4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations
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REZENSIONEN BOOK REVIEW<br />
Die Täter, so wurde bekannt, hatten erklärt, sie hätten<br />
aus Zorn über den Krieg im Irak <strong>und</strong> die Notlage<br />
der Palästinenser geh<strong>and</strong>elt, <strong>und</strong> widerlegten damit alle<br />
diejenigen, die noch immer behaupteten, Britanniens<br />
Militäreinsatz im Irak <strong>und</strong> in Afghanistan mache<br />
die Heimat sicherer – analog zu der in Deutschl<strong>and</strong><br />
gängigen Phrase, die Sicherheit des L<strong>and</strong>es werde am<br />
Hindukusch verteidigt. Blair <strong>und</strong> sein Kabinett hatten,<br />
so bemerkt Hollis, eine politische Antwort auf die<br />
neue Gefahr im eigenen L<strong>and</strong> zu finden. Entschlossen,<br />
eine Verbindung zwischen seiner Außenpolitik,<br />
insbesondere seine Unterstützung Bushs im Irak, <strong>und</strong><br />
der Entfremdung der britischen Muslime zu bestreiten,<br />
konzentrierte sich Blair auf eine Neudefinition<br />
des Ziels einer multikulturellen Gesellschaft: eine Linie<br />
zu ziehen zwischen der großen Mehrheit der “gemäßigten”<br />
Muslime <strong>und</strong> den extremistischen R<strong>and</strong>gruppen<br />
(fringe) (S. 148f.).<br />
Rosemary Hollis ist auch unter den Verfassern der<br />
18 Aufsätze des Sammelb<strong>and</strong>es über die Beziehungen<br />
Britanniens zum Nahen Osten, die auf Vorträge einer<br />
Konferenz des Harry S. Truman-Instituts zur Förderung<br />
von Frieden der Hebräischen Universität von Jerusalem<br />
im Juni 2004 zurückgehen. Hollis beschränkt<br />
sich in ihrem Beitrag auf den “Wiedereintritt” Britanniens<br />
in den Irak im März 2003, eine Art Vorschau<br />
auf ihr Buch, das sich auf den Irak <strong>und</strong> Palästina konzentriert.<br />
Die Konferenzbeiträge größtenteils israelischer<br />
Wissenschaftler erweitern den Rahmen historisch<br />
auf die Anfänge der britischen “Verwicklung”<br />
(involvement), die sich bis in die Kreuzfahrerzeit zurückverfolgen<br />
lassen, nach jahrh<strong>und</strong>ertelanger Unterbrechung<br />
erst wieder zu Beginn des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
aufgenommen wurden <strong>und</strong> geographisch vier Gebiete<br />
umfassen: das Niltal (Ägypten <strong>und</strong> der Sudan), Palästina/Israel,<br />
der Fruchtbare Halbmond (Irak, Syrien,<br />
Libanon) <strong>und</strong> der Arabisch-Persische Golf.<br />
Das “Suez-Debakel” von 1956 <strong>und</strong> den britischen<br />
Abzug vom Golf 1971 sehen die Herausgeber des<br />
B<strong>and</strong>es als zwei wichtige Wendepunkte der britischen<br />
“Verwicklung” in der Region: als “Signale des Entkolonisierungsprozesses”.<br />
Die Irak-Kriege von 1991 <strong>und</strong><br />
2003 bezeugen, so gestehen die Herausgeber Britannien<br />
zu, dass dieses L<strong>and</strong> “noch immer” ein wichtiger<br />
Akteur im Nahen Osten ist, obwohl sich seine Rolle<br />
“mit Sicherheit” gew<strong>and</strong>elt hat von der einer Hegemonialmacht<br />
<strong>und</strong> “Seniorität” (seniority) zu der eines<br />
Juniorpartners der Vereinigten Staaten. Sie verweisen<br />
zugleich auf eine <strong>and</strong>ere Veränderung im britischen<br />
Verhältnis zu der Region: War in der Vergangenheit<br />
Intervention ein “Phänomen” der einen Seite, so sei<br />
der “Aufprall” (impact) seit einigen Jahren wechselseitig.<br />
Die, wie die Herausgeber sie nennen, “islamische<br />
Gemeinschaft” bilde eine starke (profo<strong>und</strong>) Herausforderung<br />
für die britische Gesellschaft. Der Nahe<br />
Osten, in dem das Britische Empire einst eine hervorragende<br />
Macht gewesen sei, spiele nun eine beherrschende<br />
Rolle in Britannien (S. VIII).<br />
Unter den Beiträgen, die größtenteils entweder einen<br />
