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4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations

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REZENSIONEN BOOK REVIEW<br />

Scharons als ein “Mann des Friedens” <strong>und</strong> meint,<br />

nach Bushs Einsicht (by his lights) sei er das vermutlich<br />

auch gewesen. Doch nach jedem vernünftigen<br />

Maßstab sei er vielmehr ein Mann des Krieges gewesen.<br />

“Er war ein Meister (champion) gewaltsamer Lösungen,<br />

der einseitig vorging (unilateralist), ein jüdischer<br />

Rambo. Scharon personifizierte die brutalsten,<br />

kolonialistischsten, reaktionärsten <strong>und</strong> rassistischsten<br />

Tendenzen im Zionismus.” Shlaim wirft der Regierung<br />

Scharons vor, die in den Oslo-Vereinbarungen<br />

vorgesehenen Verh<strong>and</strong>lungen über den endgültigen<br />

Status der besetzten Gebiete verhindert zu haben.<br />

Statt dessen habe die Regierung jüdische Siedlungen<br />

erweitert, palästinensische Häuser abgerissen, eine<br />

“Sicherheitsbarriere” (security barrier) errichtet, die<br />

Palästinensische Autonomiebehörde (Palestinian Authority)<br />

untergraben <strong>und</strong> das Westjordanl<strong>and</strong> in eine<br />

Ansammlung von Enklaven ohne territoriale Verbindungen<br />

mitein<strong>and</strong>er zerteilt.<br />

Das Ziel dieses Vorgehens sei “Politizid” (politicide)<br />

gewesen, nach der Definition des israelischen Soziologen<br />

Baruch Kimmerling der systematische Versuch,<br />

ein Volk, die Palästinenser, als eine eigenständige<br />

politische <strong>und</strong> gesellschaftliche Entität allmählich<br />

auszulöschen (annihilate). Unter Scharons Nachfolger<br />

Ehud Olmert erreichte nach Shlaims Worten<br />

die Politik, Diplomatie zu vermeiden <strong>und</strong> sich ausschließlich<br />

