Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
- 153 -<br />
Wie steht es in dieser Hinsicht mit Werten? Wie kann man argumentieren, wenn jemand<br />
ein Werturteil nicht akzeptiert? Angenommen, jemand akzeptiert nicht, dass<br />
Wissenschaftler für die Verwendung ihrer angewandten Forschungsergebnisse mitverantwortlich<br />
sind. Hier besteht nicht, wie bei empirischen Fragen, die Möglichkeit<br />
zu sagen: Sieh nochmals genau hin. Sind Werturteile also willkürliche Festsetzungen,<br />
über die es eine rationale Diskussion nicht geben kann?<br />
Sie können nicht in gleicher Weise wie Tatsachenaussagen geprüft werden. Es ist<br />
aber dennoch möglich, sie zum Gegenstand <strong>der</strong> Argumentation zu machen, und insofern<br />
sind auch sie einer rationalen Diskussion zugänglich. Drei Möglichkeiten einer<br />
solchen Diskussion seien genannt:<br />
1) Manche Werturteile setzen Tatsachen voraus. Sie können daher kritisiert werden,<br />
indem man das implizite Tatsachenurteil in Frage stellt. Nehmen wir das Werturteil:<br />
Cyril Burt hat gegen eine Norm <strong>der</strong> Wissenschaft verstoßen, als er Daten zur<br />
Vererbung <strong>der</strong> Intelligenz fälschte. Sollte es sich einst herausstellen (<strong>der</strong>zeit sieht es<br />
nicht so aus), dass Burt gar keine Datenfälschungen begangen hat, so wäre dem<br />
Werturteil <strong>der</strong> Boden entzogen.<br />
2) Eine zweite Möglichkeit, gegen ein Werturteil zu argumentieren, besteht darin,<br />
einen Wi<strong>der</strong>spruch zu an<strong>der</strong>en Annahmen aufzuzeigen, die <strong>der</strong> Betreffende akzeptiert.<br />
Nehmen wir z.B. an, dass wir es mit einem überzeugten Pazifisten zu tun haben<br />
und dass es um die Frage geht, ob im Land X ein Militäreinsatz stattfinden soll. Er ist<br />
prinzipiell dagegen, darin besteht sein Werturteil, von dem wir fragen, wie man es<br />
kritisieren könnte. Wir argumentieren, dass aus bestimmten Annahmen, die kaum<br />
abgelehnt werden können, eine Konklusion folgt, die dem zur Diskussion stehenden<br />
Werturteil wi<strong>der</strong>spricht:<br />
Der Völkermord an einer sozialen Min<strong>der</strong>heit, <strong>der</strong> zur Zeit im Land x<br />
stattfindet, soll unterbunden werden.<br />
Dieser Völkermord kann nur durch ein militärisches Eingreifen von außen<br />
unterbunden werden.<br />
----------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />
Es soll von außen militärisch eingegriffen werden.<br />
Es ist natürlich die Frage, ob <strong>der</strong> Gesprächspartner die zweite Prämisse, die Tatsachenaussage,<br />
akzeptieren wird. Vielleicht wird er es nicht. Dann ist dies <strong>der</strong> Ausgangspunkt<br />
für eine weitere Diskussion über eine Sachfrage. Wie diese ausgeht, ist<br />
nicht unser Thema. Unser Thema ist, ob über Werturteile eine rationale Argumentation<br />
stattfinden kann, und dies ist offenbar <strong>der</strong> Fall.