4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations
4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Habilitations
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DAVO-DISSERTATIONSPREIS 2011 DAVO DISSERTATION AWARD 2011<br />
2001 bis zum Karikaturenstreit Anfang 2006. Sie<br />
fragt danach, welche hegemonialen Konstruk<strong>tionen</strong><br />
von Eigenem <strong>und</strong> Anderen während dieser Phase in<br />
den arabischsprachigen Medien verh<strong>and</strong>elt wurden.<br />
Die Autorin kann dabei aufbauen auf ihren prof<strong>und</strong>en<br />
Sprachkenntnissen im Arabischen, einer bemerkenswerten<br />
Sensibilität für die Probleme <strong>und</strong> Grenzen von<br />
Übersetzung sowie insgesamt einer gut informierten<br />
<strong>und</strong> sinnvoll abwägenden Diskussion vorliegender<br />
theoretischer Ansätze <strong>und</strong> methodischer Operationalisierung.<br />
Als Ergebnis dieser Untersuchung wird gezeigt,<br />
dass der „Kampf der Kulturen“ hier weder als realistisches<br />
Zukunftsszenario auftaucht, noch ähnliche<br />
territoriale Identitätskonstruk<strong>tionen</strong> mit umgekehrten<br />
Vorzeichen von Gut <strong>und</strong> Böse (re)produziert werden.<br />
Im Vordergr<strong>und</strong> steht vielmehr eine scheinbar ausweglose,<br />
postkoloniale Gegenwart. Dabei erscheint<br />
„die arabische Welt“ nicht nur als Objekt <strong>und</strong> Opfer<br />
von (Neo)Impe-rialismus, (Neo)Kolonialismus, Besatzung<br />
oder Intervention, sondern auch als „unvereint“,<br />
„uneinig“ <strong>und</strong> „zersplittert“. Arabische Staaten<br />
werden als „Verräter“, „Schweigende“ oder „Araber<br />
Amerikas“ beschrieben, die ihre „Brüder“ – vornehmlich<br />
Irak <strong>und</strong> Palästina – im Stich ließen oder gar<br />
gegen sie h<strong>and</strong>elten, da sie die USA oder Israel unterstützen.<br />
Darüber hinaus wird in den drei Zeitungen<br />
klar unterschieden zwischen „arabischen Regimen“<br />
<strong>und</strong> „Volk“, wobei die Regime als totalitär <strong>und</strong> unterdrückend<br />
charakterisiert werden. Die Unterdrückung<br />
der Völker erscheint dabei oftmals als Konsequenz<br />
aus der Unterdrückung der Regime „von außen“.<br />
Als Fazit aus ihrer Studie weist die Autorin darauf<br />
hin, wie wichtig es ist, den Fokus der weiteren Forschung<br />
auf das Aufspüren des Widerst<strong>and</strong>spotentials<br />
zu richten. In welchen diskursiven Zusammenhängen<br />
zeigt sich der Widerst<strong>and</strong>, bricht aus den scheinbar<br />
aussichtslosen postkolonialen Strukturen aus <strong>und</strong><br />
sorgt für tiefgreifende Veränderungen, um nicht auf<br />
der Ebene des Vorwurfs <strong>und</strong> der Schuldzuweisung an<br />
die sog. postkolonialen Aggressoren <strong>und</strong> Regime zu<br />
verweilen?<br />
Insgesamt gelingt es der Autorin in überzeugender<br />
Weise darzulegen, dass in den untersuchten arabischsprachigen<br />
Medien nicht das Bild eines Kampfes der<br />
Kulturen reproduziert wird, sondern dass <strong>and</strong>ere imaginative<br />
Geographien dominieren. Ihre ausgezeichnete<br />
Dissertation kann damit auch als Plädoyer für eine<br />
Öffnung der Sozial- <strong>und</strong> Kulturwissenschaften in<br />
Deutschl<strong>and</strong> <strong>und</strong> im Westen insgesamt für dezidiert<br />
nicht-europäische <strong>und</strong> nicht-nordamerikanisch positionierte<br />
Stimmen gelesen werden, um auch auf diesem<br />
Wege vermeintlich selbstverständliche Weltbilder<br />
hinterfragen zu können.<br />
Dr. Carola Richter (Medien- <strong>und</strong> Kommunikationswissenschaften,<br />
Universität Erfurt, Erstbetreuer Prof.<br />
Dr. Kai Hafez): „Die Kommunikationsstrategien<br />
ägyptischer Islamisten im Kontext von Demokratisierung“<br />
Laudatio:<br />
Das Forschungsinteresse der vor dem Beginn des<br />
„Arabischen Frühlings“ abgeschlossenen Dissertation<br />
gilt der Frage, ob Islamisten in Ägypten mittels spezifischer<br />
Kommunikationsstrategien einen Beitrag zur<br />
Demokratisierung in ihrem L<strong>and</strong> leisten können.<br />
Dieser Fragestellung liegt die Annahme zugr<strong>und</strong>e,<br />
dass Medien in Transformationsprozessen eine konstruktive<br />
Rolle spielen können <strong>und</strong> dass Islamisten<br />
zumindest als ‚funktionale Demokraten’ dabei helfen<br />
können, die für eine Demokratisierung nötige Pluralisierung<br />
der politischen L<strong>and</strong>schaft <strong>und</strong> die Etablierung<br />
einer partizipativen politischen Kultur zu fördern.<br />
In einem theoretischen Teil wird zunächst erörtert,<br />
in welchen systemischen Bedingungen Islamisten bis<br />
zum Umbruch 2011 in Ägypten überhaupt agieren<br />
konnten. Dabei wird den Fragen nachgegangen, wel-<br />
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