4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations
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DISSERTATIONEN DISSERTATIONS<br />
welche Weisen werden dabei Eigenes <strong>und</strong> Anderes<br />
regelmäßig beschrieben, vonein<strong>and</strong>er abgegrenzt <strong>und</strong><br />
zuein<strong>and</strong>er positioniert? Welche Orientierungsangebote<br />
werden durch die imaginativen Geographien<br />
gemacht?<br />
Zur Bearbeitung der Fragestellung werden die<br />
Printmedien al-Hayat, al-Quds al-Arabi <strong>und</strong> Asharq<br />
Alawsat als Fallbeispiele herangezogen, da sie jeweils<br />
ein relativ breites Meinungsspektrum zulassen <strong>und</strong> in<br />
diesem Sinne zu den offensten Foren für gesellschaftspolitische<br />
Diskussion im arabischen Mediensystem<br />
zählen. Außerdem h<strong>and</strong>elt es sich um Qualitäts-<br />
<strong>und</strong> Prestigemedien, die über einen sehr hohen<br />
Einfluss im gesamten arabischen Mediensystem verfügen,<br />
sodass die hier diskutierten Themen <strong>und</strong> Inhalte<br />
in <strong>and</strong>ere, auch nationale <strong>und</strong> regionale Medien diff<strong>und</strong>ieren.<br />
Der Datenkorpus an Zeitungsartikeln wird<br />
nach dem Prinzip der maximalen Kontrastierung zusammengestellt.<br />
Operationalisiert werden Theorie <strong>und</strong><br />
Fragestellung mithilfe textanalytischer Instrumente,<br />
die sich auf Texte in arabischer Sprache zielgerecht<br />
anwenden lassen. Die im Rahmen der Medienanalyse<br />
erfolgten sprachlichen Übersetzungen aus dem Arabischen<br />
ins Deutsche werden dabei vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />
eines konstruktivistischen Konzeptes von Übersetzung<br />
reflektiert, genauso wie das gesamte Forschungsdesign<br />
selbst. Dementsprechend werden die<br />
Ergebnisse der Untersuchung als Resultat einer Vielzahl<br />
an Übersetzungen gelesen, mit denen Bedeutungsverschiebungen<br />
unvermeidbar einhergegangen<br />
sind.<br />
Die Ergebnisse der Analyse zeigen, dass „der Kampf<br />
der Kulturen“ in den untersuchten Medien nicht realistisches<br />
Szenario verh<strong>and</strong>elt wird, um Medienereignisse<br />
zu erklären – weder im Sinne Huntingtons noch im<br />
Sinne eines islamistischen Gegenbildes. Bereits die<br />
dichotomen Konstruk<strong>tionen</strong> von „Westen“ <strong>und</strong> „islamischer<br />
Welt“ lassen sich nur vergleichsweise selten<br />
auffinden. Wenn „der Westen“ auf-tritt, dann einerseits<br />
als rassistische Hegemonialmacht, die Andere –<br />
<strong>und</strong> zwar nicht nur „die islamische Welt“ – unterwirft,<br />
ausbeutet <strong>und</strong> marginalisiert. Darüber hinaus erscheint<br />
er jedoch in Bezug auf Wissenschaft, technischem<br />
Fortschritt <strong>und</strong> politischen Systemen auch als Vorbild.<br />
Diese ambivalente Konstruktion vom „Westen“ ist<br />
nicht neu; sie kann als Spur der frühen antikolonialen<br />
Diskurse gelesen werden, denn ihre Genealogie lässt<br />
sich bis auf die Anfänge der europäischen Kolonial-<br />
<strong>und</strong> M<strong>and</strong>atsherrschaften im Nahen <strong>und</strong> Mittleren<br />
Osten zurückverfolgen.<br />
Eben diese Spur zeigt sich auch in den hegemonialen<br />
imaginativen Geographien aller drei untersuchten<br />
Printmedien. Sie formieren sich zum großen Teil um<br />
den Signifikanten „USA“ herum <strong>und</strong> beschreiben<br />
diese als eine (neo)imperiale, ausbeutende Weltmacht,<br />
dem der Rest der Welt als Opfer der US-amerikanischen<br />
Politik gegenübersteht. Die USA griffen in<br />
den Raum des Eigenen hinein, überformten ihn <strong>und</strong><br />
beuteten ihn aus: durch Krieg, durch Intervention,<br />
durch die vorgeb-liche Installation demokratischer<br />
