4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations
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FORSCHUNGSPROJEKTE RESEARCH SCHEMES<br />
5 Forschungsprojekte<br />
Research Schemes<br />
RELIGARE: Europa – Diversität – Religiöse Vorstellungen.<br />
Religiöse Diversität <strong>und</strong> säkulare Modelle<br />
in Europa: Innovative Ansätze für Recht <strong>und</strong><br />
Politik. http://www.religareproject.eu<br />
Entgegen vielerlei Prognosen nimmt die gesellschaftliche<br />
Bedeutung der Religionen, neureligiöser Bewegungen<br />
<strong>und</strong> Weltanschauungen weltweit eher zu als ab<br />
(Peter L. Berger). Gleichzeitig hat die Einw<strong>and</strong>erung<br />
nach Europa in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen.<br />
Die damit verb<strong>und</strong>ene ansteigende Vielfalt<br />
<strong>und</strong> Verschiedenheit sich formierender religiöser<br />
Gruppierungen stellt eine der großen Herausforderungen<br />
für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die<br />
säkularen <strong>und</strong> laizistischen Rechtsordnungen <strong>und</strong> das<br />
Zusammenleben vor allem unter der wertentscheidenden<br />
Gr<strong>und</strong>satznorm der Gleichheit dar.<br />
Immer häufiger berufen sich religiöse Gruppierungen<br />
zu Recht auf das sowohl verfassungsrechtlich als<br />
auch völkervertragsrechtlich <strong>und</strong> auf europäischer<br />
Ebene mehrfach abgesicherte Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Menschenrecht<br />
der Religions- <strong>und</strong> Gewissensfreiheit. Viele<br />
hergebrachte säkulare Gesetze werden demgegenüber<br />
den berechtigten Ansprüchen dieser Gruppen auf<br />
Respekt ihrer jeweiligen Identität <strong>und</strong> ihren kulturellreligiösen<br />
Besonderheiten nicht mehr gerecht. Hierdurch<br />
werden zum Teil äußerst schwierige Rechtsfragen<br />
aufgeworfen.<br />
Wie wirkt sich die signifikant ansteigende Vielfalt<br />
an religiösen Gruppierungen mit ihren unterschiedlichen<br />
Bedürfnissen <strong>und</strong> der regelmäßig erhobenen<br />
Forderung nach Anerkennung als Religionsgemeinschaft<br />
in den verschiedenen Rechtsgebieten auf die<br />
mit der Gleichheit verb<strong>und</strong>enen Normen <strong>und</strong> Wertentscheidungen<br />
<strong>und</strong> auf die Identität des freiheitlich demokratischen<br />
Europas aus? Innerhalb welcher Grenzen<br />
sollten religiös determinierte Praktiken, Loyalitäten<br />
<strong>und</strong> Strukturen der Zugehörigkeit toleriert werden,<br />
<strong>und</strong> gibt es einheitliche Gr<strong>und</strong>sätze zur Entscheidung<br />
der hieraus sich ergebenden Konflikte oder verallgemeinerungsfähige<br />
Lösungsansätze für eine in allen<br />
europäischen Gesellschaften wünschenswerte Gestaltung<br />
der Pluralität? Wie können der soziale Frieden,<br />
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die Rechtstaatlichkeit <strong>und</strong> die Gerechtigkeit für alle in<br />
Europa vor dem Hintergr<strong>und</strong> der zunehmenden Diversität<br />
langfristig gesichert werden <strong>und</strong> welche Änderungen<br />
der normativen lokalen, staatlichen oder europäischen<br />
Rahmenbedingungen sind hierfür möglicherweise<br />
erforderlich?<br />
Diesen <strong>und</strong> zahlreichen verw<strong>and</strong>ten Fragestellungen<br />
konkreter Art <strong>und</strong> besonderen Fallgestaltungen (z. B.<br />
Adoption durch gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften,<br />
Schächten, Beschneidung, Burqa-Verbot,<br />
Leichenverbrennung unter freiem Himmel, alternative<br />
Streitbeilegung durch religiöses Recht) widmet sich<br />
das interdisziplinäre europäische Forschungsprojekt<br />
RELIGARE, das am 1. Februar 2010 startete, auf drei<br />
Jahre angelegt ist <strong>und</strong> mit Zuschüssen der EU in Höhe<br />
von insgesamt 2,7 Mio. EUR gefördert wird. Es soll<br />
auf der Gr<strong>und</strong>lage einerseits von sozialwissenschaftlichen<br />
Feldforschungen <strong>und</strong> Dokumenta<strong>tionen</strong> in ausgewählten<br />
Beispielländern sowie <strong>and</strong>ererseits europaweiten<br />
juristischen Recherchen <strong>und</strong> Analysen einen<br />
wesentlichen Beitrag zur Erforschung des Verhältnisses<br />
von Religion, Gesellschaft <strong>und</strong> Recht in Europa<br />
einschließlich der Türkei leisten. So verschieden die<br />
jeweiligen Bevölkerungsstrukturen in den einzelnen<br />
Mitgliedstaaten der EU <strong>und</strong> ihre Erfahrungen im Umgang<br />
mit religiösen Minderheiten auch sind, so können<br />
sie doch gerade in diesen Fragen viel vonein<strong>and</strong>er<br />
lernen. Die Anwendung auch komparativer Methoden<br />
ist daher vielversprechend.<br />
Beteiligt sind die K. U. Leuven (koordinierende Institution)<br />
sowie die Universitäten von Kopenhagen,<br />
Mail<strong>and</strong>, London (Queen Mary), Erlangen-Nürnberg,<br />
Madrid (Univ. Complutense), Amsterdam (Univ. <strong>und</strong><br />
Vrije Univ.) <strong>und</strong> die türkische Middle East Technical<br />
University, ferner das Centre National de la Recherche<br />
Scientifique – PRISME in Straßburg, das Centre<br />
for European Policy Studies (Belgien) <strong>und</strong> das International<br />
Center for Minority Studies <strong>and</strong> Intercultural<br />
Relations (Sofia). Den Vorsitz des Aufsichtsrates hat<br />
Romano Prodi inne, der frühere Präsident der Europäischen<br />
Kommission <strong>und</strong> Premierminister Italiens,<br />
Professor an der Universität Bologna.<br />
Die Leitprinzipien von RELIGARE sind zum einen<br />
ein möglichst weitgehender rechtlich geschützter<br />
Freiraum für religiöse Pluralität unter Berücksichtigung<br />
auch religiös nicht Betroffener sowie zum <strong>and</strong>eren<br />
die wertentscheidende Gr<strong>und</strong>satznorm der Gleichheit.<br />
Ausdruck des Gleichheitsgebotes ist das in verschiedenen<br />
Gesetzestexten niedergelegte Diskriminierungsverbot.<br />
Die herrschenden Ideen, Erwägungen<br />
<strong>und</strong> zentralen Argumente, die die öffentliche Meinung<br />
<strong>und</strong> die laufenden aktuellen Debatten in Europa prägen,<br />
sind aber zum großen Teil gerade nicht oder noch<br />
nicht den formalen Rechtsquellen zu entnehmen. Sie<br />
sollen mittels geeigneter soziologischer Methoden<br />
erkannt <strong>und</strong> erfasst werden. Ziel ist es, diejenigen<br />
Normen, Präzedenzfälle <strong>und</strong> Politikstrategien zu identifizieren,<br />
die nachhaltig dem gesellschaftlichen Zusammenhalt,<br />
der sozialen Kohäsion in einer demokratischen<br />
Struktur förderlich sind. Der Fokus wird je-