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4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations

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REZENSIONEN BOOK REVIEW<br />

Holthaus, Leonie (2010): Regimelegitimität <strong>und</strong><br />

regionale Kooperation im Golf-Kooperationsrat<br />

(Gulf Cooperation Council). – Peter Lang: Frankfurt/Main,<br />

111 S.<br />

Der Golfkooperationsrat (GKR) ist wohl die wichtigste<br />

subregionale Organisation im Vorderen Orient.<br />

Dennoch lässt die politikwissenschaftliche Beschäftigung<br />

mit diesem Thema im deutschsprachigen Bereich<br />

bislang zu wünschen übrig. Die Monographie<br />

von Leonie Holthaus ist somit schon aufgr<strong>und</strong> ihres<br />

Pioniercharakters zu würdigen. Ihre These, nämlich<br />

dass der GKR hauptsächlich der Verteidigung der<br />

monarchischen Herrschaftsform dient, findet sich gerade<br />

angesichts der aktuellen Entwicklungen bestätigt,<br />

da Jordanien <strong>und</strong> Marokko durch Beitrittsgesuche in<br />

Zeiten regionaler Umwälzungen vor allem auf finanziellen<br />

Beist<strong>and</strong> durch die Golfstaaten hoffen.<br />

Holthaus geht in ihrem höchst relevanten Buch der<br />

Frage nach, wie externe Regimelegitimität <strong>und</strong> regionale<br />

Kooperation im Rahmen des GKR zusammenhängen.<br />

Mit ihrer Arbeit knüpft die Autorin sowohl an<br />

die Neuere Autoritarismusforschung innerhalb der<br />

Vergleichenden Politikwissenschaft als auch an Literatur<br />

aus den Internationalen Beziehungen an.<br />

In ihrem theoretischen Teil stellt sie in Kapitel 2 zunächst<br />

den Ansatz des Sozialkonstruktivismus vor,<br />

der die normative Dimension des Legitimitätsbegriffs<br />

integrieren soll. In Kapitel 3 erfolgen Überlegungen<br />

zur theoretischen Erfassung von Legitimität, wobei<br />

Holthaus diesen Begriff auf der nationalen, regionalen<br />

<strong>und</strong> internationalen Ebene verwendet. Der Autorin<br />

kommt also einerseits das Verdienst zu, Legitimität<br />

um eine externe Dimension zu ergänzen. Sehr hervorzuheben<br />

ist aber <strong>and</strong>ererseits, dass sie von mehr als<br />

einer Art der externen Legitimität spricht, da bei unterschiedlichen<br />

internationalen Akteuren aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />

unterschiedlichen Normen eine „Vielzahl von divergierenden<br />

Einschätzungen externer Legitimität<br />

existieren“ (S. 27). Holthaus arbeitet einige Wechselwirkungen<br />

zwischen Legitimität auf der innerstaatlichen<br />

<strong>und</strong> der internationalen Ebene heraus, wobei ihr<br />

zufolge hauptsächlich externe Faktoren Einfluss auf<br />

die interne Legitimität ausüben. Allenfalls eine Unterscheidung<br />

von Legitimität als Zust<strong>and</strong> <strong>und</strong> Legitimierung<br />

als Prozess, um diesen Zust<strong>and</strong> zu erreichen, ist<br />

zu vermissen.<br />

Was die Definition des zentralen Konzepts der externen<br />

Legitimität angeht, so ist jedoch deren Uneindeutigkeit<br />

zu beklagen, denn es „wird die externe Legitimität<br />

eines politischen Systems oder einer/s spezifischen<br />

Regierung/Regimes als abhängig von den<br />

Werten <strong>und</strong> Normen des relevanten externen Akteurs<br />

betrachtet. Externe Legitimitätsurteile können sich auf<br />

die politische Ordnung oder das H<strong>and</strong>eln der Regierung/des<br />

Regimes auf der nationalen wie internationalen<br />

Ebene beziehen“ (S. 27). Warum Holthaus nicht<br />

genauer bestimmt, ob Legitimität sich auf das politische<br />

System, eine Regierung oder ein Regime beziehen<br />

soll, ist schon angesichts des Buchtitels („Regimelegitimität…“)<br />

nicht ersichtlich. Klarere Begrifflichkeiten<br />

hätten die folgende Analyse stringenter<br />

vorstrukturiert.<br />

186<br />

Holthaus begründet in Kapitel 4 die Logik der<br />

GKR-Gründung mit dem Legitimitätsverlust der monarchischen<br />

Golfstaaten nach der Islamischen Revolution<br />

in Iran 1979 <strong>und</strong> lehnt somit eine Interpretation<br />

des Zusammenschlusses aufgr<strong>und</strong> kultureller Gemeinsamkeiten<br />

