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4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations

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VERANSTALTUNGSBERICHTE RECENT CONFERENCES<br />

stellte Intellektuelle <strong>und</strong> deren Diskurse in den Vordergr<strong>und</strong>,<br />

die im engeren Sinne als „liberal“ bezeichnet<br />

bzw. dem „Liberalismus“ zugeordnet werden können.<br />

Ein Teil dieser Intellektuellen bezeichnet sich<br />

dabei auch selbst als „liberal“. Dem st<strong>and</strong> eine Reihe<br />

von Beiträgen gegenüber, die liberale Werte <strong>und</strong><br />

Konzepte in Kontexten suchte, die gemeinhin als<br />

illiberal gelten. In diesem Zusammenhang wurde intensiv<br />

diskutiert, wie liberale Forderungen z.B. nach<br />

Bürgerrechten, Rechtsstaatlichkeit <strong>und</strong> Gewaltenteilung<br />

von linken oder islamistischen Akteuren zu bewerten<br />

sind. Insbesondere das neue Parteiprogramm<br />

der ägyptischen Muslimbruderschaft, die Fethullah<br />

Gülen-Bewegung <strong>und</strong> die Metamorphose ehemaliger<br />

libanesischer Marxisten wurden in diesem Zusammenhang<br />

diskutiert.<br />

In seinem Eröffnungsvortrag setzte sich M. Ibrahim<br />

Abu-Rabi` mit zwei liberalen Denkern, nämlich dem<br />

Marokkaner Abdelwahab Meddeb <strong>und</strong> dem Ägypter<br />

Fouad Zakariyya ausein<strong>and</strong>er. Nach Abu-Rabi` fehle<br />

es zwar nicht an Konzepten <strong>und</strong> kritischen Ausein<strong>and</strong>ersetzungen<br />

über liberale Konzepte in der Arabischen<br />

Welt, wohl aber fehle es an gesellschaftlichen<br />

Institu<strong>tionen</strong>, die liberale Diskurse nachhaltig in der<br />

Gesellschaft verankern könnten. Dabei hatte Abu-<br />

Rabi` vor allem das Bildungswesen <strong>und</strong> die Universitäten<br />

im Blick. Darüber hinaus kritisierte er den Westen<br />

scharf für die langjährige Unterstützung autoritärer<br />

Regime <strong>und</strong> die späte <strong>und</strong> halbherzige Förderung der<br />

arabischen Rebellion von 2011. Aus diesem Gr<strong>und</strong><br />

war der Ausblick, den Abu-Rabi` am Ende bot, zwar<br />

nicht gerade euphorisch, aber immerhin vorsichtig<br />

optimistisch.<br />

Die restliche Konferenz war in sechs thematische<br />

Blöcke gegliedert. Im ersten Teil diskutierten Hans-<br />

Jörg Sigwart, Meir Hatina, Christoph Schumann, Lutz<br />

Berger <strong>und</strong> Clemens Recker das Problem der historischen<br />

Einordnung <strong>und</strong> Analyse des liberalen Denkens<br />

im Nahen Osten. Meir Hatina argumentierte, dass<br />

liberale Intellektuelle die unangenehmen Fragen der<br />

Trennung von Politik <strong>und</strong> Religion sowie nach dem<br />

Verhältnis zu Israel zu halbherzig thematisiert haben.<br />

Er wies darauf hin, dass sich aber in den letzten Jahren<br />

ein dezidiert liberaler Trend herausgebildet hat, der<br />

durch seine Stellungnahmen zum Teil zu scharfen<br />

Kontroversen in der Öffentlichkeit führt. Der libanesische<br />

Philosoph Nassif Nazzar, den Clemens Recker<br />

vorstellte, kann als ein solcher, dezidierter liberaler<br />

Denker gelten. Christoph Schumann zeichnete den<br />

Niedergang des liberalen Denkens im Zusammenhang<br />

mit der Radikalisierung des Nationalismus in den<br />

1930er bis 50er Jahren nach. Der liberalen Ära (Albert<br />

Hourani) sei eine autoritäre Ära gefolgt, die nun<br />

von einer post-ideologischen Ära abgelöst werde. Die<br />

negativen Erfahrungen mit den autoritären Regimen in<br />

der Arabischen Welt habe eine Liberalisierung in<br />

nationalistischen, linken <strong>und</strong> auch islamistischen Diskursen<br />

bewirkt. In der Türkei, so zeigte Lutz Berger,<br />

entwickelte sich das liberale Denken im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

