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Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...

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3. Gesetze und ihre Anwendung in den Wissenschaften vom<br />

Menschen<br />

Bisher haben wir Gesetze und ihre Anwendungen (Erklärungen usw.) betrachtet, so<br />

wie sie in <strong>der</strong> <strong>Wissenschaftsphilosophie</strong> gewöhnlich diskutiert werden. Diese<br />

Betrachtungsweise ist nun sehr stark auf die Naturwissenschaften, insbeson<strong>der</strong>e auf<br />

die Physik, zugeschnitten. Dies liegt daran, dass die mo<strong>der</strong>ne <strong>Wissenschaftsphilosophie</strong><br />

bei ihren Untersuchungen stets die Physik im Auge hatte. Die Physik von<br />

bedeutenden Forschern wie Kopernikus, Galilei, Kepler, Newton und Einstein war<br />

sozusagen das Vorbild, anhand dessen man philosophisch erarbeiten wollte, was<br />

gute Wissenschaft ist, nach welchen Regeln sie vor sich gehen sollte.<br />

Ein Nachteil dieser Denkweise besteht darin, dass Regeln des Vorgehens, die für die<br />

Physik ideal sind, nicht ohne weiteres allen Wissenschaften auferlegt werden<br />

können. Sie stellen möglicherweise Anfor<strong>der</strong>ungen, die für manche Wissenschaften<br />

unangemessen sind. Kann es z.B. für menschliches Handeln ähnlich präzise und<br />

einfache Gesetze geben, wie für die Bewegung von Planeten o<strong>der</strong> den freien Fall von<br />

Körpern?<br />

Es stellt sich mehr und mehr heraus, dass es vergleichbare Gesetze dort nicht gibt.<br />

Die Gesetzmäßigkeiten, die von Wissenschaften wie <strong>der</strong> Psychologie o<strong>der</strong> Soziologie<br />

entdeckt werden, scheinen nicht von <strong>der</strong>selben Perfektion zu sein, wie diejenigen <strong>der</strong><br />

Physik. Aber was folgt daraus? Manche Wissenschaftler und Philosophen ziehen<br />

daraus den Schluss, dass es in den Wissenschaften vom Menschen überhaupt keine<br />

Gesetze und daher auch keine Erklärungen und Vorhersagen von <strong>der</strong> Art geben<br />

kann, wie sie im letzten Kapitel vorgestellt wurden. Diese Reaktion ist nach meiner<br />

Auffassung überzogen. Überzeugen<strong>der</strong> erscheint mir eine an<strong>der</strong>e Sichtweise, nach<br />

<strong>der</strong> es in den Wissenschaften vom Menschen zwar keine Gesetze und Erklärungen<br />

gibt, die von <strong>der</strong> dargestellten Idealform sind, jedoch Gesetze und Erklärungen einer<br />

etwas an<strong>der</strong>en, schwächeren Form. Dieser Gedanke soll nun näher ausgeführt<br />

werden.<br />

Vergleichen Sie einmal die beiden folgenden Gesetzesaussagen:<br />

1) Für alle Metallstücke x: Wenn x erhitzt wird, dann dehnt sich x aus.<br />

2) Für alle Personen x: Wenn x große Prüfungsangst hat, dann vermin<strong>der</strong>t dies die<br />

Prüfungsleistung von x.<br />

Beide sind von <strong>der</strong> Form „Immer wenn A, dann B”. Gehen wir einmal davon aus,<br />

dass beide Aussagen zutreffend sind. Bei (1) scheint es nun, dass A stets hinreichend<br />

für B ist. Es handelt sich um eine deterministische Aussage. Eine deterministische<br />

Aussage behauptet den Zusammenhang zwischen A und B ohne jede Ausnahme. Bei<br />

<strong>der</strong> zweiten Aussage verhält es sich dagegen nicht so. Obwohl (2) ebenfalls auf alle<br />

Personen bezogen ist, kann sie vernünftigerweise nicht so gemeint sein, dass große

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