4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations
4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations
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REZENSIONEN BOOK REVIEW<br />
historischen Überblick, in dem in die religionsgeschichtliche<br />
Genese verschiedener Konzepte des Jihad<br />
eingeführt wird, stellt die Autorin unterschiedliche<br />
Einzelstimmen <strong>und</strong> Kontroversen vor, bei denen Muslime<br />
unter Bezug auf die normativen Quellen des Islam<br />
zur Anwendung von Gewalt Position beziehen.<br />
Dabei kommen nicht nur Rechtsgelehrte zu Wort, deren<br />
Autorität auf der Absolvierung eines formellen<br />
Studiums beruht, sondern auch Vertreter islamistischer<br />
Organisa<strong>tionen</strong>, die auch als Lehrer, Ärzte <strong>und</strong><br />
Ingenieure für sich das Recht auf einen direkten interpretativen<br />
Zugang zu den Quellen in Anspruch nehmen.<br />
Verschiedene Fragen stehen im Mittelpunkt der<br />
Diskussion: Was ist unter Jihad zu verstehen? Unter<br />
welcher Voraussetzung soll Jihad als militärisches<br />
Unternehmen begriffen werden? Wer soll diese Art<br />
des Jihad führen, mit welchen Mitteln <strong>und</strong> gegen welche<br />
Gegner? Unter welchen Voraussetzungen sind<br />
Selbstmordattentate – von ihren Befürwortern „Märtyreropera<strong>tionen</strong>“<br />
genannt – zulässig? Dies sind nur<br />
einige der Aspekte, die die Diskussionen über die in<br />
der Studie vorgestellten Fallbeispiele prägen. Dabei<br />
wird deutlich, wie unterschiedlich die Antworten sind,<br />
die Muslime an verschiedenen Orten <strong>und</strong> zu verschiedenen<br />
Zeiten auf diese Fragen gegeben haben <strong>und</strong> geben.<br />
Da sich sowohl Befürworter als auch Gegner von<br />
Gewaltanwendung bzw. eines auf seine militärische<br />
Dimension eingeengten Jihadverständnisses zur Untermauerung<br />
ihrer Position auf dieselben Quellen berufen,<br />
untersucht Ourghi, welche Bedeutung die „situative<br />
Kontingenz“ für die Befürwortung – oder Ablehnung<br />
– von Gewalt hat.<br />
Bereits der historische Überblick, der sich u. a. mit<br />
den im Laufe der Jahrh<strong>und</strong>erte entwickelten Jihad-<br />
Konzep<strong>tionen</strong> ausein<strong>and</strong>ersetzt, legt den Schluss nahe,<br />
dass die Exegese immer eng unter Berücksichtigung<br />
gesellschaftlicher Erfordernisse <strong>und</strong> politischer<br />
Interessen erfolgte. So ist Jihad nach Konzepten, die<br />
unter Einfluss des Mystizismus entst<strong>and</strong>en, vor allem<br />
als geistige Anstrengung auf dem Weg Gottes <strong>und</strong> als<br />
innerer Kampf gegen die eigenen Leidenschaften <strong>und</strong><br />
Triebe zu verstehen. Zu allen Zeiten gab es jedoch<br />
immer auch Stimmen, die einer militärischen Deutung<br />
den Vorrang gaben. Diese waren vor allem dann vernehmbar,<br />
wenn das islamische Gemeinwesen in existenzieller<br />
Gefahr zu schweben schien, wie zur Zeit der<br />
Kreuzzüge (1096-1291) <strong>und</strong> der Eroberungen der<br />
Mongolen im 13. Jahrh<strong>und</strong>ert. Als Gegenbeispiel<br />
führt Ourghi Indien an, wo viele Muslime nach der<br />
blutigen Niederschlagung des Sepoy-Aufst<strong>and</strong>s<br />
1857/58 eine Dominanz der Hindus fürchteten, denen<br />
von den Briten bevorzugt Verwaltungsaufgaben übertragen<br />
wurden. Um die Muslime als loyale Untertanen<br />
des Empire zu präsentieren, beriefen sich vor allem<br />
die in der Muhammadan Literary Society zusammengeschlossen<br />
Ulama auf eine nicht-militante Jihad-<br />
Interpretation.<br />
Unter den in den folgenden Kapiteln beh<strong>and</strong>elten<br />
aktuellen Fallbeispielen finden sich einige bekannte<br />
