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4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations

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REZENSIONEN BOOK REVIEW<br />

schaft <strong>und</strong> verhindere eine Erstarrung des gelebten<br />

Glaubens. Durch permanente ijtihad <strong>und</strong> rationale Reflexion<br />

überschreite sich die religiöse Person permanent<br />

selbst, entwickele ihren eigenen Glauben weiter<br />

<strong>und</strong> trage die ethische Gr<strong>und</strong>lage für gemeinschaftlichen<br />

humanen Fortschritt in sich.<br />

Die übersetzt vorliegenden Essays über den Menschen<br />

veranschaulichen die von Lahbabi favorisierte<br />

diskursive Koranauslegung im Sinne von Menschlichkeit.<br />

Sie stützen sich auf die göttliche Güte<br />

(rahma) <strong>und</strong> postulieren eine göttliche Garantie für<br />

die Menschenrechte. Trotz aller Erfahrungen des Bösen,<br />

der Schuld, der Angst <strong>und</strong> nicht zuletzt der Erniedrigung<br />

durch Dritte (z.B. im Kolonialismus, aber<br />

auch in den postkolonialen Regimen der Arabischen<br />

Welt) verheißt Lahbabis an den Salafiten orientierter<br />

islamischer Rationalismus eine Zukunft, in der Gottesliebe<br />

<strong>und</strong> Menschenliebe eine Einheit bilden. Die<br />

Aussicht auf diese Zukunft bedeutet demnach nicht<br />

nur für das einzelne Individuum eine hoffnungsvolle<br />

Perspektive, sondern darüber hinaus für die menschliche<br />

Gemeinschaft insgesamt. Lahbabi versteht sie als<br />

Gr<strong>und</strong>lage einer freiheitlichen, jedoch nicht wertfreien<br />

Gesellschaft, die sich immer wieder im Sinne ihrer<br />

kollektiven Freiheit engagiere <strong>und</strong> die Basis einer<br />

humanen Weltordnung bilde, in der ein jeder den <strong>and</strong>eren<br />

als freies emanzipiertes gleichrangiges Mitglied<br />

achte.<br />

Lahbabis Personalismus tritt an die westliche Zivilisation<br />

heran <strong>und</strong> fordert sie auf, sich von dem Superiorismus,<br />

der für den Kolonialismus die geistige Voraussetzung<br />

schuf, ebenso zu befreien wie von einer<br />

Unterwerfungsmentalität, die Diktaturen gleichermaßen<br />

den Aktionsradius erweitert wie menschenfeindlichen<br />

multinationalen Konzernen <strong>und</strong> Kapitalgesellschaften.<br />

Gerade in Deutschl<strong>and</strong>, wo eine auf Superiorismus<br />

basierende Ideologie einhergehend mit der<br />

Deklarierung von Nichtdeutschen bzw. „Nichtarierern“<br />

als „minderwertig“ in der Historie sich in einem<br />

Welteroberungs- <strong>und</strong> Weltbeherrschungswahn ausgedrückt<br />

hat <strong>und</strong> im institutionalisierten Massenmord<br />

ihren Höhepunkt f<strong>and</strong>, kann Lahbabis vernunftgeleiteter,<br />

an die gesamte Menschheit gerichteter Personalismus<br />

einen Denkprozess initiieren, der jeglichem<br />

kollektiven Überheblichkeitsbewusstsein entgegenwirkt.<br />

Mohammed Khallouk, Marburg<br />

192<br />

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Leiermann, Tom (2009): Shibam – Leben in<br />

