4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations
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DISSERTATIONEN DISSERTATIONS<br />
bezieht. Daher werden im Teil II die theoretischempirischen<br />
Untersuchungen der wichtigsten Humanwissenschaftler,<br />
die sich mit diesen Prozessen in<br />
Frankreich <strong>und</strong> Deutschl<strong>and</strong> befasst haben, jeweils<br />
exemplarisch herangezogen, um vor allem aus einer<br />
wissenssoziologischen Perspektive die begrifflichen<br />
Bezugsrahmen ihrer Untersuchung als ein W<strong>and</strong>lungskontinuum<br />
aufzuzeigen. Insofern werden die<br />
Marxschen <strong>und</strong> Tocquevilleschen Untersuchungen<br />
über Frankreich <strong>und</strong> die USA sowie die Eliasschen<br />
„Studien über die Deutschen“ als paradigmatische<br />
Beispiele für die Entwicklung des zunehmend differenzierter<br />
werdenden begrifflichen Bezugsrahmens<br />
der wissenschaftlichen Erfahrungsbildung über die<br />
Sozio- <strong>und</strong> Psychogenese der institutionellen Ent-<br />
Demokratisierung herausgearbeitet.<br />
Im Teil III der Arbeit werden die Gemeinsamkeiten<br />
<strong>und</strong> Unterschiede der vorhergehenden Vergleiche mit<br />
der Entwicklung der iranischen Gesellschaft aufgezeigt,<br />
wobei es nicht auf der rein deskriptiven Ebene<br />
bleibt. Es wird immer wieder ein Bezug zu den theoretischen<br />
Überlegungen des ersten <strong>und</strong> zweiten Teils der<br />
Arbeit hergestellt <strong>und</strong> auf die strukturellen Gemeinsamkeiten<br />
hingewiesen. Hier wird ausführlicher als in<br />
den vorherigen Teilen einer Dynamik Aufmerksamkeit<br />
geschenkt, die als Funktion eines „Nachhinkeffekts<br />
des sozialen Habitus“ relativ unabhängig von<br />
den Plänen, Wünschen, Ängsten <strong>und</strong> Idealen einzelner<br />
Gruppen <strong>und</strong> Individuen im Laufe der „konstitutionellen<br />
Monarchie“ zur Machtergreifung Reza Khans <strong>und</strong><br />
zur Wiederkehr der Diktatur im Jahr 1925 im Iran<br />
führte.<br />
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André Bank: Regionale Kriege <strong>und</strong> lokale Ordnungen<br />
im Nahen Osten: Irak, Palästina <strong>und</strong> neue<br />
Herrschaftsformen in Jordanien. – Abgeschlossene<br />
Dissertation am Institut für Politikwissenschaft der<br />
Philipps-Universität Marburg. Betreuer: Prof. Dr.<br />
Rachid Ouaissa <strong>und</strong> Prof. Dr. Berthold Meyer.<br />
Vor dem Beginn des „Arabischen Frühlings“ Ende<br />
2010 waren es in der ersten Dekade des 21. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
vornehmlich der dritte Irakkrieg nach 2003 <strong>und</strong><br />
die Gewalteskalation im Palästinakonflikt nach der<br />
zweiten Intifada 2000, die grenzüberschreitend „ausstrahlten“<br />
<strong>und</strong> politischen W<strong>and</strong>el außerhalb <strong>und</strong><br />
innerhalb des Nahen Ostens entscheidend mit beeinflussten:<br />
In globaler Hinsicht manifestierte der Irakkrieg<br />
so den immensen weltpolitischen Einflussverlust<br />
der USA unter Präsident Bush Jr. seit 2003. Und im<br />
Hinblick auf die Frage regionaler Ordnung zeigte sich<br />
die Bedeutung von Irakkrieg <strong>und</strong> Palästinakonflikt<br />
besonders deutlich an der seit Mitte der 2000er Jahre<br />
zunehmenden Polarisierung intra-regionaler Beziehung<br />
sowie an der gestiegenen Vielfalt regionalpolitisch<br />
relevanter Akteure im Nahen Osten (u.a. Iran,<br />
Türkei, Hamas <strong>und</strong> Hizballah).<br />
Jenseits dieser klassisch-geopolitischen Perspektive<br />
auf die Wirkmächtigkeit der nahöstlichen Gewaltkonflikte<br />
für die globale <strong>und</strong> regionale Politik lassen sich<br />
noch weitere, oft weniger sichtbare Dynamiken identifizieren,<br />
die die unterschiedlichen lokalen Politikebenen<br />
innerhalb der Nachbarstaaten der Kriegskontexte<br />
betreffen: In demografischer Hinsicht sind die über<br />
zwei Millionen Iraker hervorzuheben, die sich in den<br />
urbanen Zentren Jordaniens <strong>und</strong> Syriens angesiedelt,<br />
die dortigen sozialstrukturellen Gefüge vor Ort erschüttert<br />
<strong>und</strong> teils massive Abwehrreak<strong>tionen</strong> der<br />
„einheimischen“ Bevölkerungen hervorgerufen haben.<br />
Ökonomisch sind im Nahen Osten Ansätze einer vom<br />
Irak ausgehenden Kriegswirtschaft erkennbar, die<br />
insbesondere ins jordanische Amman, in den West-<br />
<strong>und</strong> Südiran sowie in die arabischen Golfstaaten reichen.<br />
Schließlich haben die Gewaltkonflikte unterschiedliche<br />
Formen identitärer Sinnstiftung im Nahen<br />
Osten befördert: Die Ausbreitung eines gewaltbereitsunnitischen<br />
Islamismus, die Zunahme religiöskonfessioneller<br />
Trennlinien als Mobilisierungsphänomen<br />
sowie die verstärkte Politisierung von Ethnizität<br />
(kurdische Renaissance). Es ist die Ausgangsbeobachtung<br />
der Dissertation, dass die nahöstlichen Gewaltkonflikte<br />
im Irak <strong>und</strong> in Palästina seit Beginn des 21.<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts neben den deutlich sichtbaren geopolitischen<br />
Re-Konfigura<strong>tionen</strong> der globalen <strong>und</strong> regionalen<br />
Politikebenen auch massive Transforma<strong>tionen</strong><br />
lokaler Macht- <strong>und</strong> Herrschaftsphänomene bewirkt<br />
haben, von denen die jeweiligen nationalen Politikebenen<br />
im arabischen Nahen Osten mit ihrer Dominanz<br />
autoritärer Regime (zumindest bis Ende 2010)<br />
weitgehend unberührt geblieben sind.<br />
Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> lautet das zentrale Erkenntnisinteresse<br />
der Dissertation, die in der politikwissenschaftlichen<br />
Nahostforschung vernachlässigten Dynamiken<br />
zwischen regionalen Kriegen <strong>und</strong> lokalen Ordnungen<br />
im frühen 21. Jahrh<strong>und</strong>ert theoretisch zu erfassen<br />
<strong>und</strong> dabei zentrale Dynamiken der Ordnungsbildung<br />
im Nahen Osten konkret <strong>und</strong> vergleichend<br />
herauszuarbeiten. Die Arbeit verbindet folglich ein<br />
theoretisch-konzeptionelles <strong>und</strong> ein fallbezogenkomparatives<br />
Anliegen: Theoretisch-konzeptionell<br />
wird ausgehend von der Kritik an der dominanten<br />
Transitions- <strong>und</strong> Autoritarismusforschung (Kapitel II),<br />
an der primär die einseitige Regimefokussierung so-<br />
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