4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations
4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations
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REZENSIONEN BOOK REVIEW<br />
den 90er Jahren besprochen wie auch die Block- <strong>und</strong><br />
Koalitionsbildungen sowie die internen Entwicklungen<br />
der Parteien, die nur selten ihre autoritaristischen<br />
Strukturen überwinden können. Da sich die säkularen<br />
Parteien innerhalb des autoritaristischen Systems<br />
kaum profilieren konnten, haben sie politisches Potential<br />
an die islamistisch geprägten Gruppierungen abgegeben.<br />
Dies gilt insbesondere für die PJD (Parti de<br />
la Justice et du Développement), die über bessere Organisationsstrukturen<br />
verfügt (p. 67). Die Führer der<br />
säkularen Oppositionsparteien halten an ihrer Macht<br />
fest, bemühen dazu das verkrustete Argument ihres<br />
Daseins als Widerst<strong>and</strong>kämpfer der Kolonialzeit <strong>und</strong><br />
verhindern damit einen Genera<strong>tionen</strong>wechsel in ihren<br />
Reihen (p. 69). Die Dysfunktionalität des Parlaments<br />
<strong>und</strong> die Disziplinlosigkeit der Abgeordneten wird<br />
anekdotenhaft beschrieben (p. 72ss). Diese Schwächen<br />
stärken nicht nur die Monarchie, sondern auch<br />
die islamistischen Parlamentsvertreter, die mehr Disziplin<br />
aufbringen <strong>und</strong> die Medienpräsenz besser nutzen<br />
(p. 74). Parteiennomadismus (p. 76) <strong>und</strong> die Rolle<br />
politischer Dynastien im Parlament werden beschrieben<br />
(p. 81).<br />
Im 4. Kapitel The decrepitude of secular parties<br />
wird der Niedergang der USFP (Union Socialiste des<br />
Forces Populaires) eingehend dargestellt, die unter<br />
Hassan II eine deutliche oppositionelle Haltung (p.<br />
91) bezog <strong>und</strong> seit 1998 durch einen Pakt mit dem<br />
Monarchen an der Regierung beteiligt wurde. Während<br />
der Wahlen 2007 verbuchte die Partei sehr große<br />
Verluste (p. 85) <strong>und</strong> wurde damit zum „new sick man<br />
of Moroccan political parties“ (p. 88). Im 5. Kapitel<br />
Islamists <strong>and</strong> realpolitik wird der Aufstieg der moderaten<br />
Islamisten unter der Würdigung ihres Wirkens<br />
beschrieben, hier insbesondere die PJD (p. 110). Die<br />
Teilhabe der moderaten Islamisten am politischen<br />
System geht ebenfalls auf einen Pakt Hassan II zurück,<br />
wobei aber die Uneinheitlichkeit der Bewegung<br />
der Monarchie immer in die Hände gespielt hat (p.<br />
112). Der Autor zeigt, wie die Selbstbeschränkungsstrategien<br />
der PJD politischen Erfolg brachten (p.<br />
116), bespricht dann die Konsequenzen der Casablanca-Attentate<br />
im Mai 2003 (p. 119), nach denen sich<br />
die PJD zu einer bedeutenden Konstante in der Parteienl<strong>and</strong>schaft<br />
herausbilden konnte (p. 122). Er zeigt<br />
aber auch das Misstrauen modernistischer Akteure<br />
gegenüber den moderaten, parlamentarischen Islamisten<br />
(p. 126). Das schlechte Abschneiden der PJD bei<br />
den Wahlen 2007 wird auf das Wahlsystem („skillful<br />
institutional <strong>and</strong> electoral engineering“) <strong>und</strong> vor allem<br />
die Einteilung der Wahlkreise zurückgeführt (p.<br />
107s), aber auch auf mangelnde politische Erfahrung<br />
innerhalb der Partei (p. 109).<br />
Im 6. Kapitel Radical Islamism erläutert Boukhars<br />
die außerparlamentarischen islamistischen Akteure,<br />
die sich friedlich oder gewaltsam gegen die Monarchie<br />
aufstellen (p. 131). An der Entwicklung von Al-<br />
Adl Wal-Ihsan wird offenbar, dass Hassan II seit den<br />
70er Jahren die salafistischen Kräfte gegen die Linke<br />
nutzte, sie aber auch durch den eindringenden Wahabismus<br />
zersplitterte (p. 132). Momente der salafistischen<br />
Zeitgeschichte Marokkos, die weniger bekannt<br />
166<br />
sind, werden dargelegt (p. 135). Die Rolle der marokkanischen<br />
Jihadisten innerhalb der sogenannten al-<br />
Qaida-Organisa<strong>tionen</strong> <strong>und</strong> ihr Weg zu den Attentaten<br />
in Casablanca werden konzise zusammengefasst (p.<br />
138), um dann Langzeitwirkungen der Inhaftierung<br />
von tausenden von Personen (p. 142) zu erörtern.<br />
Schließlich wird der Umgang der Monarchie mit<br />
den religiösen Milieus gezeigt, die nach 2001 deutliches<br />
antiwestliches Profil zeigten, wobei auch hier die<br />
Teile-<strong>und</strong>-herrsche-Strategie der Monarchie (p. 150)<br />
zum Tragen kommt. Das Regime nimmt Al-Adl Wal-<br />
Ihsan als seinen bedeutendsten <strong>und</strong> erst zu nehmenden<br />
Opponenten wahr <strong>und</strong> macht sich deshalb seine<br />
Dissidenten <strong>und</strong> islamistischen Gegner zu Nutze, um<br />
die Gruppierung zu schwächen (p. 152). In seinen<br />
Schlussfolgerungen sieht Boukhars die Gefahr, dass<br />
die Monarchie angesichts der islamistischen Herausforderungen<br />
repressiver wird <strong>und</strong> unterstreicht die<br />
Dringlichkeit eines tatsächlichen Demokratisierungsprozesses<br />
(p. 163).<br />
Hinsichtlich der eingangs gestellten Zielsetzungen<br />
ist es Boukhars gelungen, die Netzwerke aufzuzeigen,<br />
durch die sich der Autoritarismus am Leben erhält<br />
<strong>und</strong> die ständigen Zersplitterungs-Strategien ernst zu<br />
nehmender politischer Gegner als Logik der Herrschaft<br />
herauszuarbeiten. Auf der Strecke geblieben ist<br />
allerdings die Dynamik politischer Partizipation, die<br />
wohl auch einen <strong>and</strong>eren Fokus erfordert hätte. Die<br />
Frage nach der politischen Kultur des Königreiches<br />
<strong>und</strong> inwieweit kulturelle Faktoren den monarchischen<br />
Autoritarismus begünstigen, wurde nicht gestellt.<br />
Isabel Knoerrich Aldabo, Malaysia<br />
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Brauns, Nikolaus, Brigitte Kiechle (2010): PKK,<br />
Perspektiven des kurdischen Freiheitskampfes:<br />
Zwischen Selbstbestimmung, EU <strong>und</strong> Islam. –<br />
Schmetterling Verlag: Stuttgart, 510 S.<br />
Die gegenwärtigen Debatten um die Aufnahme der<br />
Türkei in die Europäische Union haben zu einem<br />
wachsenden Interesse an der türkischen Innenpolitik