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4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations

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REZENSIONEN BOOK REVIEW<br />

rutierung eines Arbeitskorps. Nach Kriegsende erstreckten<br />

sich die Grenzen des Empire von Indien bis<br />

zum Kaspischen Meer <strong>und</strong> zum Bosporus, es war<br />

reich an Territorien, doch knapp an Finanzen. Der<br />

wirtschaftliche Niedergang sollte, bemerken die Verfasser,<br />

die politischen Entscheidungen beeinflussen,<br />

da die Führung in London unter beträchtlichem Druck<br />

st<strong>and</strong> infolge der gewaltigen Ausgaben, die aus der<br />

britischen Präsenz im Nahen Osten herrührten – Beobachtungen,<br />

für die sich im Jahre 2010 eine aktuelle<br />

Parallele mit noch nicht absehbaren Auswirkungen<br />

ziehen lässt (S. 185).<br />

Der “kulturelle Imperialismus” Britanniens in<br />

Ägypten, der zweitrangig war gegenüber den strategischen<br />

Interessen, verengte sich auf die Verbreitung<br />

von Werten wie Freiheit <strong>und</strong> Gleichheit, wie sie in<br />

westlichen Demokratien praktiziert werden. Idealistisch<br />

gesinnte (starry-eyed) junge Leute, die bereitwillig<br />

ihre Religion aufgaben <strong>und</strong> sich dem parlamentarischen<br />

Leben zuw<strong>and</strong>ten, seien jedoch enttäuscht worden<br />

von der Doppelzüngigkeit Britanniens gegenüber<br />

der Demokratie in Ägypten, wann immer britische Interessen<br />

auf dem Spiel st<strong>and</strong>en – eine Beobachtung,<br />

die ebenso wenig an Aktualität eingebüßt hat. Mit<br />

dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Britanniens<br />

Weltmachtrolle zunehmend “überschattet” von<br />

der wachsenden Rolle der zwei neuen Supermächte,<br />

den Vereinigten Staaten <strong>und</strong> der Sowjetunion, die<br />

beide versuchten, ihre Einflusssphären zu erweitern,<br />

<strong>und</strong> Ägypten als größeren Faktor ihrer Strategien betrachteten<br />

(S. 190).<br />

In seinem gedankenreichen Beitrag über die vor allem<br />

für die Betroffenen verhängnisvolle Hinterlassenschaft<br />

der Balfour-Erklärung, konzentriert sich der<br />

Oxford-Historiker William Roger Louis, einer der<br />

hervorragendsten Kenner des britischen Empire, im<br />

besonderen seiner nahöstlichen Teile, auf die “komplizierte<br />

historische Periode des Zwischenspiels zwischen<br />

den Kriegen von 1967 <strong>und</strong> 1973”, wie sie sich<br />

in britischen Regierungsakten widerspiegelt (S. 108-<br />

130). Die Balfour-Erklärung, so zitiert er eine Äußerung<br />

des britischen Außenministers Ernest Bevin zur<br />

Zeit des britischen Abzuges aus Palästina gegenüber<br />

dem ersten israelischen Ministerpräsidenten David<br />

Ben Gurion, sei der größte Fehler der britischen Außenpolitik<br />

im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert gewesen. Der britische<br />

