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4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations

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REZENSIONEN BOOK REVIEW<br />

zweite <strong>und</strong> das dritte Kapitel, mit den analogen Titeln<br />

Sunni bzw. Shi’ite Islamist political groups, haben<br />

jeweils durchwegs enzyklopädischen Charakter. Hierbei<br />

werden in im Wesentlichen chronologischer Reihenfolge<br />

die jeweiligen in Kuwait aktiven islamistischen<br />

bzw. stark islamisch konnotierten Gruppierungen<br />

<strong>und</strong> Parteien vorgestellt <strong>und</strong> ihre Rolle im politischen<br />

<strong>und</strong> gesellschaftlichen Leben skizziert. Dies<br />

umfasst lokale Ableger transnationaler Gruppen wie<br />

die Muslimbrüder genauso wie zahlreiche lokale Initiativen<br />

wie etwa eine Reihe salafitisch bzw. schiitisch-revolutionär<br />

geprägte Initiativen. Danach widmen<br />

sich zwei Kapitel dem Verhältnis zwischen dem<br />

kuwaitischen Regime <strong>und</strong> eben solchen politischen<br />

Gruppen sowie deren kontinuierlicher Ausbreitung in<br />

der Gesellschaft. Schließlich konzentrieren sich die<br />

letzten drei Kapitel auf den Gewaltaspekt, zuerst in<br />

Hinblick auf das Verhältnis zwischen islamistischen<br />

politischen Gruppen <strong>und</strong> religiöser Gewalt sowie internationalem<br />

Terrorismus, <strong>und</strong> danach, wiederum in<br />

enzyklopädischer Manier, durch Auflistung bewaffneter<br />

sunnitischer bzw. schiitischer dschihadistischer<br />

Gruppen <strong>und</strong> ihrer Aktivitäten.<br />

Der Autor ist offensichtlich ein ausgewiesener Spezialist<br />

auf dem Gebiet der kuwaitischen politischen<br />

Szenerie seit der Unabhängigkeit. Die Auflistung <strong>und</strong><br />

Darstellung einer wahren Flut von islamistischen <strong>und</strong><br />

explizit islamisch geprägten Gruppen <strong>und</strong> Parteien<br />

<strong>und</strong> ihrer Hintermänner, zeugt durchaus von großer<br />

Akribie <strong>und</strong> vor allem auch von intensiver Arbeit mit<br />

großen Mengen grauer bzw. nur lokal verfügbarer Literatur.<br />

Insbesondere unter den schiitischen Gruppen<br />

stößt man auf eine ganze Reihe von obskuren kurzlebigen,<br />

teils aus dem Exil operierenden Gruppen. Von<br />

bedeutend größerem Interesse als die enzyklopädischen<br />

Enumera<strong>tionen</strong> ist allerdings die Darstellung<br />

der folgenreichen Instrumentalisierung <strong>und</strong> Patronage<br />

islamistischer politischer Gruppen durch das Regime<br />

zur Schwächung liberaler, nationalistischer <strong>und</strong> linker<br />

Kräfte. Damit verb<strong>und</strong>en ist auch das gleichsam frustrierende<br />

wie erhellende Schlaglicht auf die dadurch<br />

ermöglichte Bedrohung lokaler liberaler Intellektueller<br />

<strong>und</strong> Künstler sowie die erfolgreiche Infiltration<br />

weiter Teile des Bildungsbereiches <strong>und</strong> die Politik<br />

160<br />

<strong>und</strong> Stimmungsmache durch fatawa <strong>und</strong> hisba. Im<br />

