4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations
4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations
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DISSERTATIONEN DISSERTATIONS<br />
Judith Tinnes: „Internetnutzung islamistischer<br />
Terror- <strong>und</strong> Insurgentengruppen unter besonderer<br />
Berücksichtigung von medialen Geiselnahmen im<br />
Irak, Afghanistan, Pakistan <strong>und</strong> Saudi-Arabien“. –<br />
Abgeschlossene Dissertation, Mai 2010, Universität<br />
des Saarl<strong>and</strong>es, Fachrichtung Informationswissenschaft,<br />
Betreuer: Prof. Dr. Harald H. Zimmermann.<br />
Als Reaktion auf den „Krieg gegen den Terror“ hat<br />
der islamistische Terrorismus im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
einen medienstrategischen Paradigmenwechsel vollzogen,<br />
in dessen Verlauf sich das Internet als Leitmedium<br />
durchgesetzt hat. Die Nutzung des Internets als<br />
Informations- <strong>und</strong> Kommunikationsmedium betrachten<br />
die Terroristen längst als fest etablierten Teil ihres<br />
Kampfes: Als „elektronischen Jihad“ (kurz: „E-<br />
Jihad“) bezeichnen sie ihre Aktivitäten <strong>und</strong> heben in<br />
Strategiepapieren immer wieder deren Bedeutung<br />
hervor, welche ihrer Meinung nach der des physischen<br />
Kampfgeschehens in nichts nachsteht.<br />
Mit ihrer Dissertation möchte die Autorin Lesern<br />
eine Einführung in die Thematik bereitstellen, die es<br />
ihnen ermöglichen soll, sich die wesentlichen Gr<strong>und</strong>lagen<br />
des Themenkomplexes anzueignen. Die Arbeit<br />
beinhaltet einen ausführlichen theoretischen Überblick<br />
über die verschiedenen Facetten der Internetnutzung<br />
islamistischer Terrorgruppen. Die Überblicksdarstellung<br />
kompiliert Wissen aus Sek<strong>und</strong>ärliteratur von<br />
Akademikern, Journalisten <strong>und</strong> <strong>and</strong>eren Experten, das<br />
zur Veranschaulichung mit Beispielen aus islamistischen<br />
Primärquellen angereichert wurde. Aufbauend<br />
auf einer theoretischen Einführung in den Themenbereich<br />
„islamistischer Terrorismus“ werden zunächst<br />
das Al-Qaida-Netzwerk <strong>und</strong> <strong>and</strong>ere islamistische<br />
Terrororganisa<strong>tionen</strong> vorgestellt. Der nachfolgende<br />
Teil informiert u.a. über die Bedeutung <strong>und</strong> Geschichte<br />
des E-Jihads, die Zwecke, für die Terroristen das<br />
Internet einsetzen, <strong>und</strong> die unterschiedlichen Typen<br />
von islamistischen Internetangeboten <strong>und</strong> Publika<strong>tionen</strong>.<br />
Darüber hinaus werden die Organe, die für die<br />
Produktion <strong>und</strong> Verbreitung der Materialien zuständig<br />
sind, beschrieben <strong>und</strong> das ausgeklügelte System erklärt,<br />
mit dem die Akteure ihre medialen Produkte<br />
distribuieren.<br />
Der zweite Forschungsbeitrag der Arbeit besteht in<br />
einer quantitativen <strong>und</strong> qualitativen Analyse von me-<br />
118<br />
dialen Geiselnahmen – hierunter versteht die Autorin<br />
Kidnappings, in deren Verlauf mediale Publika<strong>tionen</strong><br />
(Videos, Bilder, Audiobotschaften) erschienen sind.<br />
Weil Entführungen ein überdurchschnittlich hohes<br />
