Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
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wendungsbereich von T erweitern, T präziser machen, zu T neue Aussagen hinzufügen;<br />
beson<strong>der</strong>s die dritte Strategie darf allerdings nicht nach Belieben gebraucht<br />
werden, da sie dem Ziel einer möglichst einfachen Theorie mit wenigen Grundannahmen<br />
zuwi<strong>der</strong>laufen würde.<br />
Es gibt kein numerisches Maß für den Gehalt, das es erlauben würde, Theorien über<br />
verschiedene Gegenstandsbereiche zu vergleichen, etwa über Leistungsmotivation<br />
und über soziale Normen. Am eindeutigsten ist die Situation dann, wenn T1 aus T2<br />
ableitbar ist. Dies ist z.B. dann <strong>der</strong> Fall, wenn T2 durch eine einfache Verän<strong>der</strong>ung<br />
von T1 entstanden ist o<strong>der</strong> wenn T2 eine umfassen<strong>der</strong>e Theorie ist, die T1 zu erklären<br />
vermag.<br />
Soll in <strong>der</strong> Wissenschaft ein möglichst hoher Gehalt angestrebt werden? Im Prinzip<br />
ist eine Theorie umso besser, je höher ihr Informationsgehalt ist. Jedoch führt <strong>der</strong><br />
Versuch, eine Theorie zu entwickeln, die „alles erklären” soll, mit größter Wahrscheinlichkeit<br />
zu einem Produkt, das sich als empirisch völlig inadäquat erweist.<br />
Auch kann es sein, dass das Streben nach übergroßer Allgemeinheit es notwendig<br />
macht, die Gesetzeshypothesen so unpräzise zu belassen, dass tatsächlich gar kein<br />
hoher Gehalt erzielt wird. Die Empfehlung muss also lauten, in einer dem<br />
Wissensstand angemessenen Weise zu versuchen, eine Theorie mit hohem Gehalt zu<br />
konstruieren.<br />
Das Ziel <strong>der</strong> Theorienbildung enthält weiterhin die Idee <strong>der</strong> Einfachheit: Es sollen<br />
möglichst viele Befunde durch möglichst wenige, einfache Annahmen erklärt<br />
werden. Bei gleicher Erklärungskraft ist die einfachere Theorie vorzuziehen. Das<br />
vielzitierte Sparsamkeitsprinzip zielt in dieselbe Richtung: Nur so viele theoretischen<br />
Entitäten und Annahmen sollen eingeführt werden, wie zur Erklärung <strong>der</strong><br />
Phänomene notwendig sind.<br />
Es müssen allerdings wenigstens 3 Aspekte unterschieden werden, die unabhängig<br />
voneinan<strong>der</strong> variieren können. Gefor<strong>der</strong>t werden: möglichst wenige<br />
Grundannahmen einer Theorie, möglichst wenige theoretische Begriffe, möglichst<br />
einfache Zusammenhangsannahmen.<br />
Einfachheit und Gehalt können nicht beide maximiert werden. Man könnte den<br />
Gehalt beliebig vergrößern, indem man <strong>der</strong> Theorie neue Annahmen hinzufügt, was<br />
aber ihre Einfachheit vermin<strong>der</strong>t.<br />
Wie lässt sich begründen, dass man sich um einfache theoretische Konstruktionen<br />
bemüht? Berühmte Wissenschaftler, darunter Kepler, Newton und Einstein, waren<br />
<strong>der</strong> Überzeugung, dass die Natur einfach sei. Da wir aber schwerlich durch rein<br />
theoretische Überlegungen beurteilen können, ob dieser Glaube zutrifft, kann Einfachheit<br />
als Kriterium <strong>der</strong> Forschung auf diese Weise kaum begründet werden.<br />
Überzeugen<strong>der</strong> ist ein methodologisches Argument: Aussagen, die einfachere<br />
Beziehungen zwischen Variablen annehmen, sind mit weniger Aufwand prüfbar;