<strong>and</strong>ers als in der Arabischen Welt. Vor allem<br />

nach dem Militärputsch von 1980 kamen liberale<br />

Gedanken als neoliberale Wirtschaftspolitik zusammen<br />

mit einem konservativen Programm in die Öffentlichkeit.<br />

In der zweiten Sektion diskutierten Manfred Brocker,<br />

Michaelle Browers, Suzanne Kassab, Shai Zohar<br />

<strong>und</strong> Sune Haugbolle kulturelle Kritik als ein Vehikel<br />

des liberalen Denkens. Vor allem in den 1980er Jahren<br />

diente die Diskussion über das „kulturelle Erbe“<br />

(Arabisch turath) als ein Medium für gr<strong>und</strong>sätzliche<br />

Diskussion über das Verhältnis von Religion <strong>und</strong><br />

Vernunft oder die Beziehung zwischen Politik <strong>und</strong><br />

Gesellschaft. Ziad Rahbani nutzte vor allem die Musik,<br />

um linke Ideen zu popularisieren. Durch die subtile<br />

Ironie in seinen Stücken relativierte er den Dogmatismus<br />

linker Ideologien bis zu einem gewissen Grad.<br />

Am Beispiel der Webseite „Elaph“ zeigte Shai Zohar,<br />

wie sich ein neuer, selbstbewusster „liberaler“ Diskurs<br />

in der Arabischen Welt formiert, der sich aber vor<br />

allem gegen die politisierte Religion richtet. Das liberale<br />

Selbstverständnis von manchen „öffentlichen<br />

Liberalen“, so zeigte die Diskussion, täuscht bisweilen<br />

über deren zum Teil recht illiberalen Äußerungen<br />

hinweg.<br />

In der dritten Sektion wurden liberale Werte in illiberalen<br />

Kontexten thematisiert. Mit Blick auf politische<br />

Ideologien diskutierten Jörn Thielmann, Jakob<br />

Skovgard-Petersen, Hakan Yavuz, Manfred Sing <strong>und</strong><br />

Omar Kamil über die wirkliche oder vermeintliche<br />

Liberalisierung linker <strong>und</strong> islamistischer Weltanschauungen.<br />

Einigkeit best<strong>and</strong> vor allem darin, dass<br />

liberale Forderungen in Bezug auf wirtschaftspolitische<br />

Programme in allen Bereichen verstärkt Einzug<br />

gehalten haben <strong>und</strong> dass diese diskursive Veränderung<br />

nicht ohne Bezug auf die Rolle internationaler Organisa<strong>tionen</strong>,<br />

wie dem Internationalen Währungsfonds, zu<br />

verstehen ist. Hier setzt heute vor allem die linke<br />

Kritik an liberalen Diskursen ein. Dagegen sind Forderungen<br />

nach Freiheit <strong>und</strong> Rechtsstaatlichkeit heute<br />

unbestrittener Best<strong>and</strong>teil aller politischen Bewegungen<br />

geworden. Die negative Erfahrung mit dem vorherrschenden<br />

Autoritarismus hat ein Übriges getan,<br />

um liberale Werte im Sinne von Bürgerrechten <strong>und</strong><br />

Beschränkungen der Staatsgewalt vom Ruch des westlichen<br />

Imperialismus zu befreien. Gerade in islamischen<br />

Diskursen findet das Konzept der „Freiheit“<br />

jedoch meist dort seine Grenzen, wo es um die moralische<br />

Autonomie des Individuums geht. Die Liberalisierung<br />

des Islamismus, so lässt sich sagen, führt<br />

wahrscheinlich nicht zu einem „islamischen Liberalismus“<br />

(L. Binder), sondern eher zu einem konservativen<br />

islamischen Kommunitarismus.<br />

Im anschließenden vierten Panel fragten Oliver<br />

Schlumberger, Roel Meijer, Thomas Demmelhuber,<br />

Abdeslam Maghraoui <strong>und</strong> Saloua Zerhouni nach den<br />

Möglichkeiten <strong>und</strong> Freiräumen für liberale Diskurse in<br />

autoritären Regimen. In der Diskussion wurde deutlich,<br />

dass der autoritäre Charakter nahöstlicher Staaten<br />

oft in dem Zusammenspiel von formalen <strong>und</strong> informellen<br />

Strukturen (z.B. Verfassungsmäßigkeit <strong>und</strong><br />

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