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4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations

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REZENSIONEN BOOK REVIEW<br />

schen, d.h. syrischen Literatur, erschienen: Erzählte<br />

Tradition, Historische <strong>und</strong> literarische Figuren im<br />

Werk von Zakariya Tamir, eine narratologische Analyse,<br />

Wiesbaden 2006.<br />

Das komplexe Thema vorliegender Arbeit wurde in<br />

drei große Abschnitte strukturiert. Der erste umfasst<br />

einleitende Kapitel, in denen die Begriffe L<strong>and</strong>schaft<br />

sowie Utopie <strong>und</strong> utopische Intention vorgestellt werden<br />

<strong>und</strong> die Methode eines erzähltheoretischen Ansatzes,<br />

wobei das Hauptmerk auf utopische, ideale<br />

L<strong>and</strong>schaften gerichtet wird, denn in solchen Ideall<strong>and</strong>schaften<br />

werden explizit die positiven Werte vermittelt.<br />

Gr<strong>und</strong>lage für die Studie sind Texte von marokkanischen<br />

Autorinnen <strong>und</strong> Autoren, die seit den<br />

1980er Jahren bis zur Fertigstellung der Arbeit veröffentlicht<br />

wurden. Peter Dové erläutert die beiden Literatursprachen<br />

des L<strong>and</strong>es <strong>und</strong> stellt zudem fest, dass<br />

sich in den letzten fünf<strong>und</strong>zwanzig Jahren die literarische<br />

Produktion in arabischer <strong>und</strong> französischer Sprache<br />

sowohl in ästhetischer als auch inhaltlicher Hinsicht<br />

parallel entwickelt hat. Er verzichtet darauf, in<br />

einer komparativen Studie die Literatur beider Sprachen<br />

als jeweilige Einheit zu vergleichen. Vielmehr<br />

fasst Peter Dové beide als Ganzes auf; eine Ansicht,<br />

die auch von manchen marokkanischen Literaturwissenschaftlern<br />

vertreten wird. (Man kann diese Einschätzung<br />

auch auf die zeitgenössische algerische Literatur<br />

übertragen; einer ihrer hervorragendsten Vertreter,<br />

Rachid Boudjedra, schrieb Werke in beiden<br />

Sprachen <strong>und</strong> übersetzte darüber hinaus seine früher<br />

auf Französisch geschriebenen selbst ins Arabische.<br />

Anm. d. Rez.).<br />

Der Hauptteil ist in zwei Teile gegliedert: Teil II der<br />

Studie umfasst drei Fallanalysen aus fünf Romanen<br />

<strong>und</strong> einer Erzählung. In Teil III werden Paradigmen<br />

der utopischen L<strong>and</strong>schaft erarbeitet. Basierend auf<br />

der Prämisse, keinen strikt getrennten arabischen <strong>und</strong><br />

französischen/frankophonen L<strong>and</strong>schaftsbegriff auszuarbeiten<br />

<strong>und</strong> zu vergleichen, wird jeweils die autorenspezifische<br />

Akzentuierung <strong>und</strong> Ausgestaltung des<br />

Motivs „L<strong>and</strong>schaft <strong>und</strong> Utopie“ der ausgewählten literarischen<br />

Produktion vorgestellt. Die Texte für die<br />

Fallanalysen wurden nach zwei Kriterien ausgewählt.<br />

L<strong>and</strong>schaft <strong>und</strong> Utopie sollten erstens in narrativ signifikanter<br />

Weise erzählt <strong>und</strong> zweitens sollten Texte<br />

ausgewertet werden, die von sogenannten ‚kanonischen<br />

Autorinnen <strong>und</strong> Autoren’ stammen. Diese werden<br />

vom Verfasser als wichtigste Vertreter der marokkanischen<br />

Literaturszene betrachtet, sie sind repräsentativ<br />

<strong>und</strong> deren Texte somit von paradigmatischer<br />

Geltung.<br />

Die vorgestellten Fallanalysen beginnen mit den<br />

Romanen von zwei im gleichen Jahr (1950) geborenen<br />

Schriftstellerinnen: die arabisch schreibende Laila<br />

Abuzaid <strong>und</strong> die frankophone Souad Bahéchar. Ihre<br />

Werke liegen in deutscher Übersetzung vor unter den<br />

Titeln Eine Verstoßene geht ihren Weg <strong>und</strong> Wüstenkind,<br />

wie in der Bibliografie unter 1.3 „Deutsche<br />

Übersetzungen von beh<strong>and</strong>elten oder erwähnten Primärtexten“<br />

