4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations
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MEDIENSPIEGEL MEDIA REVIEW<br />
sein Leben von der Gemeinschaft bestimmen, noch<br />
während seines 1989 begonnenen Medizinstudiums in<br />
Assiut <strong>und</strong> in Kairo. Bei jedem Gedanken, jeder<br />
H<strong>and</strong>lung fragt er sich, ob das gottgefällig im Sinne<br />
der Brüder ist. Er beschreibt minutiös Zusammensetzung,<br />
Strategien <strong>und</strong> Denkmuster der Gemeinschaft.<br />
Al-Berry ändert sein Leben erst nach einem Gefängnisaufenthalt,<br />
als er zu der Erkenntnis kommt, dass der<br />
Mensch ein Individuum ist <strong>und</strong> sich „genetisch, intellektuell,<br />
psychisch, <strong>und</strong> sozial“ unterscheidet. Überall<br />
werde vor Selbstüberschätzung gewarnt. „Aber niem<strong>and</strong><br />
warnt uns vor der selbstzerstörerischen Bescheidenheit,<br />
jener Hilflosigkeit, die uns zur Beute der<br />
Fliegen <strong>und</strong> Aasgeier des Universums macht <strong>und</strong> es<br />
den <strong>and</strong>eren, die nicht besser sind als wir, erlaubt, mit<br />
selbstverliehener Autorität über uns zu herrschen.“<br />
Das Versagen nach 9/11. Mit besseren Strategien<br />
gegen den Terror. Von Gernot Erler. Edition<br />
Körber Stiftung, Hamburg 2011. 110 Seiten.<br />
Zehn Jahre nach den Anschlägen in den USA am 11.<br />
September 2001 hat der SPD-B<strong>und</strong>estagsabgeordnete<br />
Gernot Erler Bilanz gezogen. Seiner Ansicht nach ist<br />
es „ein verlorenes Jahrzehnt“ mit zahlreichen Fehlentwicklungen.<br />
Der erste Teil seines Aufsatzes „Vom<br />
Schock zum Scheitern“ ruft noch einmal die Politik<br />
von Bush, Irak, Afghanistan usw. in Erinnerung. Der<br />
zweite Teil „Modell Europa“ gibt der EU <strong>und</strong> vielen<br />
ihrer Organisa<strong>tionen</strong> gute Noten. Besonders hebt er<br />
die zivilen Einsätze, die Engagements im Polizeiausbildungs-<br />
<strong>und</strong> Rechtsstaatsbereich sowie die ESS –<br />
Europäische Sicherheitsstrategie hervor. Anderes wird<br />
kritisiert, zum Beispiel die Östliche Partnerschaft oder<br />
die Union für das Mittelmeer. „Das ‚Europäische<br />
Modell’ verfolgt eine Reihe vielversprechender Ansätze,<br />
die für vorausschauende, strukturelle, intelligente<br />
<strong>und</strong> austarierte Antworten auf die Herausforderungen<br />
des Netzwerkterrorismus unverzichtbar sind.“ Am<br />
286<br />
Schluss würdigt er die „arabische Erhebung“. Sie habe<br />
die Gr<strong>und</strong>lagen der westlichen Politik in der gesamten<br />
Region ins Rutschen gebracht. Die Aufstände seien<br />
eine Chance gegen den Terror, wenn die Demokratisierung<br />
Erfolg habe.<br />
Der Angriff. Wie der islamische Terror unseren<br />
Wohlst<strong>and</strong> sprengt. Von Ulrich Schäfer. Campus<br />
Verlag, Frankfurt a. M. 2011. 312 Seiten.<br />
Ulrich Schäfer, Wirtschaftsjournalist bei der Süddeutschen<br />
Zeitung, sieht in al-Kaida weniger eine religiösf<strong>und</strong>amentalistische<br />
Terrororganisation, sondern vielmehr<br />
eine Gruppe, die einen Angriff auf unseren<br />
Wohlst<strong>and</strong> verfolgt. „Die islamistischen Terroristen<br />
führen keinen Glaubenskrieg, sondern einen Wirtschaftskrieg.“<br />
In seinem Ten-Years-After-Buch untersucht<br />
Schäfer minutiös die Quellen für seine Thesen.<br />
Zum Beispiel die Reden Osama Bin Ladens (der übrigens<br />
Wirtschaftswissenschaften studiert hat). Oder das<br />
268 Seiten lange Schriftstück „Verwaltung der Barbarei“<br />
eines gewissen Abu Bakr Naji, der sich an ein<br />
Buch des britischen Historikers Paul Kennedy mit<br />
dem Titel „Aufstieg <strong>und</strong> Fall der großen Mächte“<br />
anlehnt. Al-Kaida habe den Westen herausgefordert,<br />
sich in kostspielige Kriege <strong>und</strong> Sicherheitsmaßnahmen<br />
zu stürzen, was letzten Endes zur größten Wirtschaftskrise<br />
seit acht Jahrzehnten beigetragen habe. Schäfer<br />
nennt sechs politische Abwehrmaßnahmen: 1. die<br />
Entwicklung der arabischen Welt sichern, 2. die Globalisierung<br />
sichern, 3. die Warenströme sichern, 4. die<br />
Energieversorgung sichern, 5. die Staatsfinanzen sichern,<br />
6. die Finanzmärkte sichern.<br />
Der Islam-Irrtum. Europas Angst vor der muslimischen<br />
Welt. Von Michael Thumann. Eichborn Verlag,<br />
Frankfurt a. M. 2011. 330 Seiten.<br />
Der Titel des Buches ist irreführend, denn es geht im<br />
Wesentlichen nicht um die Religion Islam <strong>und</strong> nicht<br />
um Europas Angst davor, sieht man mal vor der Einleitung<br />
<strong>und</strong> einem Beitrag über Karikaturenstreit usw.<br />
ab. Was den „Irrtum“ betrifft, so ist wohl gemeint, das<br />
unser Wissen von islamischen Ländern unzureichend<br />
ist. Der Autor möchte falschen Vorstellungen entgegnen<br />
<strong>und</strong> macht das mit weitreichenden Kenntnissen<br />
<strong>und</strong> persönlichen Erfahrungen. Thumann, Leiter der<br />
Zeit-Redaktion für den Nahen <strong>und</strong> Mittleren Osten mit<br />
Sitz in Istanbul, hat hier sehr informative <strong>und</strong> spannende<br />
Reportagen zusammengestellt, die von Marokko<br />
bis zum Iran reichen. Die aktuellste h<strong>and</strong>elt von<br />
den Demonstra<strong>tionen</strong> auf dem Tahrir-Platz in Kairo.<br />
Am meisten erfährt der Leser dieses Buches über die<br />
Türkei. Andere Beiträge führen in den Irak, in den<br />
Libanon, nach Bahrain, Dubai, Saudi-Arabien <strong>und</strong> in<br />
die Vereinigten Arabischen Emirate. Im Marokko-<br />
Kapitel geht es um das im Jahre 2004 eingeführte<br />
neue Familienrecht. Thumanns schreibt im typischen<br />
kurzweiligen Reportagenstil, bei dem sich persönliches<br />
Erleben, Gespräche mit realen Personen, Zitate<br />
<strong>und</strong> Hintergr<strong>und</strong>wissen munter abwechseln. Seine<br />
Analysen der politischen Verhältnisse sind f<strong>und</strong>iert