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4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations

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REZENSIONEN BOOK REVIEW<br />

Ohne Menschenrechte wie die Glaubens- <strong>und</strong> Meinungsfreiheit<br />

gibt es nicht die Möglichkeit der Entwicklung<br />

(d.h. von Leben) innerhalb der Doktrin einer<br />

Religion.“ (S. 357-8). In diesem Zitat wird nicht nur<br />

einer der wesentlichen Ausgangspunkte in Abdullahi<br />

an-Nai´ms (*1946) islamischem Denken angesprochen,<br />

sondern auch die traurige Realität vieler Schiiten<br />

in Ostsaudiarabien <strong>und</strong> Pakistan sowie einiger<br />

Sunniten im Iran (S. 363). Damit will der sudanesisch-amerikanische<br />

Jurist nicht zuletzt betonen, wie<br />

sehr die Religion sowohl von den Menschenrechten<br />

als auch vom Säkularismus abhängt. Die Trennung<br />

von Kirche <strong>und</strong> Staat hält er für notwendig für die<br />

Ges<strong>und</strong>heit der Religionen (S. 359), weil Menschen<br />

nicht wahrhaftig glauben können, solange der Unglaube<br />

keine Option ist (S. 361).<br />

Die Glaubensfreiheit werde u.a. durch Koranvers<br />

(18:29) bestätigt, in dem es heißt: „Darum lass den<br />

gläubig sein, der will, <strong>und</strong> den ungläubig sein, der<br />

will.“ Wenn an-Na´im von secularism spricht, dann<br />

meint er damit nicht, dass man nicht aus religiösen<br />

Motiven politisch agieren darf, was ja ohnehin schwer<br />

herauszufinden ist (S. 362). Er tritt nicht für einen anti-religiösen<br />

Säkularismus ein, sondern für ein positives<br />

Verhältnis zwischen Religion <strong>und</strong> Staat, der sich<br />

gegenüber den verschiedenen Religionsgemeinschaften<br />

fair <strong>und</strong> neutral zu verhalten hat. An-Na´im unterstreicht,<br />

dass der Begriff „islamischer Staat“ ein Widerspruch<br />

in sich sei: Sobald irgendeine Verhaltensweise<br />

vom Staat aufgezwungen wird, hört sie automatisch<br />

auf, zum Normensystem des Islams zu gehören<br />

(S. 363). Ein angeblich „islamischer Staat“ untergräbt<br />

mit seinen Menschenrechtsverletzungen nicht nur die<br />

Vorstellung von „islamischem Regieren“, sondern sogar<br />

die Gültigkeit des Islams (S. 368).<br />

Der Völkerrechtler an-Na´im unterscheidet zudem<br />

zwischen einer traditionellen Islam-Ausübung, die nur<br />

teilweise mit den Menschenrechten zu vereinbaren ist,<br />

<strong>und</strong> einer progressiven Islam-Ausübung, die mit den<br />

human rights harmoniert. MuslimInnen versucht er zu<br />

überzeugen, dass die progressive Islam-Ausübung die<br />

authentischere ist, während er Menschenrechts-<br />

Befürwortern klar machen möchte, dass eine islamische<br />

Rechtfertigung für die Akzeptanz der Menschenrechte<br />

in mehrheitlich-muslimischen Gesellschaften<br />

von großer Bedeutung ist. Die Menschenrechte <strong>und</strong><br />

die Religion brauchen ein<strong>and</strong>er (S. 354): Werden die<br />

Menschenrechte theologisch als „inakzeptable Neuerung“<br />

(bid´a) betrachtet (S. 359), stoßen sie auf breite<br />

Ablehnung, insbesondere wenn die human rights mit<br />

jenen Ländern identifiziert werden, deren Staaten<br />

mehrheitlich-muslimische Regionen ausgebeutet <strong>und</strong><br />

gedemütigt haben.<br />

An-Na´im hält es für falsch, die Menschenrechtsidee<br />

den englischen Bill of Rights, der amerikanischen<br />

Unabhängigkeitserklärung <strong>und</strong> Verfassung sowie der<br />

französischen Erklärung der Menschen- <strong>und</strong> Bürgerrechte<br />

zuzuschreiben, weil sich diese Rechte nur auf<br />

die Bürger bestimmter Staaten bezogen <strong>und</strong> nicht auf<br />

alle Menschen. Bekräftigt wird dies durch die brutale<br />

koloniale Expansion Engl<strong>and</strong>s <strong>und</strong> Frankreichs in Afrika<br />

