06.01.2013 Aufrufe

4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations

4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations

4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

REZENSIONEN BOOK REVIEW<br />

tinas, sondern ein Ausdruck des universalen Antisemitismus;<br />

während ihrer Amtszeit als Ministerpräsidentin<br />

habe sie nein gesagt zu jedem Friedensplan<br />

<strong>und</strong> keinen eigenen vorgelegt, wirft Shlaim ihr vor<br />

<strong>und</strong> macht ihre [politische] Kurzsichtigkeit verantwortlich<br />

für den Ausbruch des Krieges im Oktober<br />

1973. Er bescheinigt ihr eine Verbindung von Unwissenheit<br />

<strong>und</strong> Selbstgerechtigkeit zu etwa gleichen Teilen<br />

<strong>und</strong> führt auch ihr bekannt gewordenes Zitat von<br />

1969 an, dass es eine “solche Sache” (such thing) wie<br />

Palästinenser niemals gegeben habe (S. 124-127).<br />

Menahim Begin, ehemaliger Komm<strong>and</strong>eur der Untergr<strong>und</strong>organisation<br />

Irgun, lebte nach Shlaims Worten<br />

weiterhin in der Vergangenheit, als er 1977 Ministerpräsident<br />

wurde. Kein <strong>and</strong>erer Amtsinhaber vor<br />

<strong>und</strong> nach ihm sei so sehr getrennt (divorced) gewesen<br />

von der Wirklichkeit seiner Tage. Ein emotionaler<br />

Mann, zutiefst traumatisiert vom Holocaust <strong>und</strong> von<br />

der Angst seiner Wiederkehr. Das zeitgenössische<br />

Geschehen habe er vorwiegend durch den Filter seiner<br />

eigenen schrecklichen Erlebnisse während des Krieges<br />

begriffen. Viele seiner Feinde einschließlich Britannien,<br />

die arabischen Staaten <strong>und</strong> die PLO erschienen<br />

in seinem Weltbild als wiedererst<strong>and</strong>ene Nazis.<br />

(Ein Echo dieser Sicht ist Netanyahus Vergleich zwischen<br />

dem angeblich drohenden ‘neuen’ Holocaust<br />

infolge der Iran zugeschriebenen atomaren Rüstung<br />

mit dem Dritten Reich). Dementsprechend entsprach<br />

für Begin die PLO-Satzung Hitlers “Mein Kampf”,<br />

<strong>und</strong> Beirut wurde für ihn, als im August 1982 israelische<br />

Truppen die Stadt beschossen, zum Berlin des<br />

Jahres 1945. Begin glaubte leidenschaftlich, das historische<br />

Recht der Juden auf das L<strong>and</strong> Israel habe Vorrang<br />

vor allem <strong>and</strong>eren Ansprüchen. Dementsprechend<br />

ging es auch beim Krieg im Libanon 1982 um<br />

die Sicherung Israels <strong>und</strong> war vor allem gegen die Palästinenser<br />

gerichtet, hatte doch das Manifest der<br />

Likud-Partei von 1977 gelobt, die PLO auszurotten.<br />

Im September 1983 trat Begin zurück, sein zionistischer<br />

Traum war zerschmettert (shattered), er selbst<br />

ein gebrochener Mann, der zurückgezogen lebte bis<br />

zu seinem Tod (S. 239-243).<br />

Begins Nachfolger Yitzhak Schamir war ebenfalls<br />

ein Schüler von Ze’ev Wladmir Jabotinsky, dem Begründer<br />

der Revisionistischen Zionistischen Bewegung,<br />

<strong>und</strong> ebenfalls ehemaliger Anführer einer Untergr<strong>und</strong>organisation,<br />

Lehi. In Shlaims Darstellung teilte<br />

Schamir Begins “Bunkermentalität”, misstraute fremden<br />

Mächten <strong>und</strong> verließ sich lieber auf die Macht Israels.<br />

Ebenso wie Begin verglich auch Schamir Arafat<br />

mit Hitler: Beide gehörten in dieselbe Familie der<br />

Demagogen, “Feinde des jüdischen Volkes, die nichts<br />

dabei fänden, Millionen umzubringen, um ihre Ziele<br />

zu erreichen”, so zitiert ihn Shlaim. Schamir drohte<br />

Arafat festzunehmen, falls er zu Friedensverh<strong>and</strong>lungen<br />

nach Israel komme, <strong>und</strong> war überzeugt, der einzige<br />

Friede, den die PLO zu bieten habe, sei der Friede<br />

des Friedhofs (S. 243f.).<br />

Shlaim korrigiert die auch hierzul<strong>and</strong>e verbreitete<br />

Meinung, für das Scheitern der Friedensverh<strong>and</strong>lungen<br />

von Camp David unter Präsident Clintons Vermittlung<br />

im Juli 2000 sei Arafat verantwortlich gewe-<br />

sen. Der Gr<strong>und</strong> liege vielmehr in dem Verh<strong>and</strong>lungspaket<br />