Medieninteresse hervorrufen, spielen sie für die Internetnutzung<br />
von Terroristen eine besondere Rolle <strong>und</strong><br />
wurden daher näher untersucht. Mit Hilfe beschreibender<br />
Statistikmethoden wurden mediale Kidnappings<br />
von Einheimischen <strong>und</strong> Ausländern ausgewertet,<br />
die sich zwischen dem 01.01.2004 <strong>und</strong> dem<br />
31.12.2008 im Irak, in Afghanistan, Pakistan <strong>und</strong><br />
Saudi-Arabien ereigneten.<br />
Der praktische Sinn der Untersuchung besteht darin,<br />
konkrete Zahlen <strong>und</strong> Prozentwerte für das mediale<br />
Entführungsgeschehen zu ermitteln <strong>und</strong> mit Hilfe der<br />
Ergebnisse charakteristische Muster (beteiligte Gruppen,<br />
Nationalität der Opfer, Form der angew<strong>and</strong>ten<br />
Gewalt etc.) sichtbar zu machen, aus denen sich h<strong>and</strong>lungsrelevantes<br />
Wissen für Entscheidungsträger ableiten<br />
lässt. Das Rückgrat der Datenerhebung bildete<br />
eine Langzeituntersuchung von islamistischen Internetangeboten,<br />
welche die Autorin seit Anfang 2006<br />
durchführt. Der gewählte Ansatz einer Langzeituntersuchung<br />
ermöglichte nicht nur die Ermittlung statischer<br />
Werte (Gesamtwerte), sondern gestattete auch<br />
eine Analyse von Veränderungen über den Zeitverlauf<br />
hinweg.<br />
Bei der Untersuchung kristallisierte sich die Organisationszugehörigkeit<br />
der Entführer als zentralster<br />
Parameter heraus. Sie beeinflusst maßgeblich <strong>and</strong>ere<br />
Größen wie die Anzahl von Kidnappings, die Todeswahrscheinlichkeit<br />
<strong>und</strong> die Todesart von Geiseln, die<br />
Dauer von Entführungskrisen, das Stellen (<strong>und</strong> auch<br />
die Verh<strong>and</strong>elbarkeit) von Forderungen <strong>und</strong> den gewählten<br />
Publikationskanal für Geiselmedien. Bei der<br />
Einschätzung von Geiselsitua<strong>tionen</strong> sollte sie daher<br />
größeres Gewicht als die restlichen Faktoren erhalten.<br />
Zudem konnte nachgewiesen werden, dass sich das<br />
mediale Entführungsgeschehen primär im Irak abspielte<br />
(über 85 % der erfassten Geiselnahmen ereigneten<br />
sich im Zweistroml<strong>and</strong>). Die dortige Stabilisierung<br />
der sicherheitspolitischen Lage bewirkte einen<br />
eklatanten Einbruch medialer Kidnappings. Zwar<br />
begannen ab dem Jahr 2007 die Länder Afghanistan<br />
<strong>und</strong> Pakistan im Zuge des Wiedererstarkens militanter<br />
oppositioneller Kräfte eine wachsende Rolle zu spielen,<br />
jedoch erreichten die Entführungsaktivitäten bislang<br />
kein mit dem Irak vergleichbares Ausmaß. Ebenfalls<br />
hervorhebenswert ist ein medienstrategischer<br />
Wechsel von Terror- <strong>und</strong> Insurgentengruppen, der<br />
sich in einer Abnahme von mediatisierten Gewaltdarstellungen<br />
manifestiert. So ging die Anzahl der Enthauptungsvideos<br />
seit November 2004 von vormals bis<br />
zu 9 monatlichen Veröffentlichungen auf 0 bis 3 Videos<br />
pro Monat zurück.<br />
Die Dissertation kann kostenlos vom Volltext-<br />
Server der Universität des Saarl<strong>and</strong>es heruntergeladen<br />
werden. Die URL lautet: http://scidok.sulb.unisaarl<strong>and</strong>.de/volltexte/2010/3117/.<br />
Eine – inhaltlich<br />
identische – Buchfassung der Arbeit ist unter dem