Wissenschaftsphilosophie der Sozialwissenschaften - Open ...
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dass sich Planeten sich annäherungsweise so bewegen, wie es Johannes Kepler mit<br />
seinen Gesetzen beschrieben hat. Eine Theorie ermöglicht also eine Ordnung, eine<br />
Systematisierung von Gesetzen durch die Beziehung <strong>der</strong> deduktiven Ableitbarkeit: Aus<br />
wenigen grundlegenden Gesetzen sind viele weitere ableitbar, darunter die zuvor<br />
bereits bekannten.<br />
Die Erklärung schon bekannter Gesetze durch eine neue Theorie liefert weiterhin<br />
eine Vereinheitlichung von bekannten Tatsachen. Der freie Fall, die Planetenbahnen,<br />
die Pendelbewegung, die Gezeiten und einiges mehr erwiesen sich alle als spezielle<br />
Fälle <strong>der</strong> Bewegung von Körpern aufgrund <strong>der</strong> Tatsache, dass zwischen ihnen die<br />
Gravitationskraft waltet. Das hatte man vorher nicht so gesehen. Sie erschienen als<br />
ganz verschiedenartige Phänomene. Nachdem man Newtons Gesetze kannte, sah<br />
man die Gemeinsamkeit. In diesem Sinne ermöglicht eine gute Theorie eine<br />
Vereinheitlichung von Phänomenen. Wie Sie vielleicht wissen, suchen einige<br />
theoretische Physiker (z.B. Stephen Hawking) nach einer physikalischen Theorie, die<br />
alle physikalischen Phänomene einheitlich zu erklären vermag; ob eine solche<br />
Theorie aber jemals gefunden wird, lässt sich nicht vorhersagen.<br />
Ein Gebilde, das aus einigen Grundgesetzen besteht, aus denen man viele Annahmen<br />
deduktiv ableiten kann, nennt man eine Theorie. Je weniger Grundgesetze die Theorie<br />
besitzt, als desto einfacher gilt sie, und Einfachheit wird in <strong>der</strong> Wissenschaft geschätzt.<br />
Von den Gesetzen bzw. Theorien möchte man, dass sie zutreffend sind, dass sie die<br />
Gegenstände und ihre Zusammenhänge so darstellen, wie sie tatsächlich sind.<br />
Gesetzesaussagen bzw. Theorien sollen wahr sein. Falsche Theorien können zu<br />
falschen Erklärungen, falschen Vorhersagen und eventuell zu fatalen<br />
Handlungsergebnissen führen. Was ist Wahrheit? Der Begriff <strong>der</strong> Wahrheit wird in<br />
vielfältiger Weise gebraucht (eine wahre Aussage, ein wahrer Freund, das wahre<br />
Leben usw.) Im Zusammenhang mit Erkenntnis geht es um die Wahrheit von<br />
Aussagen. Eine Aussage genau dann wahr, wenn sie zutreffend ist, d.h. wenn die<br />
Wirklichkeit tatsächlich so beschaffen ist, wie es die Aussage darstellt. Die Aussage<br />
„Es regnet jetzt” ist genau dann wahr, wenn es jetzt tatsächlich regnet. Die Aussage<br />
„Alle Planetenbahnen sind Ellipsen” ist genau dann wahr, wenn sich alle Planeten<br />
tatsächlich in Ellipsen um die Sonne bewegen. Wahrheit ist zutreffende Darstellung.<br />
Ich sagte, dass die Wissenschaft wahre Theorien möchte. Diese Aussage muss noch<br />
etwas differenziert werden. Es gibt eine Einigkeit darüber, dass man Theorien<br />
möchte, die wahre Vorhersagen machen. Allerdings gibt es eine Kontroverse<br />
bezüglich <strong>der</strong> Frage, ob die grundlegenden Gesetze einer Theorie selbst wahre<br />
Aussagen sein können. Nehmen wir z.B. eine Gesetzesaussage, die von Atomen o<strong>der</strong><br />
noch kleineren Teilchen handelt. Kann eine solche Aussage im selben Sinne „wahr”<br />
sein, wie z.B. die Aussage, dass jetzt eine Tasse Kaffee vor mir auf dem Tisch steht?<br />
Eine bestimmte Denkrichtung in <strong>der</strong> <strong>Wissenschaftsphilosophie</strong> bestreitet dies und<br />
geht davon aus, dass man von wahr o<strong>der</strong> falsch nur bei Aussagen sprechen kann, die