Vergleichsgruppen aufweisen.<br />

Offensichtlich spielen die Art der Vorprägung durch<br />

das Zusammenspiel von politischem Interesse, kritischen<br />

politischen Einstellungen <strong>und</strong> hoher Religiosität<br />

eine große Rolle für politischen Aktivismus.<br />

Der kausale Zusammenhang zwischen den verschiedenen<br />

Einflussvariablen war bei der Art der Untersuchung<br />

nicht zu ermitteln, aber islamistische Mediennutzung<br />

hat offensichtlich für Personen mit dieser<br />

Vorprägung einen verstärkenden Effekt. So konnte<br />

über eine Agenda-Setting-Frage nachgewiesen werden,<br />

dass die Themen, die in ikhwanonline.com hoch<br />

gewichtet wurden, auch von dessen Nutzern als vordringliche<br />

Probleme gesehen wurden – selbst wenn sie<br />

politisch abstrakte Reformthemen darstellten. Die<br />

Agenda-Setting-Effekte deuten auf ein Mobilisierungspotential<br />

durch islamistische Medien hin. Im<br />

Zuge der Anpassung der eigenen Programmatik <strong>und</strong><br />

der Erstellung einer Reformagenda können diese Medien<br />

also tatsächlich zu einer demokratischen Partizipationskultur<br />

anleiten.<br />

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