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4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations

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REZENSIONEN BOOK REVIEW<br />

Die kritische Reflexion der Historizität <strong>und</strong> der Gegenwart<br />

in der theologischen Auslegung sei mittels<br />

der beiden Wissenschaftler in der türkischen islamischen<br />

Theologie nachvollziehbar geworden (vgl. S.<br />

43). Dies habe Aussicht auf großen Erfolg für die Zukunft.<br />

In diesem Sinne kann das Zitat von Thomas Morus<br />

im Beitrag von Ömer Özsoy <strong>und</strong> Serdar Günes wiedergegeben<br />

werden, wonach die Tradition nicht das<br />

Halten der Asche, „sondern das Weitergeben der<br />

Flamme“ (S. 82) der neuen islamisch-theologischen<br />

Erkenntnisse ist. Im Sammelb<strong>and</strong> wird deutlich, dass<br />

ein geistiger Aufbruch in ein neues Zeitalter im gegenseitigen<br />

Austausch der Religionen <strong>und</strong> Kulturen<br />

schon längst begonnen hat. Denn wie Özsoy/Günes<br />

schreiben, ist das, was uns als fertiges Produkt der islamischen<br />

Tradition vorliegt, die gewachsene Interaktion<br />

mit dem Abendl<strong>and</strong> (vgl. S. 81).<br />

Die Überschrift des Sammelb<strong>and</strong>es verweist nach<br />

eingehendem Studium der einzelnen Beiträge darauf,<br />

dass in diesem B<strong>and</strong> solche Kritiker zu Worte kommen,<br />

die ihren Beitrag für die Weiterentwicklung der<br />

islamischen Theologie, Kultur etc. durch wertvolle<br />

Kritik leisten. Daher passt die Überschrift der „Islamfre<strong>und</strong>lichkeit“<br />

<strong>und</strong> ihre Gegenüberstellung zum ersten<br />

Sammelb<strong>and</strong> „Islamfeindlichkeit“: Im ersten<br />

Sammelb<strong>and</strong> geht es um die Darstellung teilweise<br />

nicht konstruktiver bis hin zu vernichtender Kritik; im<br />

zweiten Sammelb<strong>and</strong> um die Darstellung einer eher<br />

als wohlwollend zu bezeichnenden Kritik am Islam.<br />

Beide Sammelbände verdienen eine exzeptionelle<br />

Stellung innerhalb der Wissenschaft.<br />

Askim Müller-Bozkurt, Kerpen<br />

206<br />

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Shlaim, Avi (2009): Israel <strong>and</strong> Palestine. Reappraisals,<br />

Revisions, Refutations, XXI. – Verso:<br />

London, New York, 392 S.<br />

Avi Shlaim, Professor für internationale Beziehungen<br />

an der Universität Oxford <strong>und</strong> Fellow am dortigen<br />

Middle East Centre des St Antony College, wird den<br />

‘neuen israelischen Historikern’ zugerechnet, die seit<br />

Jahrzehnten die offiziell verbreiteten <strong>und</strong> auch in<br />

Deutschl<strong>and</strong> gepflegten Mythen des Staates Israel einer<br />

Revision unterziehen. Shlaim, einer der schärfsten<br />

akademischen Kritiker Israels, bringt seine Argumente,<br />

auch in öffentlichen Veranstaltungen, gewöhnlich<br />

in ruhigem Ton vor. Seine Zuhörer bescheinigen ihm<br />

auch gelegentliche Heiterkeit, das, was er zu sagen<br />

hat, ist freilich alles <strong>and</strong>ers als heiter. Als die israelische<br />

Armee Ende 2008/Anfang 2009 in den Gaza-<br />

Streifen einfiel <strong>und</strong> Blutbäder unter der Zivilbevölkerung<br />

anrichtete <strong>und</strong> viele Gebäude zerstörte, platzte<br />

ihm offenbar der sprichwörtliche Kragen.<br />

In einem längeren Kommentar für die Londoner Tageszeitung<br />

The Guardian (07.01.2009), den zeitlich<br />

letzten in diesem B<strong>and</strong> gesammelter Aufsätze, die<br />

thematisch mit der Balfour-Erklärung vom 2. November<br />

1917 beginnen, ließ er seiner Empörung freieren<br />

Lauf als in jedem vorangegangenen Beitrag. Er widersprach<br />

der offiziellen israelischen Siegeserklärung,<br />

Israels Krieg bedeute vielmehr eine schwere moralische<br />

Niederlage für Israel <strong>und</strong> seine Armee. Israel habe<br />

durch den hemmungslosen Einsatz von Gewalt<br />

nicht nur seinen eigenen Interessen Schaden zugefügt,<br />

sondern auch denen des Westens. Die Fernsehbilder<br />

getöteter Kinder <strong>und</strong> erregter Eltern hätten die Wut<br />

auf Israel <strong>und</strong> seinen “Großmacht-Patron” Amerika<br />

zusätzlich angefacht <strong>und</strong> mehr noch als jeder vorausgegangene<br />

arabisch-israelische Krieg prowestlichen<br />

arabischen Regimen wie Ägypten, Jordanien <strong>und</strong><br />

Saudi-Arabien in den Augen vieler ihrer Bürger die<br />

Legitimation entzogen. Als Hauptnutznießer des<br />

Krieges nannte er Iran, Syrien <strong>und</strong> Befürworter des<br />

globalen Dschihad gegen den jüdischen Staat wie<br />

Usama Bin Ladin.<br />

Ein Überblick über die Geschichte Israels als Besatzungsmacht<br />

im Verlauf der letzten vier Jahrzehnte, im<br />

besonderen sein Verhalten während des Angriffs auf<br />

Gaza, so schließt Shlaim seinen Beitrag, mache es<br />

ihm schwer, der Schlussfolgerung zu widerstehen,<br />

dass Israel zu einem Schurkenstaat (rogue state) geworden<br />

sei mit einer völlig skrupellosen Führungsgarnitur<br />

(an utterly unscrupulous set of leaders). “Ein<br />

Schurkenstaat verletzt gewöhnlich das Völkerrecht,<br />

besitzt Massenvernichtungswaffen <strong>und</strong> praktiziert<br />

Terrorismus. Israel erfüllt alle diese drei Kriterien; die<br />

Kappe passt, <strong>und</strong> Israel muss sie tragen.” Das wirkliche<br />

Ziel Israels, so wirft er dem Staat vor, sei nicht<br />

eine friedliche Koexistenz mit seinen palästinensischen<br />

Nachbarn, sondern militärische Beherrschung.<br />

Israel vermische die Fehler der Vergangenheit mit<br />

neuen <strong>und</strong> schrecklicheren (more disastrous). “In Gaza<br />

ging es zu weit; es säte den Wind <strong>und</strong> wird mit Sicherheit<br />

den Sturm ernten” (S. 316f.).<br />

Das Ziel Israels bei seinem Angriff auf den Gaza-<br />

Streifen war – so bekräftigt Shlaim seinen St<strong>and</strong>punkt<br />

in der Einleitung seines Sammelb<strong>and</strong>es, datiert April<br />

2009 – die Hamas, die im Januar 2006 die fairen <strong>und</strong><br />

freien Wahlen gewonnen habe, von der Macht zu verdrängen,<br />

die Bevölkerung von Gaza in die Unterwerfung<br />

zu terrorisieren (to terrorise into submission), alle<br />

Formen des Widerst<strong>and</strong>es gegen die israelische Be-

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