Überblick über den Forschungsst<strong>and</strong> des jeweiligen<br />
Themas oder Zusammenfassungen von Büchern<br />
des jeweiligen Autors bieten, sind einige das Ergebnis<br />
182<br />
jüngster Forschungen <strong>und</strong> verdienen daher besondere<br />
Beachtung. Verdienstvoll erscheint auch die abermalige<br />
Erinnerung an die entscheidende Rolle Britanniens<br />
bei der Bildung des nahöstlichen Staatensystems<br />
<strong>und</strong> als Grenzzieher nach dem Ersten Weltkrieg in<br />
den Gebieten vom Mittelmeer über den Irak bis zum<br />
Golf. Auf die historische Verantwortung für die aus<br />
diesen Eingriffen entst<strong>and</strong>enen, bis heute ungeregelten<br />
Konflikte warten die Betroffenen, an erster Stelle<br />
die Palästinenser, bis heute jedoch vergeblich.<br />
Rima Ginat <strong>und</strong> Meir Noema, beide in der Abteilung<br />
für Politische Wissenschaften der Bar Ilan-<br />
Universität tätig, fördern in ihrem historischen Überblick<br />
unter dem programmatischen Titel „The Egyptian<br />
Jewel in the British Imperialist Crown: An Overview<br />
(882-1956)“ einige neue Aspekte des nicht unerforschten<br />
Themas. Sie ordnen die Besetzung des L<strong>and</strong>es<br />
der “Konservativen Idee” des Imperialismus zu,<br />
deren Inbegriff Rudyard Kiplings Gedicht von der<br />
„Bürde“ des weißen Mannes (1899) geworden ist. Für<br />
die Autoren ist die Anmaßung rassischer Überlegenheit<br />
im Westen Hauptmerkmal (key feature) der Konservativen<br />
Theorie. Vorstellungen, so ließe sich hinzufügen,<br />
die bis heute verbreitet sind – nicht nur in<br />
Kreisen der politischen Rechten Britanniens – <strong>und</strong><br />
beigetragen haben zu den militärisch-politischen<br />
Verwicklungen im Irak <strong>und</strong> in Afghanistan, wie die<br />
<strong>and</strong>auernden offiziellen Untersuchungen <strong>und</strong> Debatten<br />
immer deutlicher machen.<br />
Dem britischen Imperialismus in Ägypten bescheinigen<br />
Ginat <strong>und</strong> Noema einzigartige Merkmale: Das<br />
L<strong>and</strong> sollte als entscheidendes Verbindungsstück in<br />
einer langen Reihe überseeischer, von Britannien direkt<br />
oder indirekt kontrollierter Territorien dienen,<br />
namentlich dem Schutz britischer Interessen in Indien.<br />
Allmählich wurde es jedoch zu einem “Juwel in der<br />
Krone” von besonderer Art, vor allem in der Zeit nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg, als mit dem Ausbruch des<br />
Kalten Krieges seine strategische Bedeutung beträchtlich<br />
zunahm. Indien sei, so räumen die Verfasser ein,<br />
zum “Juwel der Krone” geworden, der Suez-Kanal<br />
habe diesen “Juwel” jedoch heller glitzern lassen. Sie<br />
zitieren den Economist aus dem Jahr der Kanaleröffnung<br />
(1869) mit der Bemerkung, der Kanal sei mit<br />
französischer Energie <strong>und</strong> ägyptischem Geld zum<br />
Vorteil Britanniens gebaut worden (S. 179f.). Mit seinem<br />
Vorgehen, das allein den Interessen Britanniens<br />
diente, habe Lord Cromer, Generalgouverneur <strong>und</strong><br />
praktisch unumschränkter Herrscher des Lanes, unbewusst<br />
jedoch die Saat des ägyptischen Nationalismus<br />
gelegt, so halten ihm die Autoren vor (S. 182).<br />
Ohne Cromer kein Sa’d Zaghul <strong>und</strong> Gamal Abdal<br />
Nasir, so zitieren sie den amerikanischen Politologie-<br />
Professor Michael Hudson (S. 194).<br />
Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges, in dem Britannien<br />
das Ende des “kranken Mannes am Bosporus”<br />
beschleunigt <strong>und</strong> vom “strategischen” zum “militärischen”<br />
Imperialismus umgeschaltet habe, sei Ägypten<br />
zum entscheidenden Faktor geworden, um Britanniens<br />
Interessen im Nahen Osten zu wahren, für die<br />
Ägypter hatte der Krieg freilich verheerende Auswirkungen<br />
infolge des Ausnahmezust<strong>and</strong>es <strong>und</strong> der Rek-