<strong>und</strong> einer „historischen Allianz“ als<br />

„Konstruktion der achtziger Jahre“ ebenso ab wie einen<br />

neorealistischen Erklärungsansatz (S. 42). Dies<br />

wird in Kapitel 5 fortgeführt mit einer Betrachtung<br />

des Widerspruches von panarabischen <strong>und</strong> GKRspezifischen<br />

Argumenten. Interessant ist hierbei das<br />

„Spannungsverhältnis zwischen Referenzen auf den<br />

arabischen Einheitsgedanken <strong>und</strong> der Begründung der<br />

‚besonderen Beziehungen‘ unter den arabischen<br />

Golfstaaten“ (S. 43), die <strong>and</strong>ere arabische Staaten<br />

ausschließen.<br />

In Kapitel 6 wird die regionale Kooperation seit<br />

Gründung des GKR anh<strong>and</strong> der Bereiche Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> Sicherheit untersucht. Diese Bereiche der Kooperation<br />

befähigen die Regierungen im Golf vor allem,<br />

materielle Legitimationsgewinne zu verbuchen. Allerdings<br />

stehen interne Legitimität <strong>und</strong> regionale Kooperation<br />

in einem Spannungsverhältnis, da „primär<br />

die Strategien, die intern die Stabilität <strong>und</strong> Legitimität<br />

der herrschenden Regime wahren … auf (sub-) regionaler<br />

Ebene die wirtschaftliche Integration unterlaufen“<br />

(S. 70).<br />

Das vorletzte Kapitel zu den Beziehungen des GCC<br />

mit der Europäischen Union soll herausarbeiten, ob<br />

die regionale Kooperation die externe Legitimität in<br />

den Augen der EU erhöht. Eines der Ergebnisse lautet<br />

jedoch, dass sich einzelne Staaten der EU gegenüber<br />

durch Vermittlungsversuche in <strong>and</strong>eren Konflikten als<br />

„Stabilitätsfaktoren“ innerhalb der Region präsentieren<br />

(S. 90). Gerade der Faktor der Kooperation hat<br />

hierbei keinen Einfluss auf die von der EU ausgehende<br />

externe Legitimität. An dieser Stelle lässt die analytische<br />

Schärfe nach, wenn Vermittlungsversuche<br />

der einzelnen Staaten durch die EU positiv als Beweis<br />

für den Erfolg des GKR gewertet werden <strong>und</strong> darum<br />

dann keine Unterscheidung mehr zwischen den Aktivitäten<br />

der GKR-Staaten <strong>und</strong> der Organisation selbst<br />

getroffen wird.<br />

Auffällig ist, dass im Rahmen der Analyse von Vertragsdokumenten<br />

häufig offiziellen Stimmen gefolgt<br />

wird, ohne dass dies empirisch nachweisbar wäre.<br />

Dies ist auch dort der Fall, wo skeptische Wissenschaftler<br />

eine abweichende Einschätzung vornehmen<br />

(z.B. S. 61; 86-89). Der Lesefluss leidet etwas durch<br />

die in Fließtext <strong>und</strong> Fußnoten jeweils unterschiedliche<br />

Zitierweise; leider fehlen in den Fußnoten die Jahresangaben<br />

der verwendeten Literatur. Stilistisch ist vor<br />

allem der großzügige Gebrauch von Anglizismen zu<br />

bemängeln, die teils zu holprigem Deutsch <strong>und</strong> false<br />

friends führen (z.B. Tarif statt Zoll, S. 70).<br />

Überzeugend beschreibt die Autorin die institutionelle<br />

Ausprägung des GKR, der einen Kooperationsrahmen<br />

ohne die geringste Aufgabe nationaler Souveränität<br />

darstellt (<strong>und</strong> daher auch nicht supranational<br />

ist, wie mancherorts zu lesen ist) <strong>und</strong> in dem vorwiegend<br />

die autoritären Monarchien durch ihre wechselseitige<br />

Anerkennung ihre Herrschaftsform bestätigen.

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