<strong>und</strong> Asien, die zeitlich mit diesen Dokumenten<br />

einhergingen. In den USA bedurfte es eines Bürgerkriegs<br />

<strong>und</strong> Verfassungsänderungen, um fast 100 Jahre<br />

nach der Unabhängigkeit die Sklaverei abzuschaffen,<br />

während der Völkermord an den amerikanischen Ureinwohnern<br />

bis ins 20. Jhd. hineinreichte (S. 334).<br />

Da die Diskriminierung von Frauen leider häufig<br />

mit religiösen Gründen gerechtfertigt wird, können<br />

diese groben Menschenrechtsverletzungen nicht beseitigt<br />

werden, ohne ihre angeblich religiöse Begründung<br />

anzusprechen (S. 353). Was sich heute viele nur<br />

schwer vorstellen können, ist dass die Scharia lange<br />

einen positiven Einfluss auf die Frauenrechte hatte:<br />

Dieses Rechtssystem aus dem 7. Jhd. machte aus allen<br />

muslimischen Frauen unabhängige juristische Personen,<br />

verlieh ihnen die Verfügungsgewalt über ihren<br />

Besitz, einen bestimmten Anteil am Erbe sowie den<br />

Zugang zu Bildung. Die Scharia schränkte die Polygamie<br />

ein, räumte der Ehefrau das Scheidungsrecht<br />

ein <strong>und</strong> garantierte ihr das Recht auf Lebensunterhalt<br />

<strong>und</strong> anständige Beh<strong>and</strong>lung. Bis zum 19. Jhd. bräuchte<br />

die Scharia keinen Vergleich mit <strong>and</strong>eren Rechtssystemen<br />

zu scheuen (S. 269). Was an-Na´im dagegen<br />

stark kritisiert, ist wenn versucht wird, die historische<br />

Scharia heute wiedereinzuführen, da sie mit den heute<br />

geltenden Menschenrechtsst<strong>and</strong>ards nicht übereinstimmt<br />

(S. 27).<br />

Die nicht immer leicht zu verstehende juristische<br />

Sprache dieses Buches macht der einw<strong>and</strong>freie Inhalt<br />

wieder wett. Andernfalls sei auf an-Nai´ims äußerst<br />

empfehlenswertes Islam <strong>and</strong> the Secular State hingewiesen,<br />

ebenso wie auf seine Übersetzung The Second<br />

Message of Islam, in der die Islam-Interpretation seines<br />

beeindruckenden Lehrers Mahmud Muhammad<br />

Taha (1909-85) verdeutlicht wird.<br />

Luay Radhan, Heidelberg<br />

� � �<br />

Angern, Wolf-Hagen von (2010): Geschichtskonstrukt<br />

<strong>und</strong> Konfession im Libanon. – Logos: Berlin,<br />

482 S.<br />

Nothing to say about the war<br />

Don’t feel that I am typical Lebanese<br />

Nor typical Arab<br />

Have nothing to do with Phoenicians<br />

Not ready to defend the Palestinian cause<br />

Know almost nothing about politics<br />

Often contradict myself<br />

Diesen Vers der libanesischen Künstlerin Mounira<br />

al-Solh stellt der Autor an den Anfang seines Werkes<br />

<strong>und</strong> greift damit trefflich auf den Nucleus, oder besser<br />

die Nuclei libanesischer Identität(en) vor. Was bedeutet<br />

es Libanese zu sein? Wie konstituiert sich libanesische<br />

Identität? Diese Fragen können unmöglich eindimensionale<br />

Antworten zur Folge haben. Der Libanon<br />

beherbergt in einzigartiger Weise eine Vielzahl<br />

konfessioneller Gruppen auf engstem Raum. Neben<br />

orthodoxen Sunniten <strong>und</strong> Zwölferschiiten existiert in<br />

diesem L<strong>and</strong> die in Relation zur Bevölkerungszahl<br />

größte Gruppe von Christen im Vorderen Orient. Daneben<br />

findet sich die zwar kleine, aber sehr einfluss-<br />

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