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Strukturen sowie durch illegitime <strong>und</strong> barbarische<br />
Politiken.<br />
Letztendlich sei es auch die US-amerikanische Politik,<br />
die Terrorismus schüre, unter dem nicht nur „der<br />
Westen“ leide, sondern die gesamte Welt, insbesondere<br />
auch die arabischen <strong>und</strong> muslimischen Bevölkerungsteile.<br />
Gegenüber den antikolonialen Konstruk<strong>tionen</strong><br />
Ende des 19. <strong>und</strong> Anfang des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
sind die hier ausgemachten imaginativen Geographien<br />
jedoch auch komplizierter geworden; die Grenzziehungen<br />
von Hegemonialmächten <strong>und</strong> Unterworfenen<br />
erscheinen ausdifferenzierter <strong>und</strong> in die Gesellschaften<br />
des Eigenen <strong>und</strong> des Anderen hineinverlagert.<br />
Sehr eindrücklich zeigt sich dies sowohl an den Konstruk<strong>tionen</strong><br />
von „den Anderen im Westen“ – Menschen<br />
mit Migrationshintergr<strong>und</strong>, die innerhalb der<br />
westlichen Gesellschaften marginalisiert würden –<br />
oder auch an den hegemonialen imaginativen Geographien,<br />
die sich um den Signifikanten „arabisch“ herum<br />
aufspannen. So erscheint „die arabische Welt“ nicht<br />
nur als Objekt <strong>und</strong> Opfer von (Neo)Imperialismus,<br />
(Neo)Kolonialismus, Besatzung oder Intervention,<br />
sondern auch als „unvereint“, „uneinig“’ <strong>und</strong> „zersplittert“.<br />
Arabische Staaten werden als „Verräter,<br />
„Schweigende“ oder als „Araber Amerikas“ beschrieben,<br />
die ihre „Brüder“ – vornehmlich Irak <strong>und</strong> Palästina<br />
– im Stich ließen oder gar gegen sie h<strong>and</strong>elten, da<br />
sie die USA oder Israel unterstützten. Darüber hinaus<br />
wird in allen drei Zeitungen eine deutliche Differenzachse<br />
zwischen „arabischen Regimes“ <strong>und</strong> „Volk“<br />
gezogen, wobei die Regimes als totalitär <strong>und</strong> unterdrückend<br />
charakterisiert werden. Die Unterdrückung<br />
der Völker erscheint dabei oftmals als Konsequenz<br />
aus der Unterdrückung der Regimes „von außen“.<br />
Insofern lassen sich die Grenzziehungen, die durch<br />
solche Konstruk<strong>tionen</strong> entstehen, als postkoloniale<br />
Differenzachsen begreifen: als Differenzachsen also,<br />
die aus den vormals kolonialen Verhältnissen zwischen<br />
Kolonialmacht <strong>und</strong> Kolonialisierten hervorgegangen<br />
sind <strong>und</strong> in „die arabische Welt“ hineinverlagert<br />
wurden.<br />
Eigenes <strong>und</strong> Anderes nehmen den herausgearbeiteten<br />
imaginativen Geographien sehr vielfältige Positionierungen<br />
ein, beschreiben unter-schiedliche Identitäten<br />
<strong>und</strong> werden auf verschiedenen Weisen vonein<strong>and</strong>er<br />
abgegrenzt. Trotz dieser Vielfalt <strong>und</strong> der dadurch<br />
entstehenden Heterogenität unterliegen diesen Anordnungen<br />
Regelmäßigkeiten. So werden beispielsweise<br />
in fast allen, aus dem untersuchten Material herausgearbeiteten<br />
Konstruk<strong>tionen</strong> Eigenes <strong>und</strong> Anderes in<br />
koloniale <strong>und</strong> postkoloniale Verhältnisse angeordnet,<br />
wobei das Eigene stets in der Position des Kolonialisierten,<br />
Unterworfenen, Ausgebeuteten, Marginalisierten<br />
<strong>und</strong>/oder Unterdrückten erscheint. Auffällig ist<br />
zudem eine stetige Beschreibung des Eigenen in der<br />
Position des Opfers <strong>und</strong> des Objekts. Während die<br />
antikolonialen Diskurse Ende des 19. <strong>und</strong> Anfang des<br />
20. Jahrh<strong>und</strong>erts zwar das Eigene als koloniales Opfer,<br />
jedoch auch als widerst<strong>and</strong>sfähiges Subjekt mit<br />
einer Perspektive auf Unabhängigkeit zu entwerfen