4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations
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REZENSIONEN BOOK REVIEW<br />
Das vorliegende Werk von Andreas Gorzewski ist<br />
seine Dissertation. Gorzewski studierte Islamwissenschaft,<br />
Evangelische Theologie <strong>und</strong> Jüdische Studien<br />
in Heidelberg. Seine <strong>Dissertations</strong>schrift verfasste er<br />
von 2004 bis 2009 im Fachbereich Islamwissenschaft<br />
der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität<br />
Bonn.<br />
Er zielt mit seiner Arbeit darauf, die „verschiedenen<br />
Verortungen des Alevitentums innerhalb <strong>und</strong> außerhalb<br />
des Islam aus alevitischen Perspektiven zu dokumentieren,<br />
nach ihrer Bedeutung für die kollektive<br />
Identität der Aleviten zu befragen <strong>und</strong> die sich daraus<br />
ergebenden Konsequenzen zu diskutieren“ (S. 13).<br />
Die Untersuchungsregionen bilden Deutschl<strong>and</strong> <strong>und</strong><br />
die Türkei, da seiner Ansicht nach, die Rahmenbedingungen<br />
zwar unterschiedlich, aber die beiden Kernfragen<br />
in beiden Ländern identisch sind: Die Kernfragen<br />
bilden, was eigentlich Alevitentum vor allem in<br />
Beziehung zum sunnitischen <strong>und</strong> schiitischen Islam<br />
ist <strong>und</strong> wer die Interessen der Aleviten gegenüber Politik<br />
<strong>und</strong> Öffentlichkeit vertreten darf (vgl. S. 12).<br />
Die zu untersuchenden Akteure grenzt Gorzewski so<br />
ein, dass er in seiner Arbeit nur das Alevitentum aus<br />
dem Gebiet der Türkei einbezieht. Er schreibt dazu im<br />
Detail: „Damit sind neben den türkischsprachigen<br />
auch die Kurmanci oder Zaza sprechenden Aleviten in<br />
Anatolien gemeint. Einige alevitische Autoren verstehen<br />
den Begriff Alevitentum in einem umfassenderen<br />
Sinn <strong>und</strong> beziehen auch die Zaiditen, Ismailiten <strong>und</strong><br />
die Zwölferschiiten ein, die sich ebenfalls in der einen<br />
oder <strong>and</strong>eren Form auf Imam Ali berufen. Sie sollen<br />
im Weiteren jedoch nicht gemeint sein, wenn von<br />
Aleviten die Rede ist.“ (S. 23)<br />
Gorzewski hebt hervor, dass allgemein akzeptierte<br />
objektive <strong>und</strong> normative Kriterien zur Definition von<br />
Islam <strong>und</strong> Alevitentum fehlen. Daher wertet<br />
Gorzewski in seiner Untersuchung „die unterschiedlichen<br />
Verhältnisbestimmungen als Aussagen von Akteuren<br />
..., die divergierende Konzepte von alevitischer<br />
Identität vertreten.“ (S. 14)<br />
Bezogen auf den Forschungsst<strong>and</strong> zum Thema weist<br />
er darauf hin, dass solch eine Forschungsarbeit fehlt<br />
(vgl. S. 18).<br />
In seiner Arbeit geht er von zwei Thesen aus: Seiner<br />
ersten These zufolge seien im religiös-politischen<br />
Diskurs über das Alevitentum in Deutschl<strong>and</strong> teilwei-<br />
se <strong>and</strong>ere Identitätskonzepte <strong>und</strong> Perzep<strong>tionen</strong> von<br />
Alevitentum dominant als im Diskurs in der Türkei.<br />
Er weist hier dabei hin, dass dafür die jeweiligen gesellschaftlichen,<br />
rechtlichen <strong>und</strong> politischen Kontexte<br />
eine Rolle spielen dürften. Und dass ein Großteil „der<br />
alevitischen Akteure in der Türkei trotz einer Betonung<br />
der religiösen Eigenständigkeit doch die Nähe<br />