aufgelistet. In beiden Werken nimmt die<br />

L<strong>and</strong>schaft, insbesondere der Garten, eine zentrale<br />

Funktion ein; die Frauenfiguren erfahren hier ein an-<br />

deres, freieres Leben, das sie animiert, auch in der<br />

Gesellschaft ein <strong>and</strong>eres Leben zu führen – das utopische<br />

Moment.<br />

Die nächsten Fallbeispiele sind den Werken des<br />

Schriftstellers Mohammed Khair-Eddine entnommen:<br />

die in deutscher Übersetzung erschienene Erzählung<br />

unter dem Titel Es war einmal ein glückliches Paar<br />

sowie der ebenfalls übersetzte Roman Sein letzter<br />

Kampf. In diesen Werken ist primär die südliche, berberische<br />

L<strong>and</strong>schaft impliziert. Hingegen ist im Roman<br />

Tobias, der sich noch nicht auf dem deutschen<br />

Buchmarkt findet, Ort des Geschehens Paris. Aber<br />

auch hier spielen L<strong>and</strong>schaft <strong>und</strong> Natur eine wichtige<br />

Rolle in Form von Gärten, Flussl<strong>and</strong>schaften als Orte<br />

des Glücks. Kein Licht ohne Schatten – die Zerstörung<br />

der Natur wird gleichgesetzt mit dem Verfall der<br />

Gesellschaft.<br />

Mit einem arabisch geschriebenen Roman von Mohammed<br />

Berrada (geb. 1938), der zu den großen Persönlichkeiten<br />

des literarischen <strong>und</strong> akademischen Lebens<br />

in Marokko gehört, beendet Peter Dové den Reigen<br />

der Fallanalysen. Sich verflüchtende Trauml<strong>and</strong>schaften<br />

als Utopien werden in diesem experimentellen<br />

Roman (auf Deutsch „Das fliehende Licht“) entrollt,<br />

dessen Kapitel aus verschiedenen Textarten bestehen.<br />

Das die Arbeit beschließende Kapitel L<strong>and</strong>schaft<br />

<strong>und</strong> Utopie nimmt die zentrale Fragestellung von<br />

L<strong>and</strong>schaft <strong>und</strong> Utopie wieder auf <strong>und</strong> führt uns noch<br />

einmal durch ‚ideale’ L<strong>and</strong>schaft mit weiteren narrativen<br />

Texten der marokkanischen Literatur. Die Utopie<br />

als ein ‚non-lieu’ sowie Gegenwelten, i.e. die<br />

Stadt vs. Dorf <strong>und</strong> (einzelne) Figur vs. Gesellschaft,<br />

zeigen Gegensätze auf verschiedenen Ebenen. Ein interessanter<br />

Exkurs gilt Tieren, <strong>und</strong> zwar in den écritures<br />

carcérales. Es ist Literatur der années de plomb,<br />

die von Erfahrungen der Gefangenen unter der Herrschaft<br />

Hassans II erzählt. Beispiele dafür sind die<br />

Werke zweier Schriftsteller, Ahmed Marzouki <strong>und</strong><br />

Abdelhak Serhane. Höchst ungewöhnlich für ein muslimisches<br />

L<strong>and</strong>, wurden hier für die Todgeweihten die<br />

Besuche einer Hündin in den Zellen zur Metapher für<br />

ein freies Leben. Mit uneigentlicher, d.h. metaphorischer<br />

Konstruktion von L<strong>and</strong>schaften sowie den Garten-L<strong>and</strong>schaften<br />

als Paradigma für die marokkanische<br />

Literatur enden die Ausführungen.<br />

In der Zusammenfassung zitiert Peter Dové eine Definition,<br />

die er seiner Studie als Arbeitshypothese zugr<strong>und</strong>e<br />

legte: „Eine von der Natur alleine oder von<br />

Natur <strong>und</strong> Menschenh<strong>and</strong> geformte Gegend ist eine<br />

L<strong>and</strong>schaft, wenn sie ein empfindender Betrachter ästhetisch<br />

als harmonische, individuelle, konkrete<br />

Ganzheit sieht, die ihn umgibt.“ (S. 131).<br />

Im Anhang findet sich die klar gegliederte Bibliografie,<br />

ein Index weist die beh<strong>and</strong>elten Autorinnen<br />

<strong>und</strong> Autoren <strong>und</strong> die Texte auf. Fazit: Diese Studie ist<br />

mit ihren schlüssig ausgearbeiteten Thesen nicht nur<br />

für Literaturwissenschaftler, in welcher Sprache auch<br />

immer ihre Forschungen sich bewegen, ein Gewinn.<br />

Dem Autor sei für das anregende <strong>und</strong> in manchen Teilen<br />

– den Fallbeispielen – auch emotional berührende<br />

Werk gedankt, ebenso den Herausgebern sowie dem<br />

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