Bezug auf den Gewaltaspekt sind sowohl die vermutlich<br />

beinahe lückenlose Chronologie islamistisch gerechtfertigter<br />

Terrorakte sowie die Verdeutlichung der<br />

transnationalen Aspekte sowohl des lokalen sunnitischen<br />

als auch des schiitischen Terrors relevant.<br />

Das Buch weist jedoch auch eine ganze Reihe eklatanter<br />

Mängel auf. Unabhängig vom Inhalt leidet es<br />

unter dem sehr schlechten Englisch, oftmals ungenauen<br />

<strong>und</strong> inkongruenten Übersetzungen sowie einem<br />

selten gesehenen orthographischen Chaos im Bereich<br />

der Umschrift arabischer Termini <strong>und</strong> Namen, welche<br />

jeglichen Versuch einer St<strong>and</strong>ardisierung sowie jegliche<br />

Sorgfalt vermissen lässt. Die Lektüre der enzyklopädischen<br />

Teile ist naturgemäß lähmend, sofern<br />

nicht als quasi-Lexikon gelesen. Wenngleich die Analyse<br />

von Parteiprogrammen <strong>und</strong> ähnlichen Selbstdarstellungen<br />

an sich ein notwendiges <strong>und</strong> löbliches Unterfangen<br />

darstellt, gewinnt deren beständige Wiedergabe<br />

im Falle jeder einzelnen Gruppe schnell einen<br />

äußert repetitiven Charakter, da Ideale, ausgewiesene<br />

Ziele <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>werte der Gruppen ja hauptsächlich<br />

sehr ähnlich oder sogar identisch sind. Die Wähler<br />

bzw. Unterstützer der jeweiligen Gruppen <strong>und</strong> ihre<br />

Motive sind durchwegs absent. Junge Unterstützer<br />

militanter Gruppen werden häufig als Opfer von Gehirnwäsche<br />

bezeichnet, ohne weiter auf etwaige Frustra<strong>tionen</strong><br />

oder begünstigende strukturelle Faktoren<br />

einzugehen. Immer wieder kommen starke Generalisierungen<br />

à la „The graduates from this college were<br />

advocates of extremism“ (S. 126) vor. Die historischen<br />

<strong>und</strong> theologischen Hintergründe von Gruppen<br />

wie Akhbaris <strong>und</strong> „Alosuliya (F<strong>und</strong>amentalists)“ (S.<br />

79) scheinen dem Autor gänzlich unbekannt zu sein.<br />

Der theoretische Teil zum Thema Islamismus <strong>und</strong><br />

Gewalt ist einigermaßen unergiebig <strong>und</strong> krankt beispielsweise<br />

auch daran, dass dem Leser vermittelt<br />

wird, die (ägyptischen) Muslimbrüder hätten seit jeher<br />

ein gleich bleibend positives Verhältnis zum Einsatz<br />

von Gewalt zur Erreichung ihrer Ziele. Unergiebig ist<br />

auch die aus gerade einmal einer Seite bestehende<br />

Conclusio des Werkes.<br />

Ungeachtet dieser Mängel, stellt das Buch eine Bereicherung<br />

unseres Wissens zum Islamismus in einem<br />

vergleichsweise vernachlässigten L<strong>and</strong> der arabischen<br />

Welt dar. Außerdem ist es offensichtlich das Werk eines,<br />

ob der detaillierten Entwicklungen, zu Recht<br />

frustrierten Repräsentanten der liberalen, demokratischen<br />

Intellektuellen Kuwaits.<br />

Philipp H. Bruckmayr, Linz<br />

� � �<br />

An-Nai´im, Abdullahi, Mashood A. Baderin<br />

(Hrsg., 2010): Islam <strong>and</strong> Human Rights, Selected<br />

Essays of Abdullahi An-Na´im. - Ashgate: Farnham,<br />

Engl<strong>and</strong>/Burlington, Vermont, USA, 372 S.<br />

„Jede orthodoxe Regel, die Gläubige heute für selbstverständlich<br />

halten, begann als Ketzerei aus der Sicht<br />

einer <strong>and</strong>eren orthodoxen Doktrin <strong>und</strong> wird möglicherweise<br />

von Gläubigen eines großen Zweiges derselben<br />

Religion immer noch als ketzerisch betrachtet.

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