<strong>und</strong> häufig rezipierte Texte <strong>und</strong> Kontroversen, wie z.<br />
B. die Debatte um den Gewaltverzicht der ägypti-<br />
194<br />
schen Jama’at al-Islamiya, die Ausein<strong>and</strong>ersetzung<br />
um die Schrift „Der Jihad. Die unterschlagene<br />
Pflicht“ von ‘Abd as-Salam Faraj, die Jihad zur individuelle<br />
Pflicht (fard ‘ain) jedes Muslims erklärt, sowie<br />
die Position des einflussreichen Rechtsgelehrten<br />
Yusuf al-Qaradawi zur Zulässigkeit von Selbstmordanschlägen.<br />
Die Autorin zitiert jedoch auch weitgehend<br />
unbekannte Autoren <strong>und</strong> analysiert kaum wahrgenommene<br />
Kontroversen wie die Ausein<strong>and</strong>ersetzung<br />
zwischen einem der Muslimbruderschaft angehörenden<br />
Autor namens Abd al-Malik al-Barrak <strong>und</strong><br />
Sa‘id Ramadan al-Buti, einem syrischen Gelehrten,<br />
der Jihad mit Verweis auf die frühmekkanische Periode<br />
vor dem Auszug des Propheten nach Medina vor<br />
allem als Aufforderung zur Annahme des Islam<br />
(da‘wa) interpretierte, die unter allen Umständen mit<br />
friedlichen Mitteln zu erfolgen habe.<br />
Gleichermaßen informativ ist die Darstellung der<br />
Debatten um aktuelle Fallbeispiele, in denen die<br />
Rechtmäßigkeit der Anschläge in der Londoner U-<br />
Bahn im Jahr 2005 <strong>und</strong> das Selbstmordattentat einer<br />
tschetschenischen Frau diskutiert werden. Dass diese<br />
Diskussionen vor allem im Internet <strong>und</strong> dabei meist<br />
von anonymen Akteuren geführt werden, über deren<br />
Hintergr<strong>und</strong> keine zuverlässigen Informa<strong>tionen</strong> vorliegen,<br />
ist ein generelles Problem aller Veröffentlichungen,<br />
die sich auf Quellen aus dem Internet stützen.<br />
Ourghi gelingt es, in ihrer Studie eine Vielzahl interessanter<br />
<strong>und</strong> vielfältiger Beispiele für den aktuellen<br />
Diskussionsst<strong>and</strong> über die Berechtigung von Gewalt<br />
anzuführen, die geographisch <strong>und</strong> politisch ein weites<br />
Feld abdecken, ohne dass sie dabei den roten Faden<br />
ihrer Argumentation aus den Augen verliert. Dem Fazit<br />
der Autorin, dass die Ursachen für die bestehenden<br />
Differenzen nicht im religiös-juristischen Bereich,<br />
sondern vor allem in den unterschiedlichen politischen,<br />
sozialen <strong>und</strong> ökonomischen Interessen zu suchen<br />
sind, ist ohne Einschränkungen zuzustimmen.<br />
Florian Bernhardt, Berlin<br />
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Potter, Lawrence G. (ed. 2009): The Persian Gulf<br />
in History. – New York: Palgrave Macmillan, 326 S.<br />
This volume of 15 articles grew out of a conference<br />
organised in October 2004 by Gulf/2000, a research<br />
project based at Columbia University. The contributions<br />
were very carefully monitored by the editor,<br />
whose lengthy introduction is itself a mine of interesting<br />
leads for the reader, who may want to exp<strong>and</strong> his<br />
or her <strong>und</strong>erst<strong>and</strong>ing of the historical ‘make-up’ of a<br />
region, which in our day <strong>and</strong> age usually makes the<br />
news, when oil prices escalate or Iranian nuclear<br />
measures irritate the rest of the world.<br />
The essence of much of this scholarly work is: For<br />
millennia maritime trade – centred on the axis between<br />
Basra, India <strong>and</strong> East Africa – generated the<br />
exchange of ideas, people, religions <strong>and</strong> customs <strong>and</strong><br />
overcame occasional episodes of conquest, piracy or<br />
slavery. The first ten contributions to this volume <strong>und</strong>er<br />
the two section headlines ‘Gulf History <strong>and</strong> Socie-