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4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations

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REZENSIONEN BOOK REVIEW<br />

Die Islamdebatte in Deutschl<strong>and</strong> hat dazu geführt,<br />

dass in hoher Taktzahl Veröffentlichungen auf den<br />

Markt geworfen werden. Viele der Publika<strong>tionen</strong> basieren<br />

weniger auf originärer wissenschaftlicher Forschung,<br />

sondern beschränken sich vielmehr auf das<br />

Reproduzieren von bereits bekanntem Basiswissen,<br />

Banalitäten <strong>und</strong> Halbwahrheiten.<br />

Von dieser Debatte weitgehend unbeachtet <strong>und</strong> unberührt<br />

findet jedoch weiterhin geistes-, gesellschafts-<br />

<strong>und</strong> geschichtswissenschaftliche Forschung über Religion,<br />

Politik <strong>und</strong> Gesellschaft in den islamischen<br />

Ländern statt. Begrüßenswert ist dabei, dass inzwischen<br />

auch bisher relativ unterbelichtete Zusammenhänge<br />

<strong>und</strong> Kontexte erschlossen werden. Ein Beitrag<br />

hierzu ist die Dissertation von Rufat Sattarov, die im<br />

Jahr 2009 in einer überarbeiteten <strong>und</strong> erweiterten Fassung<br />

erschienen ist. Es h<strong>and</strong>elt sich um eine der wenigen<br />

Veröffentlichungen zum Islam in Aserbaidschan.<br />

Zunächst wird die Frühgeschichte des Islams in<br />

Aserbaidschan skizziert. Bedeutend für die späteren<br />

Entwicklungen war die erzwungene Konversion von<br />

Sunniten zur Schia unter der Herrschaft der Sawafiden.<br />

So entst<strong>and</strong> eine Zusammensetzung der beiden<br />

Hauptrichtungen des Islams, die für Aserbaidschan<br />

bis heute charakteristisch ist. Die anschließende Herrschaft<br />

der russischen Zaren war von einem fehlgeschlagenen<br />

Konversionsversuch zum Christentum <strong>und</strong><br />

der anschließenden Kooptierung der islamischen Gelehrten<br />

<strong>und</strong> die Regulierung des religiösen Lebens bestimmt.<br />

Die aufkommende protonationalistische Bewegung<br />

in Aserbaidschan richtete sich dementsprechend<br />

sowohl gegen die russische Herrschaft als auch<br />

gegen die traditionellen religiösen Autoritäten. Nach<br />

einem zweijährigen Intermezzo der Unabhängigkeit<br />

Aserbaidschans wurde das L<strong>and</strong> Teil der Sowjetunion.<br />

Unter der sowjetischen Herrschaft wurden die islamischen<br />

Institu<strong>tionen</strong> zerschlagen <strong>und</strong> Moscheen<br />

zerstört. Der Islam überlebte diese Phase lediglich als<br />

kulturelle Tradition ohne feste Strukturen.<br />

Erst mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion <strong>und</strong><br />

dem Wiedererstarken des aserbaidschanischen Nationalismus<br />

Anfang der 1990er Jahre gewann der Islam<br />

als Teil der nationalen Identität eine stärkere Rolle in<br />

der Öffentlichkeit. Nach der Unabhängigkeit Aserbaidschans<br />

kam es zu intensiven Aktivitäten religiöser<br />

Gruppen <strong>und</strong> Einrichtungen aus der Türkei <strong>und</strong> dem<br />

202<br />

Iran – nicht zuletzt, weil vergleichbare Institu<strong>tionen</strong> in<br />

Aserbaidschan nicht existierten. Eine spezifische Religionspolitik<br />

seitens des aserbaidschanischen Staates<br />

war in diesen Jahren nicht erkennbar. Erst die wachsende<br />

Relevanz islamischer Organisa<strong>tionen</strong> ab Mitte<br />

der 1990er Jahre führte zu einem W<strong>and</strong>el. Das autoritäre<br />

Regime unter Heydar Aliyev versuchte, das religiöse<br />

Leben stärker zu reglementieren. Dabei bekämpfte<br />

sie die langsam entstehende islamische Opposition<br />

<strong>und</strong> beendete die Aktivitäten islamischer<br />

Gruppen aus dem Ausl<strong>and</strong>. Die Regierung bediente<br />

sich dabei auch des Anti-Terror-Diskurses, um ihre<br />

Repression als Kampf gegen den Islamismus zu tarnen.<br />

Gleichzeitig wurde eine staatliche Religionsbehörde<br />

aufgebaut <strong>und</strong> die ausländischen islamischen<br />

Geistliche durch regimetreue Aserbaidschaner ersetzt.<br />

Diese Maßnahmen trugen mit dazu bei, dass sich ein<br />

„politischer Islam“ nicht etablieren konnte. Für alle<br />

relevanten Parteien spielt die Religion nur eine untergeordnete<br />

Rolle <strong>und</strong> der Islam wird lediglich als Teil<br />

der aserbaidschanischen Nationalkultur verst<strong>and</strong>en.<br />

Das Regime wacht darüber, dass dies so bleibt. Als<br />

bei den Präsidentschaftswahlen 2003 einige islamische<br />

Geistliche ihre Unterstützung für die Opposition<br />

erklärten, sorgte die staatliche Repression bei den<br />

nächsten Wahlen 2008 dafür, dass dies sich nicht<br />

wiederholte. Jegliche Ansätze einer oppositionellen<br />

Organisierung innerhalb der religiösen Gemeinden<br />

wird als Islamismus, F<strong>und</strong>amentalismus <strong>und</strong> Terrorismus<br />

deklariert <strong>und</strong> bekämpft. Die zunehmende Relevanz<br />

der Religion für die Menschen in Aserbaidschan<br />

führt so nicht zu einer wachsenden politischen<br />

Rolle des Islams.<br />

Fazit: Die Studie von Sattarov ist für alle, die sich<br />

für Aserbaidschan oder für die Rolle des Islams im<br />

postsowjetischen Raum interessieren, sehr zu empfehlen.<br />

Ismail Küpeli, Duisburg<br />

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Schäuble, Martin (2011): Black Box Dschihad.<br />

Daniel <strong>und</strong> Sa'ed auf ihrem Weg ins Paradies. –<br />

Carl Hanser Verlag: München, 224 S.<br />

Im sogenannten „Krieg gegen den Terrorismus“ spielt<br />

sich die Rhetorik der Konfliktparteien an den Polen<br />

ab. Dichotomische Argumentationsmuster wie<br />

gut/böse, gläubig/ungläubig, menschlisch/unmenschlich<br />

reduzieren die Komplexität politischer <strong>und</strong> sozialer<br />

Fragestellungen auf ein simplizistisches Minimum,<br />

in dem die Welt in zwei Hälften, in Schwarz <strong>und</strong><br />

Weiß, geteilt ist. Diese Nachvollziehbarkeit schafft<br />

ein ideologisches Attraktionspotenzial. Sie ist eine<br />

Denkweise, mit der man die Massen mobilisieren<br />

will, ein kleinster gemeinsamer Nenner, der weder<br />

Vorwissen noch einen hohen Bildungsst<strong>and</strong> voraussetzt<br />

<strong>und</strong> deshalb gezielt von Konfliktparteien als<br />

Propag<strong>and</strong>awerkzeug eingesetzt wird. Während die<br />

dichotomische Argumentation propag<strong>and</strong>istisch funktionieren<br />

mag, verhindert sie in der Welt jenseits der<br />

Medien jedoch eine sachgerechte Ausein<strong>and</strong>ersetzung

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