Botschafter in Israel, Michael Hadow (1967-1969),<br />

auf den sich Louis beruft, pflichtete diesem Urteil zu,<br />

gab jedoch zu bedenken, dass Israel eine “Tatsache<br />

des internationalen Lebens” geworden <strong>und</strong> daher “in<br />

entsprechender Weise” zu “beh<strong>and</strong>eln” sei (S. 112).<br />

In Israel nutzte sich die Euphorie über den Sieg im<br />

Krieg von 1967 rasch ab (wore off). Botschafter Hadow<br />

spürte den schnell dahineilenden (fleeting) Augenblick,<br />

als eine Friedensregelung möglich gewesen<br />

wäre. Er hegte keine Illusionen über das besetzte<br />

Westjordanl<strong>and</strong>, wo sich die Israelis einem, wie er<br />

schrieb, quasi-kolonialen Problem gegenübersähen,<br />

das ihm selbst nach den Maßstäben des Britischen Raj<br />

ungeheuer (formidable) erschien. Verteidigungsminister<br />

Mosche Dayan, der “Held der St<strong>und</strong>e”, nannte er<br />

den “Gauleiter” der besetzten Gebiete (S. 113).<br />

Die leidenschaftlichen Debatten in Israel über die<br />

besetzten Gebiete konzentrierten sich auf das Problem<br />

der Sicherheit. Dayan wird nach offiziellen britischen<br />

Dokumenten die “überschwängliche” Äußerung zugeschrieben,<br />

Israel habe es niemals so gut gehabt mit<br />

seinen sicheren Grenzen <strong>und</strong> seiner “strategisch in die<br />

Tiefe gehenden Verteidigung” (defence in depth).<br />

Gleichwohl habe die Verwaltung des Westjordanl<strong>and</strong>es<br />

<strong>und</strong> die Zukunft seiner Einwohner weitreichende<br />

demographische sowie politische Fragen aufgeworfen,<br />

die an die Gr<strong>und</strong>lagen des jüdischen Staates rührten.<br />

Die Israelis, so berichtete Hadow, am 16. Januar<br />

1968, akzeptierten die “Gefahr” der sich rasch vermehrenden<br />

Araber, die das jüdische Wesen Israels<br />

überschwemmen (swamp), <strong>und</strong> erwägen eine Art von<br />

kolonialem Status für diese Gebiete, eine Selbstregierung,<br />

die zu eingeschränkter Unabhängigkeit führt<br />

<strong>und</strong> in ferner Zukunft zu einer Regelung durch den<br />

neuen Staat mit den arabischen Nachbarn Israels. Der<br />

Ausdruck “fremdenfeindlicher Trotz” (xenophobic<br />

defiance) scheine ihm die israelische Stimmung zusammenzufassen<br />

(S. 114).<br />

Der britische Generalkonsul in Jerusalem, John Lewen,<br />

betonte am 24. September 1970 den guten Willen<br />

der Palästinenser trotz des Krieges von 1967.<br />

Ebenso wie die Juden seien sie im Gr<strong>und</strong>e anständige<br />

<strong>und</strong> fre<strong>und</strong>liche Leute <strong>und</strong> ebenso wie diese könnten<br />

sie gewalttätig werden, wenn sie sich gehetzt <strong>und</strong> ungerecht<br />

beh<strong>and</strong>elt fühlten. “Sie werden den Pfad des<br />

Friedens beschreiten, falls er ihnen offensteht.” Doch<br />

bisher hätten die Israelis ihnen nur Demütigungen <strong>und</strong><br />

Unterwerfung angeboten <strong>und</strong> keine Form moralischer<br />

oder materieller Entschädigung für das L<strong>and</strong>, das sie<br />

verloren hätten (S. 115). Anthony Parsons, der leitende<br />

Nahostdiplomat in London, bef<strong>and</strong> Mitte Juni<br />

1972, der Status quo passe den Großmächten <strong>und</strong> Israel<br />

recht gut, da eine Verschlechterung der Lage im<br />

Nahen Osten sie in eine Konfrontation ziehen könnte.<br />

Die Amerikaner erreichten dieses Ziel, in dem sie<br />

das militärische Ungleichgewicht zugunsten Israels<br />

aufrechterhielten, während die Israelis auf ihrem cordon<br />

sanitaire besetzter Gebiete säßen <strong>und</strong> keinen<br />

Gr<strong>und</strong> sähen, sich zu bewegen. Henry Kissinger<br />

schien nach den Worten eines <strong>and</strong>eren britischen<br />

Nahostdiplomaten im März 1970 die Gegend als Best<strong>and</strong>teil<br />

eines globalen Pokerspiels zu betrachten,<br />

während die Vorstellungen seines Nahostbeauftragten<br />

Joseph Sisco den Bezug zur Wirklichkeit oft zu verlieren<br />

schienen (S. 123). Kaum verheißungsvolle<br />

Aussichten.<br />

Die “Spannung” im Zentrum der britischen Außenpolitik<br />

zwischen der Verwicklung in das “europäische<br />

Projekt” <strong>und</strong> den “besonderen Beziehungen” zu den<br />

Vereinigten Staaten, die sie als entscheidend für das<br />

Verständnis der britischen Politik auch im Nahen Osten<br />

sehen, untersuchen Jonathan Rynold <strong>und</strong> Jonathan<br />

Spyer in ihrem Beitrag “British Policy in the Middle<br />

East in the Post-Cold War Era, 1991-2005 – A Bridge<br />

between the US <strong>and</strong> the EU? ” (S. 283-301). Rynold,<br />

Dozent in der Abteilung für Politische Studien an der<br />

Bar-Ilan-Universität, <strong>und</strong> Spyer, Mitarbeiter am Zentrum<br />

für globale Forschungen des Interdisziplinären<br />

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