auf militärische Macht zu verlassen, ihren<br />

Höhepunkt im Angriff auf den Gaza-Streifen Ende<br />

Dezember 2008 (S. XIIIf.). In einer Besprechung von<br />

Kimmerlings Buch “Politicide: Ariel Sharon’s War<br />

Against the Palästinas” (2004) macht Shlaim Bushs<br />

Unterstützung Scharons mitverantwortlich für das<br />

Vorgehen der am meisten rechtsgerichteten Regierung<br />

in der Geschichte Israels. Für Shlaim besteht die Tragödie<br />

dieser Politik darin, dass Bush <strong>und</strong> Scharon, um<br />

ihre innenpolitische Machtbasis abzusichern, die Zukunft<br />

Israels, der Palästinenser <strong>und</strong> des gesamten Nahen<br />

Ostens gefährdet haben (S. 293).<br />

Analysierend <strong>und</strong> kommentierend verfolgt Shlaim<br />

die Geschehnisse in <strong>und</strong> um Israel auch nach Abschluss<br />

seines Sammelb<strong>and</strong>es. Zum Jahrestag des israelischen<br />

Angriffs auf Gaza beklagte er in der Londoner<br />

Tageszeitung The Guardian (3.2.2010), dass<br />

dieses Territorium, eines der am dichtesten besiedelten<br />

der Welt, sich weiterhin am R<strong>and</strong> einer humanitären<br />

Katastrophe bewege (teeter). Die illegale Blockade<br />

Israels seit Juni 2007 beschränke die Zufuhr nicht<br />

nur von Waffen, sondern auch von Lebensmitteln,<br />

Treibstoff <strong>und</strong> Medikamenten unterhalb des notwenigen<br />

Mindestmaßes für ein normales Alltagsleben. Die<br />

“Mauer der Sch<strong>and</strong>e” an der Grenze zu Ägypten vollende<br />

die Verw<strong>and</strong>lung von Gaza in einer “Freiluftgefängnis”<br />

(open-air prison): das grausamste Beispiel<br />

konzertierter israelisch-ägyptisch-amerikanischer Politik,<br />

um Hamas zu isolieren <strong>und</strong> davon abzuhalten,<br />

den palästinensischen Kampf für Selbstbestimmung<br />

zu führen.<br />

Dem ehemaligen britischen Premierminister Blair<br />

bescheinigte er öffentliches Komplizentum mit Bushs<br />

schriftlicher Versicherung, dass Israel größere Siedlungsblöcke<br />

im Westjordanl<strong>and</strong> behalten könne – “der<br />

210<br />

unerhörteste britische Verrat an den Palästinensern<br />

seit der Balfour-Erklärung von 1917”. Blairs Versäumnis,<br />

für palästinensische Unabhängigkeit einzustehen,<br />

mache ihn, so warf Shlaim ihm vor, dem israelischen<br />

Establishment wert <strong>und</strong> lieb. Die Verleihung<br />

eines Preises der Universität Tel Aviv für seine<br />

“außergewöhnliche Intelligenz <strong>und</strong> Voraussicht” sowie<br />

seine “moralische Kühnheit <strong>und</strong> Führung” nannte<br />

Shlaim absurd angesichts von Blairs stillschweigender<br />

Komplizenschaft mit Israels <strong>and</strong>auernden Verbrechen<br />

am palästinensischen Volk.<br />

In einem Kommentar unter dem Titel “Schließt den<br />

Geldhahn, <strong>und</strong> Israel mag sich benehmen” (Cut off<br />

the cash <strong>and</strong> Israel might behave) in der Sonntagsausgabe<br />

der Zeitung The Independent (21.03.2010) kritisierte<br />

Shlaim die amerikanisch-israelischen Beziehungen,<br />

die er in seinem Sammelb<strong>and</strong> mehrfach als<br />

höchst ungleich beschreibt (the tail that wags the<br />

dog). Amerikas beispiellose Großzügigkeit gegenüber<br />

seinem Juniorpartner sei das Ergebnis gefühlvoller<br />

Anhänglichkeit (sentimental attachment) <strong>und</strong> gemeinsamer<br />

Werte. Israel präsentiere sich als eine Insel der<br />

Demokratie in einem Meer von Autoritarismus (authoritarianism),<br />

seine H<strong>and</strong>lungsweise habe diese<br />

Vorstellung jedoch in Stücke zerrissen. Israel sei auf<br />

gutem Wege, zu einem Ausgestoßenen (pariah state)<br />

zu werden. Während des Kalten Krieges habe Israel<br />

sich als strategischer Faktor (strategic factor) eingebracht,<br />

um dem sowjetischen Vordringen in den Nahen<br />

Osten Einhalt zu gebieten, seit dem Ende des Kalten<br />

Krieges sei Israel jedoch eher zu einer Belastung<br />

(liability) für die Vereinigten Staaten geworden.<br />

Amerikas lebensnotwendige Interessen liegen auch<br />

nach Shlaims Verständnis am Persischen Golf. Um<br />

den Zugang zum Öl zu sichern, seien die Amerikaner<br />

auf den guten Willen der Araber angewiesen. Da bilde<br />

Israel eine größere Belastung infolge seiner Besetzung<br />

palästinensischen L<strong>and</strong>es <strong>und</strong> seiner brutalen<br />

Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung. Er<br />

zitierte General Petraeus, den Oberkomm<strong>and</strong>ierenden<br />

des Central Comm<strong>and</strong>, mit der Bemerkung, der israelisch-palästinensische<br />

Konflikt sei die Wurzel (root<br />

cause) der Instabilität im Nahen Osten <strong>und</strong> in Asien<br />

<strong>und</strong> fache antiamerikanische Gefühle infolge der<br />

Wahrnehmung amerikanischer Begünstigung Israels<br />

an. Vizepräsident Biden – der als höchstrangiger<br />

Fre<strong>und</strong> Israels in der Obama-Regierung gilt – habe<br />

den Israelis “privat” klargemacht, ihre Unnachgiebigkeit<br />

untergrabe Amerikas Glaubwürdigkeit bei den<br />

Arabern <strong>und</strong> Muslimen <strong>und</strong> gefährde das Leben von<br />

Amerikanern im Irak <strong>und</strong> in Afghanistan. Shlaim<br />

empfahl den Amerikanern, den wirtschaftlichen Hebel<br />

anzusetzen, um Netanyahu zu sinnvollen Verh<strong>and</strong>lungen<br />

mit den Palästinensern über eine Zweistaatenlösung<br />

zu zwingen.<br />

Das israelische Komm<strong>and</strong>ounternehmen gegen<br />

Schiffe mit propalästinensischen Aktivisten <strong>und</strong><br />

Hilfsgütern für die Bevölkerung des Gaza-Streifens<br />

am 31. Mai 2010 trieb Shlaim abermals zur Feder. In<br />

einem Kommentar, den das Boulevardblatt Daily Mirror<br />

tags darauf in einer gekürzten Fassung veröffentlichte,<br />

äußerte er seine Empörung über den wahnsin-

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