Lehmtürmen. Weltkulturerbe im Jemen. - Dr.<br />

Ludwig Reichert Verlag: Wiesbaden, 284 S.<br />

Eine Publikation zur berühmten Stadt Shibam im<br />

Wadi Hadhramaut/Jemen ist schon lange ein Desiderat<br />

für alle an der Lehmarchitektur Südarabiens Interessierten.<br />

Bereits seit 1984 steht Shibam auf der<br />

Weltkulturerbeliste der UNESCO. Nun liegt erstmals<br />

eine umfassende Best<strong>and</strong>saufnahme der Stadtarchitektur<br />

Shibams vor. Der Autor Tom Leiermann arbeitet<br />

als Architekt im Deutsch-Jemenitischen Stadtenticklungsprojekt<br />

Shibam der GTZ. Aus dieser Tätig-<br />

keit heraus beschreibt er in zwölf Kapiteln die Geschichte,<br />

die funktionale Gliederung, die Wohnhäuser,<br />

die Moscheen <strong>und</strong> das tägliche Leben der Bewohner<br />

der Altstadt von Shibam. Karten, Gr<strong>und</strong>risse,<br />

Pläne, Skizzen, ein Glossar sowie zahlreiche Photos<br />

in hervorragender Druckqualität ergänzen den Text.<br />

Nach einer allgemeinen Einführung verfolgt ein geschichtlicher<br />

Abriss zunächst die Ursprünge der<br />

Stadtanlage <strong>und</strong> der Hochhausarchitektur Shibams bis<br />

in die antiken Hochkulturen Südarabiens zurück. Leiermann<br />

erklärt ihre bemerkenswerte Kontinuität mit<br />

der Jahrh<strong>und</strong>erte langen Isolation des Hadhramaut,<br />

wobei er aber auch auf die interessanten Parallelen zur<br />

Architektur Äthiopiens eingeht. Die folgenden Kapitel<br />

widmen sich der funktionalen Gliederung der<br />

Stadt, dem Lehmbau <strong>und</strong> den Wohnhäusern. Detailliert<br />

werden die Lehmbautechnik <strong>und</strong> die Konstruktionsprinzipien<br />

der Häuser erläutert <strong>und</strong> die einzelnen<br />

Arbeitsgänge mit vielen Photos illustriert.<br />

Leider fehlen weitgehend Hinweise zur Raumnutzung<br />

<strong>und</strong> Wertigkeit der einzelnen Bereiche des Hauses,<br />

etwa nach dem Verhältnis zwischen Arbeits- <strong>und</strong><br />

Repräsentationsbereichen, weiblicher <strong>und</strong> männlicher<br />

Sphäre u.ä.. Gerade im Vergleich mit der Hochhausarchitektur<br />

<strong>and</strong>erer jemenitischer Städte wie Sanaa<br />

oder Sa c dah mit ihrer ausgeprägten Raumhierarchie<br />

stellt sich die Frage, wie diese im Hadhramaut gelöst<br />

wird. Stattdessen findet man an dieser Stelle (S. 112-<br />

120) ein Glossar der Architekturteile, das zwar hohen<br />

dokumentarischen Wert hat, es dem Leser aber doch<br />

etwas erschwert, sich die Einrichtung, Funktion <strong>und</strong><br />

Lebensweise in den Häusern vorzustellen. Leiermann<br />

ist durch seine einheimische Ehefrau stärker in die<br />

Gesellschaft der Stadt integriert, als es westliche Entwicklungshelfer<br />

gemeinhin sind. Er hätte so einen besonderen<br />

Zugang zu den indigenen Auffassungen <strong>und</strong><br />

Konzepten der Bewohner zu ihrer Architektur <strong>und</strong><br />

Lebensweise.<br />

Der Abschnitt „Genus“ über die Geschlechterbeziehungen<br />

in Shibam fällt jedoch merkwürdig verhalten<br />

<strong>und</strong> distanziert aus <strong>und</strong> gibt über allgemein bekannte<br />

Vorstellungen im Islam über die hohe Bedeutung der<br />

Familie oder den Ehevertrag keine konkreten Informa<strong>tionen</strong><br />

über das Leben <strong>und</strong> das Selbstverständnis<br />

der Frauen in Shibam. Dies wäre jedoch wichtig, da ja<br />

das Haus „die“ weibliche Sphäre schlechthin ist. Zwi-

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