des damaligen Ministerpräsidenten Ehud Barak,<br />

der begrenzte Zugeständnisse angeboten <strong>und</strong> zudem<br />

darauf best<strong>and</strong>en habe, dass die Palästinenser auf weitere<br />

Ansprüche gegen Israel verzichten sollten. Dieses<br />

unbarmherzige (remorseless) Bestehen auf die Endgültigkeit<br />

der Vereinbarungen sei Teil des Problems,<br />

nicht seine Lösung gewesen. “Friede durch Ultimatum<br />

wirkte nicht.” Israelis dämonisierten Arafat gern,<br />

doch kein Palästinenserführer, so gemäßigt er sein<br />

mag, hätte dieses “Paket” Baraks annehmen können<br />

(S. 274f.).<br />

Yitzhak Rabin, der es als “Mann des Friedens” mehr<br />

als jeder <strong>and</strong>ere Ministerpräsident Israels zu internationaler<br />

Anerkennung gebracht hat, kommt bei Shlaim<br />

kaum besser weg. Für ihn bedeuteten die Araber an<br />

allererster Stelle eine militärische Bedrohung, folglich<br />

habe er alle Entwicklungen in der Region aus der beschränkten<br />

Perspektive der Sicherheitserfordernisse<br />

Israels gesehen. Als ein lebenslanger Soldat habe er<br />

gezögert, sich auf politische Risiken einzulassen. Mit<br />

Vorstellungsvermögen <strong>und</strong> visionärer Kraft sei er<br />

nicht begabt gewesen, für die <strong>and</strong>ere Seite des Konflikts<br />

habe er kein Einfühlungsvermögen aufgebracht.<br />

Er habe sich für einen bedeutenden Strategen gehalten,<br />

der den Einsatz von Gewalt <strong>und</strong> Diplomatie mitein<strong>and</strong>er<br />

verb<strong>and</strong>, um politische Ziele zu erreichen,<br />

sein politisches Denken sei jedoch ziemlich roh (crude)<br />

gewesen, sein diplomatischer Stil plump (unsubtle)<br />

<strong>und</strong> sein Einsatz von Gewalt äußerst unbeholfen<br />

(extremely heavy-h<strong>and</strong>ed) (S. 176f.). Kein W<strong>und</strong>er,<br />

hatte Rabin doch, wie Shlaim ihm vorhält, offen erklärt,<br />

für ihn habe Sicherheit Vorrang vor Frieden,<br />

“<strong>und</strong> in diesem Sinne st<strong>and</strong> er zu seinem Wort”. Zu<br />

seinem Verständnis von Sicherheit gehörte auch die<br />

Verweigerung gr<strong>und</strong>legender Menschenrechte für die<br />

Palästinenser – “ein Hauptgr<strong>und</strong> für die mangelnden<br />

Fortschritte in den Friedensgesprächen” (S. 181).<br />

Rabin hat nach Shlaim Mitte der 80er Jahre den Palästinensern<br />

mehr Strafe <strong>und</strong> Schmerz (punishment<br />

<strong>and</strong> pain) zugefügt als irgendein <strong>and</strong>erer israelischer<br />

Führer. Als Stabschef der Armee habe er 1967 Israels<br />

spektakulären Sieg <strong>und</strong> die Eroberung des Westjordanl<strong>and</strong>es<br />

geleitet <strong>und</strong> für die nächsten 25 Jahre in<br />

verschiedenen Ämtern die besetzten Gebiete mit roher<br />

Gewalt (brute force) aufrechterhalten. Seine Brutalität<br />

gegenüber den Palästinensern habe ihm in Israel ironischerweise<br />

den Ruf eines verantwortlichen <strong>und</strong> verlässlichen<br />

Politikers eingebracht. Doch die Politik der<br />

Gewalt sei von den Ereignissen überholt worden. Infolgedessen<br />

habe Rabin, so hält ihm Shlaim zugute,<br />

während seiner zweiten Amtszeit als Ministerpräsident<br />

begonnen, sich vom Raubtier (predator) zum<br />

Friedensmacher zu mutieren. Er war der einzige Ministerpräsident<br />

in der Geschichte Israels, der den Mut,<br />

die Ehrlichkeit <strong>und</strong> die Entschlossenheit hatte, sich<br />

mit den Palästinensern vorwärts zu bewegen auf eine<br />

Lösung des Konflikts hin (S. 224).<br />

Um so harscher fällt Shlaims Urteil über Ariel<br />

Scharon aus, für den er einen besonderen Platz als<br />

“Zertrümmerer” (wrecker) der Oslo-Vereinbarungen<br />

reserviert. Er erinnert an Präsident Bushs Würdigung<br />

209

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!