zum Islam <strong>und</strong> zum offiziell vertretenen Bild von<br />
Türkentum“ suchen würden (vgl. S. 21). Diese Ansicht<br />
würden auch Martin Sökefeld <strong>und</strong> Krisztina<br />
Kehl-Bodrogi verfolgen, die ebenso in umgekehrter<br />
Richtung davon ausgehen wie Gorzewski, dass ein<br />
beträchtlicher Teil der alevitischen Akteure in<br />
Deutschl<strong>and</strong> eher eine Unabhängigkeit gegenüber<br />
dem Islam betonen würde (vgl. S. 21).<br />
In seiner zweiten These stellt Gorzewski fest, dass<br />
„die Verhältnisbestimmung zum Islam zwar essenziell<br />
ist für die kollektive Identität der Aleviten, zugleich<br />
aber durch die unterschiedlichen Grade der Abgrenzung<br />
<strong>und</strong> durch politische Aspekte zu einer dauerhaften<br />
Spaltung der alevitischen Bewegung“ führen werde<br />
(S. 21).<br />
Gorzewski weist in seinen einleitenden Worten darauf<br />
hin, dass er in seiner Arbeit keine konkreten<br />
quantitativen Aussagen darüber machen könne, in<br />
welchem Maße die Autoren, die er anführt, eine<br />
Mehrheits- oder Minderheitsmeinung vertreten. Er<br />
möchte lediglich Tendenzen innerhalb des ausgewerteten<br />
Quellenmaterials unter den Aleviten in Deutschl<strong>and</strong><br />
<strong>und</strong> der Türkei wiedergeben (vgl. S. 23).<br />
In seiner Gliederung geht er nach einleitenden Erläuterungen<br />
wie zum Forschungsst<strong>and</strong>, zur Fragestellung<br />
<strong>und</strong> zur Methode im ersten Kapitel, auf „das<br />
Alevitentum in der Türkei“ im zweiten Kapitel ein.<br />
Hierbei führt er u.a. die Haci Bektas Veli-<br />
Organisa<strong>tionen</strong>, die Pir Sultan Abdal-Organisa<strong>tionen</strong>,<br />
die Cem Stiftung, die Ehl-i-Beyt-Stiftung <strong>und</strong> alevitische<br />
Dachverbände auf.<br />
Im dritten Kapitel geht er auf „das Alevitentum in<br />
Deutschl<strong>and</strong>“ ein. Auch hier führt er Organisa<strong>tionen</strong><br />
wie die Cem-Stiftung, die Ehl-i-Beyt-Stiftung, die<br />
Alevitische Gemeinde Deutschl<strong>and</strong> e.V. (AABF) als<br />
einige der wichtigsten Vertreter für das Alevitentum<br />
in Deutschl<strong>and</strong> auf. Sowohl im zweiten als auch im<br />
dritten Kapitel bezieht er die Haltung der Religionsbehörde<br />
(DIB, Diyanet İşleri Başkanlığı) in der Türkei<br />
<strong>und</strong> der Türkisch-islamischen Union der Anstalt<br />
für Religion (DITIB – Diyanet İşleri Türk İslam Birliği)<br />
in Deutschl<strong>and</strong> zur Frage der Aleviten mit ein.<br />
Im vierten Kapitel untersucht Gorzewski die „kollektive<br />
Identität <strong>und</strong> die Verhältnisbestimmung zum<br />
Islam in Einzelaspekten“ wie zu Namaz <strong>und</strong> Cem-<br />
Zeremonie, Moschee <strong>und</strong> Cemhaus, Ramadan-Fasten<br />
<strong>und</strong> Muharrem-Fasten, Zekat <strong>und</strong> solidarisches Teilen,<br />
Pilgerfahrt etc.<br />
Sodann folgen im fünften Kapitel die „pauschalen<br />
Verhältnisbestimmungen, die eine Zugehörigkeit zum<br />
Islam betonen“ wie das Alevitentum als mezhep, als<br />
tarikat, als eine Auslegung des Islam (yorum/yol/kol)<br />
als eine spezifische anatolische Auslegung des Islam,<br />
als das „Wesen des Islam“ in Anlehnung an die Zwölferschia,<br />
als „heterodoxer“ Glaube etc.<br />
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